Cannabis kehrt Alterungsprozess im Gehirn um
Den Schlüssel dafür fanden die Teams des Universitätsklinikums und der Universität Bonn sowie der israelischen Hebrew University in Jerusalem in dem Proteinschalter mTOR (Mechanistic Target of Rapamycin). Dessen Signalstärke hat Einfluss auf die kognitive Leistungsfähigkeit und Stoffwechselprozesse im gesamten Organismus.
Protein ist zentrale Drehscheibe
In höheren Organismen ist das Protein mTOR die zentrale Drehscheibe für das Zellwachstum und den Stoffwechsel, heißt es in der Mitteilung. Als ein empfindliches intrazelluläres Energiesensor-System hat dessen Aktivität durch die Regulierung des Zellstoffwechsels einen großen Einfluss auf die Alterung.
Eine Verringerung der mTOR-Aktivität durch kalorienarme Ernährung, intensive körperliche Betätigung oder pharmakologische Behandlung hat somit prinzipiell eine allgemeine Anti-Aging-Wirkung.
Zwei Seiten der Medaille
Eine verringerte mTOR-Aktivität ist jedoch nicht nur positiv, sondern kann sich auch negativ auf das alternde Gehirn auswirken. Und zwar indem sie die Ausbildung neuer Synapsen an einer Nervenzelle und damit auch die kognitiven Fähigkeiten verringert.
„Daher könnten Anti-Aging-Strategien, die auf der Verringerung der mTOR-Aktivität basieren, nicht nur unwirksam, sondern sogar kontraproduktiv für die Gehirnalterung sein. In unserer aktuellen Arbeit haben wir nun eine Strategie gefunden, um dieses Dilemma zu lösen“, sagt Prof. Andreas Zimmer, Direktor des Instituts für Molekulare Psychiatrie und Mitglied im Exzellenzcluster ImmunoSensation2 der Universität Bonn.
Cannabis kehrt Alterungsprozess um
In einer vorherigen Studie konnten die Forscherteams bereits zeigen, dass eine langfristige, niedrig dosierte Gabe von Tetrahydrocannabinol (THC), dem aktiven Inhaltsstoff von Cannabis, eine Anti-Aging-Wirkung auf das Gehirn hat. Hier ließen sich dadurch die kognitiven Fähigkeiten und die Dichte der Synapsen bei alten Mäusen wiederherstellen.
Ob Veränderungen der mTOR-Signalübertragung und des Metaboloms mit den positiven Auswirkungen auf das alternde Gehirn in Verbindung stehen, war dabei eine offene Frage geblieben. Das Metabolom ist ein komplexes Reaktionsnetzwerk, das alle Stoffwechseleigenschaften einer Zelle oder eines Gewebes zusammenfasst.
Wie die Forschenden nun mitteilen, konnten sie im Mausmodell zeigen, dass die Behandlung mit THC eine gewebeabhängige und doppelte Wirkung auf die mTOR-Signalübertragung und das Metabolom hat. Die THC-Behandlung im Gehirn führte zu einem vorübergehenden Anstieg der mTOR-Aktivität und des Gehalts an Zwischenprodukten, die an der Energieproduktion und an Aminosäuren beteiligt sind. Letzteres ermöglichte eine verstärkte Synthese von synaptischen Proteinen und damit die Bildung neuer Synapsen.
Darüber hinaus machten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die folgende überraschende Entdeckung: Die mTOR-Aktivität war im Fettgewebe der Mäuse ähnlich stark verringert wie nach einer kalorienarmen Diät oder nach intensiver körperlicher Aktivität. Auch die Konzentrationen an Aminosäuren und Kohlenhydratmetaboliten im Blutplasma war vergleichbar.
„Wir kamen zu dem Schluss, dass eine langfristige THC-Behandlung zunächst eine kognitionsfördernde Wirkung hat, indem sie die Energie- und synaptische Proteinproduktion im Gehirn erhöht, gefolgt von einer Anti-Aging-Wirkung durch eine Verringerung der mTOR-Aktivität und der Stoffwechselprozesse in der Peripherie“, sagt Dr. Andras Bilkei-Gorzo vom Institut für Molekulare Psychiatrie. „Unsere Studie legt nahe, dass eine doppelte Wirkung auf die mTOR-Aktivität und das Metabolom die Grundlage für ein wirksames Anti-Aging- und kognitionsförderndes Medikament sein könnte.“
Quelle: IDW