COVID-19: Langjähriger Schutz durch Impfung

(kib) Immungesunde mit vollständiger Impfung sind zwar nicht vor einer Infektion, wohl aber über Jahre vor schwerer Erkrankung geschützt. Mit einer zweiten Booster-Impfung können sie sich Zeit lassen, erklärten Experten im Rahmen einer vom Science Media Center Deutschland initiierten Diskussionsrunde.

27.04.2022

Mann bereitet Spritze für Impfung vor
© Foto: Bernd Weißbrod / dpa / picture alliance (Symbolbild mit Fotomodell)
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Den teilnehmenden Immunologen aus Deutschland zufolge muss klar unterschieden werden zwischen immungesunden und immunkompromittierten Menschen. Darüber hinaus auch zwischen den Impfzielen „Schutz vor schwerer Erkrankung“ und „Schutz vor Infektion mit SARS-CoV-2“.

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T-Zell-Antwort ist entscheidend

Vor schwerer Erkrankung sind die meisten Menschen bereits nach zweimaliger Impfung geschützt, sagte Professor Christoph Neumann-Haefelin, Leiter der Arbeitsgruppe Translationale Virusimmunologie am Universitätsklinikum Freiburg. Entscheidend für den nachhaltigen Schutz sei die T-Zell-Antwort: CD4-Helferzellen und CD8-Killerzellen bekämpfen das Virus direkt, verkürzen nach Infektion den Krankheitsverlauf oder sorgen für einen milden oder gar asymptomatischen Verlauf.

Dieser T-Zell-Schutz sei deutlich dauerhafter als der Schutz durch neutralisierende Antikörper, sagte Neumann-Haefelin, und zwar sowohl nach der Impfung als auch bei von COVID-19-Genesenen. Nach der dritten Impfdosis erhöhe sich zwar für etwa einen Monat die T-Zellanzahl, sie falle dann aber erneut auf das Niveau zurück wie nach zwei Dosen Impfstoff.

Erst nach etwa einem Jahr hat die T-Zell-Antwort relevant abgenommen, so dass nach derzeitigem Kenntnisstand eine Auffrischung sinnvoll werden kann. Insgesamt rechnen Wissenschaftler mit einem über Jahre anhaltenden Impfschutz bei immunkompetenten Menschen, auch vor neuen Virusvarianten.

Vorteilhaft: längerer Impfabstand 

Warum ausreichend lange Impfabstände so wichtig sind, erläuterte Professor Andreas Radbruch, wissenschaftlicher Direktor am Deutschen Rheuma-Forschungszentrum in Berlin. Er erinnerte an das Phänomen der Affinitätsreifung von B-Zellen: Die Affinität der B-Zelle zum erkannten Antigen wird während der Immunantwort verstärkt, um deren Effizienz zu steigern. Es werden jene B-Zellen selektioniert, die die höchste Affinität für das Antigen haben.

Das heißt, während die Antigen-Konzentration im Verlaufe der Infektion immer weiter abnimmt, konkurrieren die B-Zellen immer stärker um das verbliebende Antigen und werden dabei immer besser. Die Antikörper-Quantität nimmt zwar ab, aber ihre Qualität nimmt zu. Radbruch: „Am Ende hat man Antikörper, die im Vergleich zum Erstkontakt zehn- bis hundertmal besser binden!“ Dieser Prozess dauere etwa ein halbes Jahr. Wird er durch erneute Impfungen unterbrochen, stört dies die Affinitätsreifung.

Kritisch äußerte sich Radbruch außerdem zu unkritischen Korrelationen zwischen im Blut gemessenen und abfallenden Titern neutralisierender Antikörper und zunehmenden Infektionszahlen. „Der Antikörperschutz ist sehr viel wirksamer als man es über den einfachen Vergleich der neutralisierenden Antikörper erfassen kann.“ Denn es sind nicht sie allein, die für die Erregerabwehr sorgen. Auch andere Antikörper markieren zum Beispiel Viren und machen sie damit „attraktiv“ für Makrophagen.

Außerdem befällt SARS-CoV-2 den Menschen über die Schleimhaut der oberen Atemwege. Dort müssen die Antikörper zunächst hingelangen – Mechanismen, die derzeit noch unzureichend verstanden werden.

Immungeschwächte Menschen boostern

Bei Menschen mit Immundefekten, unter Immunsuppressiva-Therapie sowie bei alten Menschen muss mit einer weniger ausgeprägten und verlangsamten Reaktion des Immunsystems auf die Impfung gerechnet werden. Sie wiesen wahrscheinlich erst nach der dritten oder vierten Impfung eine vergleichbare Immunantwort auf wie Gesunde nach der zweiten Impfung, sagte Neumann-Haefelin. Der Immunologe sprach sich deshalb bei dieser Gruppe für eine frühe vierte Coronaimpfung bereits drei Monate nach der dritten Impfung aus. Die Immunologen begrüßten ausdrücklich die gegenwärtigen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission.

Kompletter Schutz durch Boostern unrealistisch

Ob der künftig verfügbare, an die Omikron-Variante angepasste Impfstoff vorteilhaft sein wird, muss sich noch zeigen. Für die T-Zell-Antwort spielt die Art des Impfstoffs wahrscheinlich keine wesentliche Rolle. Klar ist, dass die Antikörper-Antwort auf die derzeit verfügbaren Impfstoffe kaum Infektionen mit Omikron im Sinne eines Fremdschutzes verhindern können. „Dazu bräuchte es den 25-fachen Antikörperspiegel im Vergleich zu vorherigen Virusvarianten“, sagte Radbruch. „Einen kompletten Schutz vor der Infektion durch regelmäßiges Boostern erreichen zu wollen, ist vermutlich nicht realistisch.“ Es sei nicht sinnvoll, dieses Ziel weiter zu verfolgen.

Dass dagegen der Schutz vor schwerer Erkrankung per Impfung gelungen ist, davon sind die Immunologen überzeugt – ein Impfschutz, der langfristig anhalte. Sollte es künftig dennoch problematische Varianten von SARS-CoV-2 geben, sei man mit der mRNA-Technologie in der Lage, rasch mit neuen Vakzinen zu reagieren.

Quelle: Ärzte Zeitung

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