Demenz: Kann die Gürtelrose-Impfung schützen?

Herpesviren wurden schon in der Vergangenheit mit der Entwicklung von Demenz in Verbindung gebracht, eine Schutzwirkung der Herpes-Zoster-Impfung wird bereits seit einigen Jahren vermutet.
Ein „natürliches Experiment“
Ein besonderes Studiendesign hat es nun ermöglicht, eine von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern als „natürliches Experiment“ bezeichnete Studie durchzuführen. Denn ab dem 1. September 2013 konnten sich Menschen in Wales mit dem abgeschwächten Lebendimpfstoff Zostavax gegen Gürtelrose impfen lassen – allerdings nur diejenigen, die zum Stichtag noch nicht 80 Jahre alt waren.
So standen den Forschenden elektronische Patientendaten von zwei Gruppen zum Vergleich zur Verfügung: Eine Gruppe, die von 1925 bis zum Stichtag geboren wurde und keine Impfung bekommen hatte und eine Gruppe, die ab dem Stichtag bis 1942 geboren wurde und die Möglichkeit einer Impfung in Anspruch nehmen konnte.
Die beiden Gruppen wurden sieben Jahre lang nachbeobachtet und es wurde ausgewertet, ob eine Demenzdiagnose erfolgte.
Varizella-Zoster-Virus
Das Windpocken- und Gürtelrose-auslösende Varizella-Zoster-Virus ist ein Virus aus der Gruppe der Herpesviren. Nach einer Windpockeninfektion verbleiben die Viren in einem inaktiven Zustand in den Nervenzellen des Rückenmarks. Wenn sie wieder aktiv werden, kommt es zur Erkrankung Gürtelrose.
Weniger Demenzdiagnosen dank Impfung
Die Ergebnisse legen nahe, dass die Einführung der Impfung mit dem Lebendimpfstoff gegen Gürtelrose bei Personen ab 80 Jahren im Vereinten Königreich wahrscheinlich der Grund dafür war, dass seltener Demenz diagnostiziert wurde: Mit der Impfung war das Diagnoserisiko um ein Fünftel geringer, bezogen auf alle Geschlechter. Der Effekt war bei Frauen deutlich ausgeprägter als bei Männern.
Zwei Erklärungsansätze
Aus Sicht der Studienautorinnen und -autoren sind zwei Erklärungsansätze plausibel: Einerseits könnte die Impfung durch das Verhindern einer Gürtelrose-Erkrankung und der Reaktivierung des inaktiven Virus im Körper vor Demenz schützen.
Andererseits könnte auch ein virusunabhängiger Effekt des Impfstoffs das Immunsystem modulieren und somit die Demenzerkrankung beeinflussen.
STIKO-Impfempfehlung
In Deutschland wird von der Ständigen Impfkommission seit 2018 der Herpes-Zoster-Totimpfstoff (Handelsname Shingrix) für alle ab 60 und Risikogruppen ab 50 Jahren empfohlen. Vorher war seit 2013 der Lebendimpfstoff Zostavax in Deutschland erhältlich, der auch in der Studie verwendet wurde.
„Mit dieser Studie gibt es einen weiteren guten Grund die Impfung gegen Gürtelrose, wie von der Ständigen Impfkommission empfohlen, in Anspruch zu nehmen", kommentiert Professor Klaus Überla, Direktor des Virologischen Instituts, Universitätsklinikum Erlangen. Die bisherigen Hinweise, dass Impfungen gegen Gürtelrose nicht nur vor der Gürtelrose schützen, sondern auch das Risiko von Demenz reduzieren, erführen mit der jetzigen Publikation eine wichtige unabhängige Bestätigung.
Allerdings sei ein in Deutschland nicht mehr empfohlener Lebendimpfstoff verwendet worden und die Altersgruppe auf die der über 80-Järhigen beschränkt gewesen.
Dennoch geht Überla davon aus, dass der in Deutschland empfohlene Totimpfstoff ebenfalls, wenn nicht sogar besser, vor Demenz schützen kann als der Lebendimpfstoff. Bei dieser Einschätzung beruft er sich auf eine im vergangenen Jahr erschienene Studie mit über 65-Jährigen Amerikanern mit dem rekombinanten Impfstoff Shingrix.
Auch Professor Konstantin Sparrer, Leiter der Arbeitsgruppe „Neurovirology & Neuroinflammation“ des Deutschen Zentrums für neurodegenerative Erkrankungen e. V., Ulm, sieht in den Ergebnissen „einen weiteren wichtigen Schritt, aus der man in Zukunft Innovationen bei der Behandlung und Verhinderung von Demenzen erwarten kann.“
Quelle: Science Media Center Deutschland