Hypertonie: Neue Leitlinie mit strengeren Werten
Die „Leitlinien zur Behandlung von erhöhtem Blutdruck und Hypertonie“ nehmen die Risken von leicht bis moderat erhöhten Blutdruckwerten in den Blick und unterstreichen deutlicher als alle anderen Leitlinien zu Bluthochdruck die Notwendigkeit einer frühen und strikteren Intervention, kommentiert die Deutsche Hochdruckliga die neuen Werte.
Früher therapieren
Eine manifeste Bluthochdruckerkrankung (arterielle Hypertonie) wird auch in der neuen Leitlinie mit einem Schwellenwert ab 140/90 mmHg definiert. Als normal gilt weiterhin eine Blutdruck von unter 120/70 mmHg.
Anders als bisher, zum Beispiel laut Nationaler Versorgungsleitlinie Hypertonie, gibt es jedoch eine neue Blutdruckkategorie „erhöhter Blutdruck“. Dieser ist definiert als 120 – 139/70 – 89 mmHg. Für diese Werte wird, je nach individueller Risikokonstellation, eine Therapie empfohlen.
Dreistufiges Diagnoseverfahren
Um zu entscheiden, ob die Patientin/der Patient vielleicht nicht doch schon bei Werten unter 140/90 mmHg einer blutdrucksenkenden medikamentösen Therapie bedarf, schlägt die europäische Fachgesellschaft ein dreistufiges Diagnoseverfahren vor.
Zunächst sollte nach Risikofaktoren gefragt werden. Damit sind vor allem kardiovaskuläre oder renale Vorerkrankungen gemeint. Wer zum Beispiel bereits einen Schlaganfall hatte, bedarf auch bei Blutdruckwerten zwischen 130 und 139/80 mmHg bereits einer blutdrucksenkenden Therapie, konkretisiert die Deutsche Hochdruckliga.
Menschen ohne solche Risikofaktoren gehen in die nächste diagnostische Stufe. Bei ihnen wird mit Punkte-Scores das individuelle kardiovaskuläre Zehn-Jahres-Risiko abgeschätzt.
Die Empfehlung der Leitlinie lautet: Beträgt das berechnete Risiko mindestens zehn Prozent, ist eine blutdrucksenkende Therapie vor allem bei Werten zwischen 130 und 139 mmHg notwendig. Liegt das Risiko unter fünf Prozent, ist keine Therapie erforderlich.
Bei Menschen, deren Risiko zwischen fünf und zehn Prozent liegt, wird geprüft, ob allgemeine oder geschlechtsspezifische Risikofaktoren vorliegen. Dazu zählen zum Beispiel Ethnizität, Familiengeschichte für kardiovaskuläre Ereignisse, sozio-ökonomische Faktoren, Autoimmunerkrankungen, HIV oder auch schwere geistige Erkrankungen sowie Schwangerschaftsdiabetes, -hypertonie, Präeklampsie, Früh- oder Fehlgeburten in der Vorgeschichte.
Herrscht dann immer noch Unklarheit, können abschließend spezielle Risikotests wie koronarer Kalk-Score, Pulswellengeschwindigkeitsmessung und andere zum Einsatz kommen.
Neuer Zielblutdruckwert
Die zweite wichtige Neuerung der Leitlinie ist der Zielblutdruck. Die europäische Fachgesellschaft schlägt hier vor, einen systolischen Blutdruck von 120 bis 129 mmHg als generelles Ziel zu nutzen, sofern dieser Blutdruck vertragen wird. Bei allen, die das nicht vertragen, sollte ALARA gelten, also „as slow as reasonably achievable“, so niedrig wie individuell möglich. Wird das systolische Ziel erreicht, nicht aber ein diastolischer Blutdruck unter 80 mmHg sollte eine Intensivierung der Therapie individuell erwogen werden.
Ein großzügigeres Blutdruckziel von unter 140/90 mmHg kann außerdem erwogen werden bei gebrechlichen Menschen jeglichen Alters und bei Menschen mit einer Lebenserwartung von nur wenigen Jahren. Bei nicht gebrechlichen alten Menschen unter 85 Jahren sollte hingegen primär mit Zielwert 120 bis 129/80 mmHg gearbeitet werden.
Neues zum Lebensstil
Auch in Sachen Lebensstil gibt es ein paar Neuerungen und Präzisierungen. So wird neben 150 Minuten Sport pro Woche und einer mediterranen oder DASH-Diät eine Begrenzung der täglichen Natriumzufuhr auf zwei Gramm empfohlen. Ihren Alkoholkonsum sollten Bluthochdruckpatientinnen und -patienten auf weniger als 100 Gramm pro Woche reduzieren. Das entspricht in etwa einem Drink pro Tag. Hier betonen die Leitlinienautoren jetzt zusätzlich und explizit, dass deutlich weniger Alkohol eigentlich besser wäre.
Neu ist außerdem die Empfehlung, die tägliche Kaliumzufuhr um 0,5 bis ein Gramm pro Tag zu steigern. Dies gilt, sofern keine moderate bis schwere Nierenerkrnakung vorliegt und insbesondere bei jenen (vielen) Patientinnen und Patienten, bei denen die Natriumrestriktion nicht gelingt. Geeignete Maßnahme für die Erhöhung der Kaliumzufuhr seien kaliumangereichertes, natriumreduziertes Salz sowie kaliumreiche Nahrungsmittel.
Im Zeichen der präventiven Medizin
Die europäische Fachgesellschaft definiert nun bereits leicht erhöhten Blutdruck unter bestimmten Bedingungen als behandlungswürdig. Die Empfehlungen reflektieren ein Umdenken in Richtung präventive Medizin, so die Deutsche Hochdruckliga. Herausforderung bleibt, dafür die notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung herzustellen und entsprechende Versorgungsstrukturen zu schaffen.
Quelle: Deutsche Hochdruckliga, springermedizin.de