Ausstellung: Allerhand Skurriles

(ps/kib) Die Geschichte der Orthopädie können Besucher in einem Frankfurter Museum entdecken. Zu sehen: Endoprothesen, Implantate, Instrumente und allerhand Skurriles.

16.03.2018

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© Foto: Orthopädische Universitätsklinik Friedrichsheim
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Das "Deutsche Orthopädische Geschichts- und Forschungsmuseum", so der offizielle Name der nach einem Jahr Umbau nun wiedereröffneten Sammlung in Frankfurt, ist bundesweit einzigartig. Anhand historischer Exponate zeichnet sie die rasante Entwicklung der Orthopädie seit Anfang des 19. Jahrhunderts nach.

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Neben Endoprothesen, Implantaten und Instrumenten sind vor allem technische Hilfsmittel zu sehen, dank derer behinderte Menschen in den vergangenen Jahrhunderten beweglich wurden. In der Museumsbibliothek dokumentieren gut 5700 wissenschaftliche Werke die Orthopädie-Geschichte von ihren Anfängen bis in unsere Gegenwart.

Zentrum der Ausstellung bildet ein Skelett, das nicht von ungefähr an Leonardo da Vincis "Vitruvianischen Menschen" erinnert. Das Skelett weist Spuren aller Krankheiten, Entzündungen, Infektionen, Tumoren, Frakturen, degenerativen Prozesse und erblich bedingten Anomalien auf, von denen Knochen erzählen können: Osteochondrose, Koxarthrose, Osteomyelitis, Spondylitis, Morbus Paget, Plasmozytom, Skoliose, Spondylolyse, Ankylose, Rachitis, Hyperostosis und Osteosarkom.

Überdies erkennt der Betrachter verheilte Brüche an Rippen und Schlüsselbein, tuberkulöse Veränderungen des Handwurzelknochens sowie einen stark deformierten Plattfuß. Das Skelett ist eine paläopathologische Rekonstruktion, zusammengesetzt aus Knochenfundstücken mehrerer Jahrhunderte.

Das Deutsche Orthopädische Geschichts- und Forschungsmuseum
  • Dauerhaft ausgestellt sind etwa 250 Exponate
  • Viele weitere Stücke lagern im Keller und sollen nach den Vorstellungen des Trägervereins sukzessive der Öffentlichkeit präsentiert werden
  • Anschrift und Öffnungszeiten: Orthopädische Universitätsklinik Friedrichsheim, Marienburgstraße 2, 60528 Frankfurt am Main, Telefon 069-67050. Die Öffnungszeiten sind montags bis freitags zwischen 10 und 12 Uhr.
  • Führungen außerhalb der Öffnungszeiten sind nach Vereinbarung möglich. Der Eintritt ist kostenlos.

Es ist nicht lange her, da galten Körperbehinderte als "Krüppel". Die abwertende Bezeichnung übernahmen die Diakonie und die Caritas Ende des 19. Jahrhunderts, um in der Bevölkerung Mitleid für die Betroffenen zu wecken und für ihre "Krüppelheime" Spenden zu sammeln.

Auch darüber erzählt die Ausstellung im Orthopädiemuseum. Zu sehen ist beispielsweise ein Plakat, auf dem der Reichsverbund deutscher Krankenkassen und die Deutsche sozialdemokratische Arbeiterpartei ein "Krüppelfürsorgegesetz" fordern, das die von Betriebsunfällen und Berufskrankheiten betroffenen Arbeiter absichert.

Das Friedrichsheim in Frankfurt, heute Sitz der Orthopädie, war ursprünglich selbst ein vom "Verein für Krüppelfürsorge" errichtetes Armenheim. Eigentlich hatte es in einer Villengegend in Wiesbaden entstehen sollen, ein Plan, der am Widerstand wohlhabender Bürger scheiterte: "Hier in der Weltstadt wünscht man nicht, das Elend der armen Krüppel zu sehen."

Mit der Industrialisierung nahm die Zahl der Körperbehinderten sprunghaft zu. Vor ihrer größten Herausforderung jedoch standen Chirurgen und Orthopäden mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Hunderttausende von Soldaten kehrten verstümmelt heim, etliche Zivilisten mussten aufgrund der im Bombenhagel erlittenen Verletzungen versorgt werden. Aus heutiger Sicht mögen manche der seinerzeit verwendeten Techniken befremdlich anmuten, doch mit Blick auf die damaligen Ressourcen machen sie durchaus Sinn.

Beispielsweise die Krukenberg-Plastik, mit der Betroffene aussehen, als hätten sie eine Scherenhand. Bei dem nach dem Chirurgen Hermann Krukenberg (1863-1935) benannten Operationsverfahren wurden Elle und Speiche getrennt und mit Haut überzogen, sodass der Unterarm zu einer Art Zange wurde, die vor allem jenen, die im Krieg beide Hände verloren hatten, als Greifwerkzeug diente.

Hand und Arm zu ersetzen, ist weitaus schwieriger als der Ersatz eines Beines. Während letzteres allein der Fortbewegung dient und sein Verlust mittels einer die Last des Körpers tragenden Prothese in der Regel ausgeglichen werden kann, dient uns die Hand wie oben beschrieben zum "Begreifen" unserer Umwelt.

Eisenhände wie die des berühmten Götz von Berlichingen konnten Gegenstände zwar packen und festhalten, aber weder abtasten noch fühlen. Die im Orthopädiemuseum zu sehenden Gebrauchshände (von Krukenberg, Hüfner und Fischer) stammen nicht von ungefähr allesamt aus dem Jahr 1917.

Mit der "Vaduzer Hand" wurde 1949 erstmals eine elektromotorisch betriebene Prothese patentiert. Ebenfalls ausgestellt ist eine myoelektrische Unterarmprothese, die mittels Muskelaktionsströmen gesteuert wurde.

Quelle: Ärzte Zeitung

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