Arzneimitteltherapie oft im Blindflug

(th/fast) Ärzte und Kliniken tauschen sich nur unzureichend über die Medikation ihrer Patienten aus, beklagt die Barmer in ihrem letzte Woche vorgestellten Arzneimittel-Report. Krankenhausärzten fehlten oft Infos zur Medikation, der Hausarzt wiederum erfahre nichts über Therapieänderungen.

17.08.2020

Tablettendispenser, gefüllt mit den wöchentlich einzunehmenden Medikamenten.
© Foto: GAETAN BALLY / Keystone / dpa
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Gerade bei Patienten mit Mehrfachmedikation kommt es demnach bei Aufnahme ins und Entlassung aus dem Krankenhaus zu Informationslücken. So hatten nur 29 Prozent der Patienten bei Klinikaufnahme einen Medikationsplan. 17 Prozent verfügten über gar keine Aufstellung ihrer Arzneimittel. Bei jedem Dritten war der Plan unvollständig, wie eine für den Report durchgeführte Umfrage unter rund 2900 bei der Barmer versicherten Polypharmazie-Patienten ergab. „Es ist unverständlich, dass die Aufnahme in ein Krankenhaus als millionenfacher Prozess so fehleranfällig ist“, sagte Barmer-Vorstandschef Prof. Christoph Straub. Allein 2017 seien bundesweit 2,8 Millionen Personen am Tag ihrer Krankenhausaufnahme Polypharmazie-Patienten gewesen. Jeder gesetzlich Versicherte, der drei oder mehr Arzneimittel benötige, habe seit 2016 Anspruch auf einen Medikationsplan, „um Informationslücken und damit Risiken zu vermeiden“, erinnerte Straub. Der Medikationsplan sei auch bei Entlassung aus der Klinik wichtig. Nur so könne der Hausarzt erkennen, ob es Änderungen bei der Medikation gab. 

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Zu wenig Informationen für den Hausarzt

Dieser Informationsfluss stockt aber ebenfalls. Belege dafür liefert eine Umfrage für den Report unter 150 Hausärzten. 40 Prozent der befragten Allgemeinmediziner sind demnach mit Informationen aus dem Krankenhaus „unzufrieden“ oder sogar „sehr unzufrieden“. Nur bei jedem dritten betroffenen Patienten seien die im Krankenhaus erfolgten Therapieänderungen begründet worden. Dass solche Änderungen in der medikamentösen Therapie nicht selten sind, geht aus Routinedaten der Kasse hervor: So hatten 41 Prozent der Barmer-Versicherten, knapp 484 000 Patienten, nach Entlassung aus der Klinik mindestens ein neues Arzneimittel bekommen. Ein funktionierender Informationsfluss ist umso wichtiger, da stationär behandelte Patienten zunehmend älter sowie mehrfach erkrankt sind und polypharmazeutisch behandelt werden.

Digitale Systeme als Problemlöser

„In Jahrzehnten ist es nicht gelungen, die Versorgung über die Sektorengrenzen hinweg besser zu organisieren“, moniert Barmer-Chef Straub. „Es ist nicht das Versagen der Ärzte, es ist eine Frage der Organisation.“ Nach wie vor fehle ein „durchgängiges, digitales System“, das Verordnungen erfasse und alle an der Therapie beteiligten Ärzte informiere. Die Grundlage dafür werde mit der Telematik-Infrastruktur geschaffen. „Insofern glaube ich, dass das Problem angegangen wird“, sagte Straub.

Quelle: Ärzte Zeitung

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