Faulsein steckt auch in unseren Genen

Der Leiter des Zentrums für Bewegungsberatung am Departement Sport, Bewegung und Gesundheit der Universität Basel, Prof. Dr. Markus Gerber, erklärt in einem Interview, dass es verschiedene Faktoren gibt, die dazu führen, dass es vielen Menschen so schwerfällt, sich zum Sport aufzuraffen.
Tagesform kann Rolle spielen
Bei manchen sei das soziale Umfeld nicht unterstützend, bei anderen fehle die Zeit für körperliche Aktivität. Vor allem, wenn eine Aktivität noch keine Gewohnheit sei, spiele die Tagesform eine Rolle.
„Hat man beispielsweise einen stressreichen Tag hinter sich, ist die selbstregulative Energie bereits tief oder gar aufgebraucht und es fällt einem besonders schwer, sich aufzuraffen“, führt Gerber aus.
Sozialisation hat Einfluss
Mit Blick auf das Bewegungsverhalten spielt unter anderem die Sozialisation eine wichtige Rolle: Wie verhalten sich die Eltern als Vorbilder? Wie viel unternehmen sie mit ihren Kindern in der Freizeit und fördern sie den außerschulischen Sport?
Auch der Freundeskreis und wie der schulische Sportunterricht gestaltet ist, haben einen Einfluss. Bis zu einem bestimmten Grad sind auch die Gene dafür verantwortlich, wie körperlich aktiv eine Person ist.
Die Gene im Fokus
Gerber führt im Interview aus, dass es zwar noch nicht so viele Studien gibt. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen ihm zufolge jedoch, dass der genetische Anteil beim Bewegungsverhalten zwischen 30 und 70 Prozent liegt.
Aber als Bewegungsmuffel allein den Genen die Schuld zu geben, sei zu kurz gegriffen. Die Gene beeinflussen uns nicht zu 100 Prozent. Jeder und jede hat die Möglichkeit zu intervenieren.
Interessanterweise komme die genetische Komponente im Erwachsenenalter mehr zum Tragen als in der Kindheit. „Das liegt daran, dass der Einfluss des Elternhauses abnimmt“, erklärt Gerber.
Und aus evolutionärer Perspektive war Bewegung übrigens nie dazu da, unsere Gesundheit zu fördern, sondern um Nahrung zu sammeln, zu lernen und zum Beispiel bestimmte Fähigkeiten zu erwerben. Es war zudem durchaus zweckmässig, auch mal inaktiv zu sein. Wenn man seine Beute erlegt hatte, wollte man mit seiner Energie haushalten, um nicht gleich am nächsten Tag wieder jagen zu müssen. Deshalb steckt auch Faulsein in unseren Genen.
Gehirn als Entscheider
Darüber hinaus entscheidet das Gehirn bewusst oder unterbewusst, was zu tun ist. Forschende interessieren sich daher zunehmend für Dinge, die sich unterbewusst in unserem Gehirn abspielen: Wie nehmen wir unterbewusst Bewegung wahr – und hat das einen Einfluss auf unser Bewegungsverhalten?
Hier ist es aus Gerbers Sicht notwendig, evolutionäre, genetische, psychologische und umweltbezogene Einflüsse interdisziplinär zu betrachten, um aktive Lebensstile gezielt zu fördern. Beispielsweise könne man mit kognitiven Trainingsprogrammen, die mit Bewegung gar nicht so viel zu tun haben, die erwähnten selbstregulativen Ressourcen verbessern, die dem Bewegungsverhalten zugrunde liegen.
Die Aktivität muss passen
„Wenn ich eine Aktivität suche, die zu mir passt, dann bewege ich mich nicht nur um der Bewegung willen, sondern weil sie mir wirklich etwas gibt in meinem Leben,“ bringt es der Bewegungswissenschaftler auf den Punkt.
Der Rat „Du musst aktiv sein, um gesund zu sein", sei hingegen recht abstrakt und Gerbers Meinung nach auch nicht der richtige Ansatz. Statt zu sagen „Ich treibe jetzt Sport, weil ich 90 Jahre alt werden will." sollte es lieber heißen „Ich treibe Sport, weil es mir Spaß macht und mein Leben lebenswerter macht. Und wenn ich Glück habe, dann werde ich auch noch 90 deswegen."
Das vollständige Interview lesen Sie auf der Homepage der Universität Basel.
Quelle: Universität Basel