High-Tech-Bakterium

(tm/kib) Ein kleines Magnetfeld reicht – dann dringt Magnetococcus marinus tief in den Tumor ein, vor allem in hypoxische Bereiche, die sonst therapeutisch kaum zugänglich sind. Dort kann der Keim präzise seine tödliche Last abladen.

09.09.2016

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Die Bilder sind beeindruckend: In einem Video zeigen kanadische Forscher, wie ein Schwarm von etwa 5000 Magnetococcus-Bakterien längliche Polymerpartikel zu einer kleinen Stufenpyramide zusammenschiebt. Die Bakterien orientieren sich an Magnetfeldern, und das können die Forscher nutzen, um ihre Bewegung zu manipulieren.

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Statt Pyramiden zu bauen, sollen die Keime aber eines Tages in das Innere von massiven Tumoren vordringen und mit Arzneien beladene Liposomen oder andere Vehikel im schwer zugänglichen Tumorzentrum abladen.

Und das ist tatsächlich nicht nur Wunschdenken: Magnetococcus marinus ist für diese Aufgabe offenbar perfekt geeignet, haben die Forscher um Professor Sylvain Martel vom Nanorobotik-Labor der Polytechnischen Hochschule in Montréal herausgefunden. Sie injizierten Magnetococcus peritumoral in immundefiziente Mäuse mit transplantierten Tumoren. Dreidimensionale Magnetfelder leicht über der Erdmagnetfeldstärke lockten die Bakterien zuverlässig in den Tumor.

Dort versammelten sich die Keime tatsächlich in den hypoxischen Zonen, wie spezielle Färbetechniken und elektronenmikroskopische Aufnahmen zeigten. Die Konzentration der Erreger im Zentrum war zudem ein Vielfaches höher als in Versuchen ohne Magnetfeldsteuerung oder in Experimenten mit toten Magnetokokken oder Polymer-Mikrosphären.

Während bei passiven Carriern oder ohne Magnetfeld nur ein winziger Bruchteil das Tumorinnere erreichte, konnten die Forscher mehr als die Hälfte der injizierten lebenden Magnetokokken nach der Magnetfeldsteuerung im Tumorinneren aufspüren.

Dabei nahm die Konzentration deutlich vom Tumorinneren nach außen ab – die meisten Keime befanden sich folglich am erwünschten Ort. Durch den aktiven Transport lassen sich also bisher nicht erreichte Carrier-Konzentrationen im Tumorinneren erreichen.

Als nächstes beluden die Wissenschaftler ihre biologischen Nano-Roboter mit Liposomen, wie sie auch in der Tumortherapie zum Einsatz kommen. Damit gelangten sie ebenso gut wie ohne Last in den Tumor.

Nach Auffassung der Wissenschaftler werden auf diese Weise deutlich höhere Arzneikonzentrationen im Tumorinneren erreicht als mit bisherigen Verfahren – ohne dass der übrige Körper darunter mehr zu leiden hätte.

Im Prinzip ließen sich mit dem Verfahren Arzneien an jeder gewünschten Körperstelle in jede beliebige Gewebetiefe verfrachten, schreiben die Studienautoren. Allerdings müssen sie zu diesem Zweck ihre Nano-Roboter noch etwas umbauen, das menschliche Immunsystem würde ihnen sonst wohl ein vorzeitiges Ende bereiten.

Durch gezielte Eingriffe in das Genom lässt sich Magnetococcus aber vielleicht eines Tages in eine gut steuerbare Nanomaschine für die Tumortherapie umwandeln.

Quelle: Ärzte Zeitung

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