Gesundheitskioske als erste Anlaufstellen für Gesundheits- und Sozialberatung
Es ist ein Prestigeprojekt von Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD). Geht es nach ihm, soll in Deutschland bald ein Netz von 1000 Gesundheitskiosken aufgebaut werden, die in medizinisch unterversorgten Regionen und sozial benachteiligten Stadtteilen Gesundheitsberatung anbieten, die Prävention verbessern und Patienten als Lotsen durch den Dschungel des medizinischen Betriebs helfen. Vorbilder gibt es in Finnland, den USA oder Kanada.
Beim Besuch des bundesweit ersten Gesundheitskiosks im Hamburger Stadtteil Billstedt präsentierte der SPD-Politiker am Mittwoch Eckpunkte, wie das im Koalitionsvertrag vereinbarte Projekt ausgerollt werden kann.
Innovative Idee
Der vom Ärztenetz Billstedt-Horn und weiteren Partnern, darunter drei Krankenkassen, aufgebaute Gesundheitskiosk ist ein Paradebeispiel für Innovation im Gesundheitswesen. Das Ziel: Durch Vernetzung von Ärzten, Pflegeheimen, Hebammen, Sportvereinen, Schulen, Volkshochschule und Krankenkassen die Eigenverantwortung von Patienten zu stärken und die Ärzte zu entlasten.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) aus Ärzten, Krankenkassen und Experten hat das Projekt drei Jahre lang aus seinem Innovationsfonds gefördert und anschließend allen Gesundheitsministerien der Länder und des Bundes den Aufbau empfohlen.
Langer Atem war notwendig
Dabei dauerte es Jahre, bis der Kiosk zu dem wurde, was er heute ist. Es begann 2012, als zwei Ärzte aus dem Viertel zusammen mit dem Gesundheitsökonomen Alexander Fischer Ideen für eine bessere Gesundheitsversorgung entwickelten. Rund fünf Jahre später wurde der Gesundheitskiosk in einem ehemaligen Ramschladen neben einem Einkaufscenter eröffnet: drinnen ein schicker Tresen, mehrere Sprechzimmer und ein Gymnastikraum mit Hula-Hoop-Reifen.
Drum herum ein Netzwerk von Ärzten, Pflegekräften und Sozialarbeitern. Der Gesundheitskiosk arbeitet nach eigener Darstellung mit über 100 Einrichtungen im Stadtteil zusammen. Seit 2018 gibt es das kostenlose Angebot; im ersten Jahr wurden mehr als 3000 Beratungen geleistet.
Prävention wird großgeschrieben. Die Beraterinnen und Berater führen auf ärztliche Veranlassung Untersuchungen wie Blutdruckmessungen oder Impfungen durch, vermitteln Behandlungen in Arztpraxen und Krankenhäusern, begleiten chronisch Kranke, beraten beim Abnehmen oder bei der Raucher-Entwöhnung - möglichst in der Muttersprache der Kunden.
Eine Studie des Hamburg Center for Health Economics hat ergeben, dass eine Beratung a la Billstedt sogar Kosten im Gesundheitswesen senken könne, zum Beispiel im Hinblick auf weniger Arztbesuche und geringere Ausgaben für Arzneimittel. Auch die Zahl der Krankenhausbehandlungen konnte nachweislich gesenkt werden, weil sich Patienten nicht sofort auf den Weg in die Kliniken begaben, sondern die Arztpraxen in der Nähe wählten.
Insgesamt erfassten die Wissenschaftler einen Rückgang der vermeidbaren Krankenhausfälle im Vergleich zu den anderen Stadtteilen Hamburgs um fast 19 Prozent. Zeitgleich stieg die Anzahl der Arztbesuche in Billstedt und Horn im Vergleich zu den anderen Stadtteilen Hamburgs um durchschnittlich 1,9 Besuche pro Versichertem und Jahr.
Quelle: Ärzte Zeitung