84 Todesfälle und 2.700 Gesundheitsschäden durch Behandlungsfehler
OP-Material im Körper vergessen, eine falsch gesetzte Magensonde oder nicht das richtige Medikament verschrieben – seltene Fälle, aber sie passieren. Der Medizinische Dienst – eine Art Prüf- und Gutachterabteilung der Krankenkassen – legte am 17.08. seine jährliche Statistik zu Behandlungsfehlern vor. Demnach erstellten Experten des Dienstes im vergangenen Jahr 13.059 fachärztliche Gutachten, nachdem Patientinnen und Patienten sich wegen vermuteter Behandlungsfehler beschwert hatten.
In der Mehrzahl der Fälle wurde kein Fehler festgestellt, jedes vierte Gutachten (3.221) kam aber zu dem Schluss, dass ein Behandlungsfehler mit einem Gesundheitsschaden vorlag. In fast jedem fünften Fall (2.696) war der Fehler auch die Ursache für den gesundheitlichen Schaden. In 84 Fällen führten diese sogar zum Tod oder trugen wesentlich dazu bei. Die Zahlen bewegen sich in etwa auf dem Niveau der Vorjahre.
84 Todesfälle bei Millionen Behandlungen pro Jahr
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung behandeln die Krankenhäuser in Deutschland pro Jahr knapp 17 Millionen Fälle, in Arztpraxen sind es mehr als 550 Millionen Behandlungsfälle pro Jahr. Im Vergleich zur Gesamtzahl aller Arzt- und Krankenhausbehandlungen im Jahr klingt die Zahl klein, aber hinter jedem Fall steckt ein Einzelschicksal und die Dunkelziffer ist womöglich deutlich höher, vermutet der Medizinische Dienst.
Bei knapp zwei Drittel (60,5 Prozent) der begutachteten Fälle sind laut Medizinischem Dienst vorübergehende Schäden entstanden. Das heißt, ein Krankenhausaufenthalt musste verlängert werden oder eine Intervention war notwendig. Die Patientinnen und Patienten sind jedoch wieder vollständig genesen.
Medikamenten- und Seitenverwechslungen
Von großer Bedeutung für Präventionsmaßnahmen sind Never Events. Dabei handelt es sich um gut vermeidbare unerwünschte Ereignisse. Dazu gehören Patienten- und Seitenverwechslungen, schwerwiegende Medikationsfehler oder unbeabsichtigt zurückgebliebene Fremdkörper nach Operationen.
Deutsche Stiftung Patientenschutz fordert zentrale Datenbank
Anlässlich der Vorstellung der Behandlungsfehlerstatistik wird seit Jahren immer wieder auch eine zentrale Datenbank gefordert, in der die Fälle erfasst werden. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte, dass bisher der Medizinische Dienst der Kassen, Gerichte und Bundesärztekammer jeweils eigene Statistiken über Behandlungsfehler führten. Patienten und Patientinnen können sich bei Verdacht auf eine falsche Behandlung zum Beispiel neben den Krankenkassen auch an Schlichtungsstellen der Ärztekammern wenden, andere gehen direkt den juristischen Weg.
Missstände ließen sich nur erkennen, wenn eine lückenlose Dokumentation erfolge, sagte der Vorstand der Stiftung, Eugen Brysch, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Ein zentrales Register könnte seiner Ansicht nach alle Fakten sammeln, um besser aus Fehlern zu lernen.
Was tun bei Behandlungsfehlern?
Voraussetzungen
- Der Ärztin bzw. dem Arzt muss tatsächlich ein Fehler unterlaufen sein.
- Dieser Fehler muss zu einem Schaden oder zumindest zu einem unerwünschten Verlauf geführt haben.
- Der Schaden muss eindeutig als Folge des Fehlers identifizierbar sein.
Ablauf bei Behandlungsfehlern
- Betroffene suchen Gespräch mit Ärztin / Arzt.
- Anschließend wenden sich Betroffene an die zuständige Ärztekammer, um den Sachverhalt auf einen möglichen Behandlungsfehler hin überprüfen zu lassen,
- Zuständig ist die Gutachterkommission oder Schlichtungsstelle der Ärztekammer, in deren Bezirk die Behandlung stattgefunden hat.
- Ein Gutachten klärt, ob tatsächlich ein Behandlungsfehler vorliegt.
- Anschließend wird im Rahmen einer Schlichtung zwischen beiden Parteien vermitteln.
- Führt das nicht zum gewünschten Ergebnis und ist der Behandlungsfehler im Kern strittig, kann es vor Gericht gehen.
- Dann sollten sich Betroffene Hilfe bei einer Fachanwältin / einem Fachanwalt für Medizinrecht holen.
Lauterbach plant Transparenzverzeichnis für Krankenhäuser
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach plant unterdessen ab dem 1. April 2024 ein „Transparenzverzeichnis“ der Kliniken, um die Qualität zu verbessern. Dieses soll im Internet einen Überblick über Leistungen, Angebote und Qualität der rund 1.900 Krankenhäuser in Deutschland ermöglichen.
In dem Verzeichnis sollen Bürgerinnen und Bürger nachlesen können, welche Leistungen in einer Klinik angeboten werden und wie sie dafür personell ausgestattet ist. Auch die Veröffentlichung von Qualitätsdaten ist geplant, etwa zu Komplikationen oder Todesfällen. „Die Veröffentlichung dieser Daten trägt neben der Förderung selbstbestimmter Auswahlentscheidungen von Patientinnen und Patienten auch dazu bei, dass Krankenhäuser zu einem Wettbewerb um die bestmögliche Qualität angeregt werden“, heißt es in dem Gesetzentwurf laut Deutscher Presseagentur.
Quelle: Medizinischer Dienst / dpa / Ärzte Zeitung