Diabetesmedikation verfälscht Test auf Alkohol
Der Fallbericht, der kürzlich im New England Journal of Medicine veröffentlicht worden ist, handelt von einem Mann Anfang 60, der seine allgemeinärztliche Praxis kontaktiert und Angst hat, ins Gefängnis gesteckt zu werden.
Der Grund: Die Bewährungsauflagen des Mannes sehen den Nachweis vor, dass er keine alkoholischen Getränke zu sich nimmt. Die letzten vier Urintests, die vom Büro der Bewährungshilfe veranlasst worden waren, sind jedoch positiv ausgefallen. Dabei schwört der Mann Stein und Bein, er habe seit zehn Monaten keinerlei Alkohol mehr konsumiert.
Aus Glukose wird Alkohol
In der Praxis wird ein neuer Urintest veranlasst. Das Ergebnis ist negativ, weder Ethanol noch Metaboliten sind nachweisbar. Allerdings findet sich eine Glukosurie, was nicht erstaunlich ist, denn der Mann ist Diabetiker und nimmt den SGLT2-Inhibitor Empagliflozin ein. Nitrit und Leukozytenesterase im Urin sind nicht erhöht, dennoch wird eine Urinkultur angelegt. Dort sind weniger als 50.000 koloniebildende Einheiten gemischter gramnegativer Keime je Milliliter festzustellen.
Ein Anruf im Bewährungshelferbüro deckt auf, dass dort die Urinproben nur einmal am Tag in ein externes Labor geschickt und davor nicht gekühlt werden. Die Ärzte in der Ambulanz nehmen nun die Urinprobe ihres Patienten aus dem Kühlschrank und lassen sie 24 Stunden bei Raumtemperatur stehen. Danach testen sie erneut auf Ethanol – mit positivem Resultat.
„Mikrobielle Vergärung der Glukose im Urin in Alkohol ist die offensichtliche Ursache für die wiederholten toxikologischen Tests dieses Patienten“, berichtet Aaron Schwartz vom Corporal Michael J. Crescenz Department of Veterans Affairs Medical Center in Philadelphia. Von Urinproben, die von Patienten mit Hyperglykämie stammen, sei das Phänomen bekannt.
SGLT2-Hemmer befeuern Gärung
Im vorliegenden Fall handle es sich um einen potenziellen Effekt der Therapie mit SGLT2-Hemmern. Diese Klasse von Antidiabetika führe auch unter Euglykämie zur Glukosurie und erhöhe die Keimzahl im Harntrakt, beides Voraussetzungen für den Gärungsprozess.
„Die Sammlung und Lagerung der Urinprobe durch das System der Strafjustiz scheint nicht geeignet gewesen zu sein, die Stabilität der Probe zu gewährleisten“, so Schwartz. Das Risiko für Patienten, durch falsch positive toxikologische Tests zu Schaden zu kommen, lasse sich aber womöglich senken. Dafür müssten sich Ärzte, Patienten und Behörden dieses potenziellen Phänomens bewusst sein und die Urinproben für toxikologische Tests in geeigneter Weise behandelt werden, um alkoholische Gärung zu verhindern.
Quelle: Ärzte Zeitung