150 Jahre Deutsches Arzneibuch
Die „Pharmacopoea Germanica“ ist am 01. November 1872 als erstes deutschlandweit einheitliches „Deutsches Arzneibuch“ (DAB) erschienen. In den Artikeln erfährt man allerhand Erstaunliches. Beispielsweise, dass Opium in der Darreichungsform wohl recht dekorativ daherkam: „Meist etwas zusammengedrückte oder fast kugelförmige Kuchen […] eingehüllt in Mohnblätter und bestreut mit den Früchten irgendeines Ampfers“.
Interessant ist auch die Herstellung des „Englischen Pflasters“, für das die Schwimmblasen von Hausen (Fische) in kochendem Wasser fast gänzlich aufgelöst werden mussten. Als der Gesundheit nicht zuträglich würde man heute die beschriebene Pflasterherstellung unter Einsatz von Blei oder Quecksilber einstufen.
Sogar „Schiffspech“ wird als Stoff zur Arzneimittelherstellung beschrieben. Stoffe, die heute als weniger heilsam gelten, sind natürlich in den regelmäßigen Überarbeitungen des Deutschen Arzneibuches verschwunden. Andere Stoffe behaupten ihren Platz im Arzneibuch aber bis heute, wie zum Beispiel Likörwein, Mistelkraut oder auch Benzin.
Bis heute von großer Bedeutung
Das Arzneibuch ist ein wichtiges Instrument zum Schutz der Patienten. Es wird zusammen mit dem Europäischen Arzneibuch zum Beispiel für die Arzneimittelzulassung benötigt. Wenn ein pharmazeutischer Unternehmer eine solche Zulassung beantragt, muss er neben der Wirksamkeit und der Unbedenklichkeit auch die Qualität seines Produktes belegen. Dabei kann er sich auf die Arzneibücher beziehen.
Von den Zulassungsbehörden wird dieser Bezug als eine der Voraussetzungen für die Qualität dieser Substanzen anerkannt. Dies erspart sowohl den Herstellern als auch dem BfArM, für jeden Stoff detailliert die Qualität aufzuzeigen.
Lorscher Arzneibuch
Das „Deutsche Arzneibuch“ war aber nicht das erste seine Art. Als ältestes in Deutschland erhaltenes Arzneibuch gilt das „Lorscher Arzneibuch“, das um 795 im Benediktinerkloster in Lorsch geschrieben wurde und die damalige Verbindung von Klöstern und Pharmazie beweist. Heute gehört das „Lorscher Arzneibuch“ zum UNESCO Weltdokumentenerbe und kann im Internet in seiner digitalen Version betrachtet werden.
Von den Landespharmakopöen zum Deutschen Arzneibuch
Die rund tausend Jahre später erscheinenden Landespharmakopöen des 19. Jahrhunderts waren dann die Grundlage für das erste Deutsche Arzneibuch, das am 01. November 1872 in Kraft gesetzt wurde. Das „Deutsche Arzneibuch“ wurde immer wieder überarbeitet und erschien bis zur Ausgabe von 1890 in lateinischer Sprache.
Europäisches Arzneibuches
Von 1969 bis 1974 erschienen die ersten drei Bände des Europäischen Arzneibuches, in das zunehmend Monographien aus dem Deutschen Arzneibuch übernommen wurden. Für Stoffe, die nicht im Europäischen Arzneibuch beschrieben sind, können die Mitgliedsstaaten der EU aber die Einhaltung der Vorschriften ihres eigenen nationalen Arzneibuchs verlangen, insbesondere, wenn auf europäischer Ebene kein Interesse an der Ausarbeitung der Monographie besteht oder nationale Gesundheitsinteressen eine Ausarbeitung notwendig erscheinen lassen.
Auch wenn das DAB deutlich an Umfang verloren hat, stellt es daher nach wie vor eine wichtige nationale Ergänzung zum Europäischen Arzneibuch dar.
Deutsche Arzneibuch-Kommission entscheidet über Inhalte
Die Entscheidung darüber, was in das Deutsche Arzneibuch aufgenommen wird, wo es Bearbeitungsbedarf gibt oder auch, ob etwas aus dem Arzneibuch gestrichen werden soll, trifft die Deutsche Arzneibuch-Kommission. Deren Mitglieder werden vom BfArM einberufen, im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut und dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit.
Die inhaltliche Arbeit der Kommission erfolgt vorwiegend in deren Ausschüssen und Arbeitsgruppen. Das BfArM beteiligt sich aktiv, auch experimentell, an diesem nationalen Gremiennetzwerk aus über 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die von Arzneimittelüberwachung, öffentlicher Pharmazie, den beteiligten Wirtschaftskreisen, Universität und den Zulassungsbehörden entsandt werden.
Die Gremien beraten heutzutage hauptsächlich über Entwürfe für Monographien des Europäischen Arzneibuches. Viele Mitglieder der nationalen Gremien sind zudem in den Arbeits- und Expertengruppen der Europäischen Arzneibuchkommission tätig und können daher direkt der DAB-Kommission und den Ausschüssen berichten.
Neuzugang 2022
Ein Beispiel für eine neue Monographie im Deutschen Arzneibuch ist „Dünnflüssiges synthetisches Paraffin“. Es wird in der Ausgabe 2022 beschrieben. Die Substanz weist aufgrund ihres Herstellungsweges eine hohe Reinheit in Bezug auf aromatische Kohlenwasserstoffe auf. Sofern die pharmazeutisch technologischen Eigenschaften dies erlauben, wird dieser Stoff als Ersatz für das „Dünnflüssige Paraffin“, welches aus der Aufarbeitung von Erdöl gewonnen wird und mit geringen Mengen aromatischer Kohlenwasserstoffe belastet ist, gelten können.
Quelle: BfArM