„Arzneimittel-Flohmärkte" : BAK-Präsident über Vorschlag schockiert

(cnie) Manche Arzneimittel sind Mangelware in Deutschland. Gesunde sollten daher jetzt Kranken mit Medikamenten aus der Hausapotheke aushelfen, forderte der Präsident der Bundesärztekammer Klaus Reinhardt im „Tagesspiegel". Die Apothekerschaft hält das für eine absurde Idee.

19.12.2022

BAK-Präsident Thomas Benkert
© Foto: ABDA
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Kliniken und Arztpraxen klagen über Engpässe bei einer Reihe von Medikamenten. Bundesärztekammer-Präsident Reinhardt, rief die Bevölkerung deshalb dazu auf, sich gegenseitig zu helfen. "Jetzt hilft nur Solidarität. Wer gesund ist, muss vorrätige Arznei an Kranke abgeben. Wir brauchen so was wie Flohmärkte für Medikamente in der Nachbarschaft", sagte er dem „Tagesspiegel".

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„Arzneimittel-Flohmärkte"  – absurd und fahrlässig

„Ein solcher Vorschlag ist fahrlässig, verantwortungslos und heilberuflich nicht zu vertreten! Ich bin wirklich absolut entsetzt!“ Mit diesen Worten kommentiert Tatjana Zambo, Präsidentin des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg den Vorstoß des Präsidenten der Bundesärztekammer. Reinhardt hatte darüber hinaus angeregt, selbst abgelaufene Medikamente weiter zu benutzen.

Selbstverständlich sei die Situation der Lieferengpässe bei einem gleichzeitig hohen Krankenstand besorgniserregend, so Zambo. „Dass man allerdings auf so eine absurde Idee kommt, dass die Menschen nun die in den Haushalten gelagerten Medikamente ohne jedweden fachlichen Rat munter fröhlich miteinander tauschen sollen, grenzt schon fast an Absurdität. Das gilt umso mehr, wenn dieser Vorschlag von einem Arzt kommt und noch dazu von einer durch sein Amt so herausgestellten Persönlichkeit“, so Zambo weiter.

Auch für den Vorschlag Reinhardts, bereits seit mehreren Monaten abgelaufene Medikamente einzubeziehen, hat Zambo kein Verständnis. „Mit einer solchen Idee tritt der Präsident der Bundesärztekammer die wichtige Errungenschaft der Arzneimittelsicherheit und gleichzeitig das Patientenwohl mit Füßen!“ Ihr sei auch kein Fall bekannt, bei dem in Arztpraxen abgelaufene Medikamente im Sprechstundenbedarf eingesetzt würden. „Ich kann mir keine Ärztin und keinen Arzt vorstellen, der hier Kompromisse machen würde“, meint Zambo.

Keine Medikamente horten

Zambo fordert die Bundesärztekammer und die weiteren ärztlichen Standesvertretungen auf, sich unverzüglich von diesen Vorschlägen zu distanzieren. „Es ist selbstverständlich, dass in der derzeitigen Situation in den Haushalten keine Medikamente gehortet werden sollten. Aber in die Beliebigkeit darf man die Medikation von kranken Menschen nicht setzen.“

Verfallene Arzneimittel können der Gesundheit der Patienten schaden

Auch der Präsdient der Bundesapothekerkammer Thomas Benkert hat sich zu dem Vorschlag von Reinhardt geäußert: „Arzneimittel gehören in Apotheken, nicht auf den Flohmarkt – schon gar keine abgelaufenen Arzneimittel. Es schockiert mich, dass der Präsident der Bundesärztekammer Derartiges öffentlich vorschlägt. Verfallene Arzneimittel können die Gesundheit der Patientinnen und Patienten massiv gefährden, ganz abgesehen von haftungsrechtlichen Fragen. Zudem steht die Gesetzeslage dem klar entgegen und die aktuelle Situation eignet sich nicht für Populismus."

Benkert erklärt weiter: „Derzeit gibt es schlicht zu wenig Fiebersäfte. Der Vorschlag von Herrn Reinhardt geht völlig an der Realität vorbei. Die Apotheken stehen aktuell unter enormem Druck, das Fehlen von lebenswichtigen Arzneimitteln zu managen. Es wäre wünschenswert, wenn sich auch Repräsentanten der Ärzteschaft verantwortungsvoll an Lösungsansätzen beteiligen würden.“

Quelle: Landesapothekerverband Baden-Württemberg / ABDA / dpa / Tagesspiegel

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