Colchicin: Neuer Expertenkonsens zur Dosierung
Die antientzündlichen Eigenschaften von Colchicin, einem Alkaloid aus der Herbstzeitlosen, sind seit langem bekannt und werden seit Mitte des 20. Jahrhunderts breit genutzt. In Deutschland beschränkt sich die Zulassung auf die Behandlung des akuten Gichtanfalls, allerdings wird die Substanz auch zur Vorbeugung von Gichtanfällen sowie bei familiärem Mittelmeerfieber eingesetzt. International mehren sich außerdem die Hinweise auf die Wirksamkeit bei kardiovaskulären Erkrankungen, unter anderem bei stabiler Koronarer Herzkrankheit und Perikarditis. Hier scheint der Effekt von Colchicin auf die „intraarterielle Kristallopathie“ eine Rolle zu spielen.
Der Wermutstropfen an dem Therapeutikum war immer die Angst vor schweren Nebenwirkungen (Colchicin stellt ein Mitosegift dar), insbesondere in höheren Dosierungen. Entsprechend kritisch ist die Frage nach der richtigen Dosierung, mit der sich eine ausreichende therapeutische Wirkung erzielen lässt, ohne dem Patienten maßgeblich zu schaden. Eine deutsche S2-Leitlinie zur Gichtarthritis ist mittlerweile abgelaufen.
Unter der Fragestellung nach den dosisabhängigen Effekten von Colchicin hat ein Expertengremium aus Australien, den USA, Italien und den Niederlanden jetzt eine Reihe klinischer und pharmakologischer Studien ausgewertet. Dazu zählen randomisierte Studien mit Gichtpatienten wie die AGREE-Studie (Acute Gout Flare Receiving Colchicin Evaluation), aber auch solche mit Herzpatienten wie die COLCOT-Studie.
In ihrem Konsensuspapier bewerten die Forscher eine Erhaltungsdosis von 0,5 mg einmal täglich als sicher, und zwar auch bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion (um bis zu 50 % reduziert). Dies sei möglicherweise „die zu bevorzugende Dosis zu Prävention von Gichtanfällen, rezidivierenden Perikarditiden und koronaren Ereignissen“.
Andere Regeln gelten allerdings für Patienten mit fortgeschrittener Leber- oder Nierenerkrankung: Hier rät die US-Arzneimittelbehörde FDA zu einer maximalen Dosis von 0,3 mg zweimal wöchentlich.
Oral aufgenommenes Colchicin wird im Dünndarm resorbiert, überwiegend in der Leber verstoffwechselt und gelangt dann über die Galle in den enterohepatischen Kreislauf. Etwa zehn Prozent werden über die Nieren ausgeschieden. Einzelne Medikamente, welche die für den Transport bzw. den Abbau benötigten Proteine (P-Glykoprotein, Cytochrom P450) hemmen, können dazu führen, dass sich Colchicin in toxischen Konzentrationen anreichert.
Die Wissenschaftler warnen daher insbesondere vor der gleichzeitigen Einnahme von Clarithromycin, Itraconazol, Ketoconazol, Voriconazol und Fluconazol. Patienten mit eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion sollten darüber hinaus bei Colchicineinnahme Cyclosporin meiden, ebenso die antiretrovirale Substanz Ritonavir.
Wer keine hepatischen oder renalen Einschränkungen hat, könne auch Diltiazem, Verapamil, Amiodaron, Carvedilol oder Atorvastatin einnehmen. „Niedrig dosiertes Colchicin ist sicher, wenn es zusammen mit häufig verschriebenen Herz-Kreislauf-Medikamenten eingesetzt wird“, so die Forscher. Auch das gleichzeitige Trinken von Grapefruitsaft sei ungefährlich.
Auch wenn die Autoren in langjährig angelegten Studien mit Patienten mit familiärem Mittelmeerfieber keine Hinweise auf erhöhte Risiken in Bezug auf Schwangerschaft, Stillzeit und kindliche Entwicklung gefunden haben, wird geraten, während der Therapie mit Colchicin auf eine sichere Verhütung zu achten. Auch während der Stillzeit sollte das Medikament nicht eingenommen werden, da es für Säuglinge potenziell stark toxisch ist.
Quelle: Springer.Medizin.de