Farbenblindheit: Gentherapie in der Erprobung

(kib) Forscher aus Tübingen und München entwickelten eine Gentherapie mit der eine Form der kompletten Farbenblindheit behandelt werden kann. In einer klinischen Phase I-/II-Studie am Patienten am Universitätsklinikum Tübingen erwies sich diese als sicher und prinzipiell wirksam. Nun soll sie bis zur Anwendungsreife weiter entwickelt werden.

02.06.2020

Buntes Blumenbeet, wie es Normalsichtige wahrnehmen, scharf und in Farbe.
© Foto: Stylianos Michalakis
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Bei kompletter Farbenblindheit können Menschen von Geburt an keine Farben unterscheiden, leiden aber auch unter einer stark reduzierten Sehschärfe und hoher Blendungsempfindlichkeit.

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Ursache ist ein Defekt an den Zapfen-Lichtrezeptoren in der Netzhaut des Auges, die für das Sehen im Tageslicht und von Farben zuständig sind. Von der kompletten Farbenblindheit, die auch als Achromatopsie bezeichnet wird, sind in Deutschland rund 3000 Menschen betroffen. Die Achromatopsie kann bisher nicht ursächlich behandelt werden.

Bei etwa einem Drittel der Achromatopsie-Patienten liegt der Defekt im CNGA3-Gen. Für diesen Gendefekt hat ein Team des Forschungsinstituts für Augenheilkunde des Universitätsklinikums Tübingen und der Departments für Pharmazie und Ophthalmologie der Ludwig-Maximilians-Universität München eine gentherapeutische Behandlung entwickelt.

Bei der Gentherapie wird die gesunde Version des CNGA3-Gens über ein harmloses Virus (Adeno-assoziierte Viren) direkt in die Netzhaut der Patienten eingeschleust („Genfähre“). Nach einigen Wochen können die Netzhautzellen die gesunde Version des CNGA3-Gens nutzen und das entsprechende intakte Protein bilden, das die Funktion der defekten Zapfen wiederherstellen soll.

An der Universitäts-Augenklinik Tübingen ist nun die erste klinische Studie zu dieser Therapie am Menschen abgeschlossen worden. In dieser wurde in das jeweils schlechtere Auge von neun Achromatopsie-Patienten im Alter von 24 bis 59 Jahren operativ durch Injektion des gentherapeutischen Wirkstoffes unter die Netzhaut behandelt.

„Die Probanden hatten in der Folge keine wirkstoffbezogenen Gesundheitsprobleme, und ihre Netzhaut wies keine dauerhaften Veränderungen auf“, berichtet Professor Dominik Fischer, der Leiter der klinischen Studie. Das Hauptanliegen dieser ersten klinischen Studie sei damit erreicht, die Behandlung könne als sicher eingestuft werden.

Auch bei der Wirksamkeit sei ein deutlich positiver Effekt zu verzeichnen. Die visuelle Funktion der Patienten habe sich etwas verbessert, sowohl bei der Sehschärfe als auch beim Kontrast- und Farbensehen.

„Die jetzt durchgeführte Studie ist ein wichtiger erster Schritt und Meilenstein hin zu einer kurativen Therapie der Achromatopsie, und wir erwarten noch bessere Behandlungserfolge in der Zukunft“, sagt Professor Bernd Wissinger vom Tübinger Forschungsinstitut für Augenheilkunde, der gemeinsam mit Professor Martin Biel vom Department Pharmazie der Ludwig-Maximilians-Universität München das RD-CURE-Gesamtprojekt zur Entwicklung der Gentherapie bei erblichen Netzhauterkrankungen leitet.

Quelle: IDW

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