Fische können rechnen

(kib) Forscher an der Universität Bonn haben entdeckt: Buntbarsche und Stachelrochen besitzen mathematische Fähigkeiten. Sie können im Zahlenraum bis Fünf Plus und Minus rechnen.

06.04.2022

Stachelrochen und Buntbarsche können im Zahlenraum bis 5 einfache Additionen und Subtraktionen durchführen.
© Foto: Prof. Dr. Vera Schlüssel/Uni Bonn
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Die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Vera Schlüssel vom Institut für Zoologie der Universität Bonn hat den Tieren beigebracht, einfache Additionen und Subtraktionen durchzuführen. Doch wie funktioniert das? Wie fragt man einen Buntbarsch nach dem Ergebnis von „2+1“ oder „5-1“?

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Blau heißt „addiere eins“, gelb „ziehe eins ab“

Die Wissenschaftler nutzten dazu eine Methode, mit der andere Arbeitsgruppen bereits erfolgreich die mathematischen Fähigkeiten von Bienen getestet hatten: Sie zeigten den Fischen eine Ansammlung geometrischer Formen – zum Beispiel vier Quadrate. Waren diese Objekte blau gefärbt, bedeutete das „addiere eins“. Gelb hieß dagegen „subtrahiere eins“.

Danach wurde die Aufgabe ausgeblendet. Stattdessen bekamen die Tiere zwei neue Abbildungen zu sehen – eine mit fünf und eine mit drei Quadraten. Schwammen sie zu dem richtigen Bild (also bei der „blauen“ Rechenaufgabe zu den fünf Quadraten), wurden sie mit Futter belohnt. Bei der falschen Antwort gingen sie leer aus. Mit der Zeit lernten sie so, die blaue Farbe mit der Erhöhung der anfangs gezeigten Menge um eins zu assoziieren, die gelbe Zahl dagegen mit ihrer Verminderung.

Doch konnten die Fische diese Erkenntnis auch auf neue Aufgaben anwenden? Hatten sie also tatsächlich die mathematische Regel hinter den Farben verinnerlicht? „Um das zu überprüfen, hatten wir beim Training einige Berechnungen absichtlich ausgelassen“, erklärt Schlüssel in einer Mitteilung der Universität. „Und zwar 3+1 und 3-1. Nach der Lernphase bekamen die Tiere diese beiden Aufgaben zum ersten Mal zu sehen. Und auch in diesen Fällen schwammen sie meistens zu den korrekten Ergebnissen.“ Das galt sogar dann, wenn sie sich nach der Aufgabe „3+1“ zwischen vier und fünf Objekten entscheiden mussten – also zwei Resultaten, die beide größer waren als der Ausgangswert.

Rechnen ohne Großhirnrinde

Diese Leistung hat die Forschenden selbst überrascht – zumal die gestellten Aufgaben in der Realität sogar noch ein Stück schwieriger waren als eben geschildert. So bekamen die Fische nicht Objekte derselben Form gezeigt (also etwa vier Quadrate), sondern eine Kombination unterschiedlicher Formen. Eine „Vier“ konnte zum Beispiel durch einen kleinen und einen größeren Kreis, ein Quadrat und ein Dreieck repräsentiert werden, in einer anderen Berechnung dagegen durch drei unterschiedlich große Dreiecke und ein Quadrat.

„Die Tiere mussten also die Menge der abgebildeten Objekte erkennen und zugleich aus ihrer Farbe auf die Rechenvorschrift schließen“, sagt Schlüssel. „Sie mussten beides im Arbeitsgedächtnis behalten, als das ursprüngliche Bild gegen die beiden Ergebnisbilder ausgetauscht wurde. Und sie mussten sich danach für das richtige Resultat entscheiden. Insgesamt ist das eine Leistung, die komplexe Denkfähigkeiten erfordert.“

Das ist auch deshalb erstaunlich, weil Fische keinen Neocortex besitzen – den Teil des Gehirns, der auch als „Großhirnrinde“ bekannt ist und bei uns für die meisten komplexen kognitiven Aufgaben zuständig ist. Zudem ist von beiden Fischarten nicht bekannt, dass sie in ihrer ökologischen Nische ein besonders gutes Zahlenverständnis benötigen würden. Andere Arten mögen auf die Streifenzahl ihrer Sexualpartner achten oder die Menge der Eier in ihrem Gelege. „Von Stachelrochen und Buntbarsche kennt man das jedoch nicht“, betont die Zoologie-Professorin der Universität Bonn.

Sie sieht in dem Ergebnis der Experimente auch eine Bestätigung dafür, dass wir Menschen dazu neigen, andere Spezies zu unterschätzen – insbesondere solche, die nicht zu unserer engeren Verwandtschaft zählen.

Quelle: IDW

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