Cannabis zunächst am besten mit Privatrezept verordnen
Nach der erstmaligen Verordnung durch den Arzt müssen Patienten das Rezept zur Genehmigung bei ihrer Kasse einreichen, die in der Regel den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung einschaltet. "Nach unserer Kenntnis werden im Moment rund 60 Prozent aller Anträge abgelehnt", berichtete Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein, auf dem Symposium "Cannabis auf Rezept? Cannabinoide in der Medizin" der Ärztekammer Nordrhein (ÄKNo) in Düsseldorf.
Reges Interesse bei Ärzten
Die Veranstaltung war auf eine große Resonanz gestoßen, rund 350 Ärztinnen und Ärzte hatten sich angemeldet. "Es herrscht eine große Unsicherheit", sagte Dr. Anne Bunte, Leiterin des Kölner Gesundheitsamtes. Rund um die Verordnung von Cannabis gebe es noch eine Reihe ungeklärter Fragen.
Wenn Patienten ein Betäubungsmittel-Rezept in der Apotheke einreichen, müssten die Apotheker nicht prüfen, ob es auch erstattungsfähig ist, betonte Preis. Lehnt die Kasse die Erstattung ab, das Rezept ist aber schon eingelöst, drohen dem Arzt Probleme. "Er sollte erst dann ein GKV-Rezept ausstellen, wenn die Genehmigung da ist", empfahl Preis.
In Nordrhein hat der MDK einen Fragebogen erarbeitet, mit dem er vom Arzt eine Begründung einfordert, warum er ein Cannabinoid verordnet hat, berichtete Dr. Monika Schutte, Referentin in der Arzneimittelberatung der ÄKNo. "Der MDK will wissen, warum der Arzt eine Erkrankung für schwerwiegend hält und warum es keine Alternative gibt", nannte sie Beispiele.
Ungeklärt sei, ob bei einer Veränderung der Dosierung oder einem Wechsel des Präparats eine neue Genehmigung notwendig ist. "Da es sich um eine Einzelgenehmigung handelt, empfiehlt die KV Nordrhein, eine neue Genehmigung einzuholen", sagte die Ärztin.
Steigende Verordnungszahlen
Dr. Mustafa Temmuz Oglakcioglu vom Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht, Kriminologie der Universität Erlangen empfahl Ärzten, sich mit den Begutachtungskriterien des MDK vertraut zu machen. "Sie können ihre Stellungnahme dann entsprechend ausrichten." Die Angabe, der Patient wünsche eine Behandlung mit Cannabis, sei jedenfalls nicht ausreichend, betonte der Jurist. Auch der Verweis auf Therapieerfolge genüge nicht. "Der Arzt hat eine konkrete Diagnose zu stellen, die zu der entsprechenden Verordnung führt, die Verordnung muss indiziert sein."
Bei Indikationen, bei denen Patienten in der Vergangenheit eine Ausnahmeerlaubnis nach Paragraf 3, II Betäubungsmittelgesetz erhalten konnten, bewegten sich Ärzte auf sicherem Terrain, schätzt Oglakcioglu. Das sind Multiple Sklerose, Tourette-Syndrom, Depressive Störungen und ADHS. Das strafrechtliche Risiko von Ärzten bei der Verordnung von Cannabinoiden hält er zurzeit für "eher gering". Bei der Verordnung müssten sie sich allerdings an die Höchstmenge halten. Ärzte dürfen innerhalb von 30 Tagen nicht mehr als 100 000 Milligramm Cannabis in Form von getrockneten Blüten verschreiben. "Ein Verstoß kann als Straftat sanktioniert werden."
Seit März habe die Zahl der Rezepte zulasten der gesetzlichen Krankenkassen kontinuierlich zugenommen, berichtete Apotheker Preis. "Die Zahlen werden aber nicht so stark weiter steigen, weil wir mit erheblichen Lieferschwierigkeiten zu kämpfen haben." Zurzeit werden Cannabisblüten hauptsächlich aus den Niederlanden und Kanada importiert. Es werde noch dauern, bis medizinisches Cannabis in ausreichendem Maß in Deutschland produziert und durch die "Cannabis-Agentur" in Verkehr gebracht wird. "Wir werden frühestens 2019 eigenes Cannabis in Deutschland haben", prognostizierte Preis.
Wenn eine Sorte nicht lieferbar sei, halte der Apotheker in der Regel Rücksprache mit dem Arzt, ob er eine andere Sorte besorgen soll. "Sie müssen dann ein neues Rezept ausstellen und das alte vernichten", sagte er den Ärzten. Wegen der Lieferschwierigkeiten könne es passen, dass die Sieben-Tage-Frist für die Gültigkeit der BtM-Rezepte verstreicht. "Auch dann müssen Ärzte ein neues Rezept ausstellen, sonst zahlen die Krankenkassen nicht."
Quelle: Ärzte Zeitung