Gesund altern mit wenig Kohlenhydraten

Der 7. März ist der Tag der gesunden Ernährung: Um gesund alt zu werden, ist Ernährung ein Schlüsselfaktor. Dabei sind Kohlenhydrate nicht alles.

von Thomas Meißner
07.03.2022

Chicorée, Öl, Avocado, Fleisch und Lachs sowie andere kohlenhydratarme Lebensmittel
© Foto: Dionisvera / stock.adobe.com
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Es ist aufwändig, das zu beweisen, doch die Hinweise aus Studien verdichten sich, dass ein gesunder Lebensstil nicht nur lebensverlängernd wirkt, sondern den Menschen auch gesund altern lässt. 70 Jahre alt und noch frei von chronischen Krankheiten? Das ist nicht unmöglich, wie aus europäischen Studien hervorgeht.

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Was es dafür braucht, ist ein Body Mass Index (BMI) von optimalerweise unter 25 kg/m2, mindestens 2,5 Stunden moderate körperliche Aktivität pro Woche, ein rauchfreies Leben mit geringem Alkoholkonsum.

Bei Analyse der Daten von über 116.000 Menschen im Alter von durchschnittlich Mitte 40 kam heraus, dass der beste Lebensstil-Score im Vergleich zum schlechtesten Score bei Männern fast zehn zusätzliche Jahre ohne chronische Krankheiten brachte, bei Frauen 9,4 Jahre. Der Zusammenhang zwischen dem Lebensstil-Gesamtwert und der Zahl krankheitsfreier Jahre ist linear sowie unabhängig von Geschlecht und sozioökonomischer Situation. Teilnehmer mit den besten Lebensstilprofilen erreichten in der Analyse ein krankheitsfreies Alter von 70 bis 71 Jahren.

„Pathophysiologisch plausibel“

Das sei pathophysiologisch plausibel, meint Professor Andreas Hamann, Hochtaunus-Kliniken Bad Homburg, und verweist besonders auf den Parameter BMI <25 kg/m2 und das Problem Adipositas. „Adipositas ist mit erhöhtem Blutdruck, Insulinresistenz und Dyslipidämie assoziiert, die das Risiko für kardiometabolische Erkrankungen erhöhen“, so der Diabetologe. Außerdem verringere die erhöhte Fettmasse im Brust- und Bauchraum das Lungenvolumen und beeinträchtige die Atmung, das Krebsrisiko ist erhöht.

So erreichen Männer 10 zusätzliche Jahre ohne chronische Krankheiten
  • Body Mass Index von optimalerweise unter 25 kg/m2,
  • mindestens 2,5 Stunden moderate körperliche Aktivität pro Woche,
  • nicht Rauchen,
  • geringer Alkoholkonsum

Damit kommt der gesunden Ernährung eine Schlüsselrolle zu. Nur: Was genau ist das? Hierbei kristallisiert sich heraus, dass eine Ernährung mit niedrigem glykämischen Index und niedriger glykämischer Last im Vergleich zu einer hohen glykämischen Last kardiovaskulären Erkrankungen sowie entsprechend bedingter Sterblichkeit vorbeugt. Das geht unter anderem aus jüngst veröffentlichten Daten der PURE (Prospective Urban Rural Epidemiology)-Studie hervor.

138.000 Menschen im Alter zwischen 35 und 70 Jahren waren über im Median 9,5 Jahre beobachtet worden. Sowohl ohne als auch mit vorbestehender kardiovaskulärer Erkrankung war das Risiko eines schweren kardiovaskulären Ereignisses oder Tod bei hohem glykämischen Index um das 1,2- bis 1,5-Fache erhöht.

Diskussion um Low-carb-Diäten

Low-carb-Diäten werden seit einiger Zeit in der Öffentlichkeit wie in Fachkreisen intensiv diskutiert – dies besonders vor dem Hintergrund der verbreiteten Ernährung mit minderwertigen Kohlenhydraten etwa aus Fast Food.

Ernährungsphysiologisch sind Low-carb-Diäten interessant, weil nahrungsinduzierte Ketosen günstige Effekte nicht nur aufs Körpergewicht haben, sondern auch auf metabolische und auf Entzündungsmarker. Das Hungergefühl ist verringert, weil die Energieaufnahme zum Beispiel über Fett erfolgt, die Ketone sorgen für ein frühes Sättigungsgefühl. Die Utilisation der Ketone hält den Insulinspiegel niedrig und verbrennt Fett. Wenn adäquat Proteine eingenommen werden, schont das die Muskelmasse und verbessert die Insulinsensitivität. Verglichen mit Normalkost lassen sich nach einem halben Jahr Gewichtsabnahmen von etwa vier bis fünf Kilogramm erreichen. Blutdruck und LDL-Spiegel sinken, das HDL steigt an.

Allerdings müsse man im Einzelfall darauf achten, was genau mit Low-carb-Diät gemeint ist, erklärte Professor Thomas Skurk von der TU München beim Internistenkongress 2021. Er zählte fast zwei Dutzend Ernährungsformen mit mehr oder weniger strengen Reduktionen der Kohlenhydrate und unterschiedlichen Ernährungskonzepten auf. Das erschwert die Vergleichbarkeit von Studiendaten.

Laut der US-amerikanischen National Lipid Association werden bei einer Referenzernährung >1000 kcal/Tag Very-low-carb-Diäten mit weniger als 10 zehn Energieprozent Kohlenhydraten von Diäten unterschieden, die einen Anteil von zehn bis 20 Energieprozent haben oder moderate Low-carb-Diäten mit 26 bis 33 Energieprozent. In Studien werden zudem unterschiedlich lange und häufige Ketose-Phasen praktiziert, wenn es um das Ziel der Gewichtsabnahme bei adipösen Menschen geht. Die Anteile an Kohlenhydrat-, Fett- und Proteinzufuhr variieren.

Weniger Kohlenhydrate: Reicht das?

Dass Low-carb-Diäten auch in Studien scheitern, liege daran, so Skurk, dass unter Umständen die Menge an zugeführter Energie zwischen den Gruppen nicht verschieden war. Soll heißen: Nur mit einer hypokalorischen Kost lässt sich effektiv Gewicht reduzieren. Es reicht nicht, nur die Kohlenhydratzufuhr herunterzufahren. Das kann sogar gefährlich werden, nicht nur, wenn die erzeugte Ketose entgleist. Eine kompensatorisch erhöhte Fettzufuhr erhöht das Atheroskleroserisiko. Wird einseitig die Eiweißzufuhr erhöht, werden Nierenschäden provoziert.

Empfehlenswert ist nach Angaben des Internisten und Ernährungsmediziners Professor Johannes G. Wechsler aus München eine vegetarische Ernährung mit komplexen Kohlenhydraten mit einem Anteil von etwa 50 Prozent, dazu 30 Prozent Fett und etwa 10 Prozent Eiweiß. Im Rahmen einer multimodalen Gewichtsreduktionstherapie sprach sich der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner für ein modifiziertes und zeitlich begrenztes Fasten mit einer Energiezufuhr von weniger als 800 kcal/ Tag aus. Dies wird zum Beispiel mit Formuladiäten erreicht.

Letztlich haben Nahrungsmittel mit niedrigem glykämischen Index vergleichsweise kleinere postprandiale Blutzuckerspitzen zur Folge, niedrigere Serum-Cholesterol-Spiegel, niedrigere CRP- und Blutdruck-Werte. Die Inzidenzen von Diabetes mellitus und kardiovaskulären Krankheiten nehmen ab. Immer mehr Daten sprechen dafür, dass die Lebenserwartung und die Lebensqualität mit einem gesunden Lebensstil zunehmen.

All dies sind Gründe, warum sich besonders Diabetologen und Ernährungsexperten zunehmend dafür aussprechen, Ernährungsmedizin in therapeutischem wie präventivem Sinne endlich ernst zu nehmen und in Standardtherapien zu integrieren.

Quelle: Ärzte Zeitung

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