Entzündete Leber, aber kein Hepatitisvirusnachweis – was steckt dahinter?
Forscher vermuten hinter dem gehäuften Auftreten von schweren akuten Hepatitiden bei Kindern entweder eine neue Adenovirusvariante oder das Resultat einer Immunnaivität durch die Kontaktbeschränkungen in der Pandemie. Das berichtet ein Team um Kimberly Marsh von Public Health Scotland in Glasgow.
Zuletzt waren im Vereinigten Königreich zahlreiche Fälle von akuten Hepatitiden bei Kindern bis zu zehn Jahren aufgetreten. Bis Karfreitag meldete die UK Health Security Agency 74 Fälle (49 in England, 13 in Schottland, die anderen in Wales und Nordirland). Bei keinem der Kinder wurden Hepatitisviren A bis E nachgewiesen.
Auch in Deutschland bitten Pädiater und Infektiologen, Fälle von Hepatitis bei Kindern mit unklarer Genese zu melden.
Kein Zusammenhang mit COVID-19-Impfung
Keines der Kinder ist gegen COVID-19 geimpft, weswegen die Behörden einen Zusammenhang mit der Coronaschutzimpfung ausschließen. Alle Kinder hatten deutliche Zeichen einer akuten Leberentzündung, inklusive erhöhter Leberenzyme (AST, ALT), und häufig einen Ikterus (Gelbsucht). Bei bisher sechs Kindern war eine Lebertransplantation nötig. Todesfälle gab es nicht.
Häufung von Hepatitis bei unter 10-Jährigen
In „zahlreichen“ Fällen, berichtet die Weltgesundheitsorganisation WHO, wurden Infektionen mit SARS-CoV-2 und/oder Adenoviren festgestellt. Im Vereinten Königreich gibt es eine erhöhte Adenovirusaktivität. Toxikologische Ursachen wurden bislang nicht ausgemacht, werden aber weiter untersucht.
Nach Angaben des Teams um Kimberly Marsh aus Glasgow wurde bei fünf von 13 von ihnen berichteten Fällen Adenovirus via PCR nachgewiesen. Allerdings standen die Ergebnisse von einigen Kindern zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch aus.
Adenovirus im Fokus der Hypothesen
Die „führenden Hypothesen“ konzentrieren sich den Autoren zufolge derzeit auf Adenoviren. Adenovirusinfektionen sind als Ursache schweren Hepatitiden selten aber bekannt. Sollte die Adenovirus-Hypothese zutreffen, könnte dies entweder „eine neue Variante mit ausgeprägtem klinischen Syndrom“ sein. Oder es könnte eine „routinemäßig zirkulierende Variante“ sein, für die jüngere Kinder deswegen sensibel sind, weil sie „immunologisch naiv sind“. Letzteres Szenario, so die Forscher, „könnte das Ergebnis der eingeschränkten sozialen Interkation“ während der COVID-19-Pandemie sein.
Auch eine Infektion mit der Omikronvariante BA.2 von SARS-CoV-2 oder eine unbekannte Variante wollen die Autoren nicht ausschließen. Das gilt auch für ein neuartiges nicht erkanntes Virus.
Quelle: Ärzte Zeitung