Kundensicht: Sortimentsgestaltung optimieren

Category Management ist ein kundenorientierter, strukturierter, zahlengesteuerter – und vor allem permanenter Prozess, bei dem versucht wird, das Sicht- und Freiwahlsortiment optimal zu gestalten. Aber wer ist eigentlich „der“ Kunde? Welche Zahlen sind hilfreich, und woher bekommt man sie überhaupt?

von Ruth Ney
18.09.2016

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© Foto: Gary Holder / Digital Vision / Thinkstock
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Primäres Ziel des Category Managements (CM) ist es, Kunden ein bequemes und übersichtlich strukturiertes Kauferlebnis zu bieten. Die Warenpräsentation wird daher streng aus Kundensicht geplant und sorgt so im besten Fall für zufriedenere Verbraucher und mehr Umsatz, weil der Kunde nicht nur schnell das findet, was er braucht, sondern auch das, was ihn zusätzlich anspricht. Immerhin werden 70 Prozent aller Käufe am PoS beeinflusst. Soweit die hehre Lehre.

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Nachholbedarf

Im Handel, vor allem im Lebensmitteleinzelhandel und in den Drogeriemärkten, wird das tatsächlich schon recht konsequent umgesetzt, unter anderem auf der Basis von Bon-Auswertungen und Marktanalysen.

In Apotheken tut man sich noch eher schwer. Zum einen, weil anders als im klassischen Handel der Kunde nicht primär nach Produkten sucht, sondern in der Regel nach Unterstützung beim Einlösen eines Rezepts und nach Beratung. Zum anderen, weil lange Zeit die Sortimentsgestaltung überwiegend durch eigennützige Anreize getriggert wurde. So folgten CM-Angebote von Partnern eher den Interessen von Herstellern und Großhandel. Die Folge: Der versprochene Erfolg durch CM blieb aus, und damit nahm auch die Begeisterung für dieses Thema wieder ab.

Neues Interesse-- Erst seit knapp zwei Jahren erlebt CM eine Renaissance. Dies geschieht nicht zuletzt auch deshalb, weil wirtschaftliche Einschnitte Apothekeninhaber dazu zwingen, sich mehr Gedanken zu machen, wie sie durch Profilierung und Individualisierung für Kunden attraktiver werden und ihnen ein Kauferlebnis bieten können.

Auch die CM-Partner wie Großhändler oder Apothekenkooperationen haben dazu gelernt und gehen mit mehr System an die Sortimentsgestaltung heran. In einer aktuellen Umfrage des Marktforschungsunternehmens Bonsai im Oktober 2013 gaben denn auch 73 Prozent der insgesamt rund 150 befragten Apotheken an, bereits CM-Maßnahmen durchgeführt zu haben, 52 Prozent sind aktuell dabei.

Für 48 Prozent der Befragten war auch eine bessere Orientierung für die Kunden der wichtigste Grund, dem CM eine hohe Bedeutung beizumessen, gefolgt von mehr Umsatz bzw. Absatz. Dennoch sind die wichtigsten Kriterien für eine Platzierung in Sicht- und Freiwahl neben der eigenen Überzeugung von einem Produkt nach wie vor dessen Stücknutzen und die Einkaufskonditionen. Erst an sechster Stelle wurden Kundenwünsche genannt.

TIPP!

Die Nutzenkennziffer (NKZ) sinkt auch, wenn der Lagerbestand zu hoch ist, da sich die Umschlagshäufigkeit aus Abverkauf geteilt durch den durchschnittlichen Lagerbestand ergibt. Vor allem bei „Pennern“, Produkten mit einem Verkauf pro Monat (AMO) <5, sollte die Lagertiefe gering sein. Da sie nicht betriebswirtschaftlich sinnvoll in größeren Mengen eingekauft werden können, gehören nicht sie in die Sichtwahl, sondern Produkte mit AMO ab ca. 12.

Wunsch und Wahrnehmung

Um Kundenwünsche vor allem im Arzneibereich besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf eine Untersuchung des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller (BAH) aus dem Jahr 2012, in der Verbraucher zu Umgang, Wahrnehmung und Image von Arzneimitteln befragt wurden. Danach ist das Verhältnis durchweg ambivalent, wie Dr. Maria Verheesen vom BAH auf einer Veranstaltung von GS1 zum Thema Category Management im vergangenen November berichtete. Auf der einen Seite bewundere man die Fortschritte in Medizin und Pharmakologie, auf der anderen Seite sehe man sie in einem kritischen Licht. Die Ursachen hierfür seien die ängstliche Grundhaltung der Deutschen, ein romantisches Naturverständnis und eine Durchhaltementalität. Im Umgang mit Arzneimitteln zählt der Auswertung zufolge unter anderem für Verbraucher:

  • die Legitimation durch klassische Autoritäten (Ärzte/Rezept)
  • die eigene Natur, d. h. Verbraucher nutzen gerne Arzneien, die „nah an der Natur“ sind
  • die individuelle Dosierung/Medikation nach eigenem Maß
  • Wissenschaft und Forschung, die Arzneimittel berechenbarer machen.

Nutzen für den OTC-Bereich

Daraus lassen sich nach Ansicht von Verheesen wichtige Handlungspotenziale für die Selbstmedikation ableiten, indem zum Beispiel die Ambivalenz aufgegriffen und Orientierung gegeben wird, der Nutzen vor einem Risiko kommuniziert, gleichzeitig die Selbstverantwortung gestärkt und die Suche nach der „eigenen Natur“ bedient wird. Den Naturtrend belegen auch andere Umfragedaten, wonach 80 Prozent der Deutschen Naturarzneimitteln bzw. Phytotherapeutika ihr Vertrauen schenken. Sicherheit geben-- Für Apotheker bietet sich damit eine echte Chance, sich ebenfalls als Legitimationsinstanz zu zeigen. Denn der aktuelle Deutsche Gesundheitsmonitor des BAH ergab, dass Apotheker ein hohes Vertrauen (70 Prozent) genießen, mehr sogar noch als Ärzte (61 Prozent).

Sortimentsplanung

Wie können solche Erkenntnisse nun in ein Category Management einfließen? Die Sortiments- und Regalgestaltung berücksichtigt zum einen aktuelle Trends wie eben jenen zur Naturheilkunde oder auch zur Hautgesundheit und zum anderen die eigene Kundenstruktur und leitet daraus passende Warengruppen (Kategorien) ab. Dauerthemen wie Schmerz und Erkältung, Muskeln/Gelenke und Magen/Darm sowie saisonale Themen wie Allergie sind als Standard für Warengruppen anzusehen. Sie können individuell durch Produktgruppen zur Profilierung oder Ergänzungssortimente erweitert werden. In einem fortlaufenden Prozess werden darüber hinaus dann die Ziele (mehr Umsatz, mehr Frequenz, Imageverbesserung) und die dazu passenden Strategien/Taktiken festgelegt, die mit den gewählten Kategorien erreicht werden sollen. Schulungen zu diesem aus acht Schritten bestehenden Prozess bietet neben dem Großhandel und Apothekenkooperationen zum Beispiel auch regelmäßig das Unternehmen GS1 in Köln an.

Der richtige Mix-- Am Ende dieses Prozesses soll der Kunde dann die Produkte zusammenhängend vorfinden, die er etwa beim Thema Erkältung erwartet, um seine Beschwerden zu lindern. Allerdings nicht als Kraut- und-Rüben-Mischung, denn zu viel Auswahl verwirrt Käufer und hemmt eher Kaufentscheidungen. Vorteilhafter sind Produktblöcke (die optimale Wahrnehmung liegt bei ca. 40 cm Präsentationsbreite), denn Masse verkauft tatsächlich Masse, wie Untersuchungen belegen. Einzelpackungen wirken leicht wie ein „Restelager“.

Daten nutzen

Umso wichtiger ist es daher, die richtige Auswahl an einzelnen Produkten für eine Kategorie/eine Regalbelegung zu treffen. Für die Entscheidung, ob ein Produkt besser in der Schublade bzw. im Kommissionierautomaten bleibt oder in die Sichtwahl gehört oder gar als passendes Mitnahmeprodukt auf den HVTisch, braucht es eine solide Zahlenbasis. Diese setzt sich zusammen aus Marktanalysedaten, die zeigen, welche Produkte sich aktuell bewähren und viel gekauft werden, zum anderen aus den Daten der eigenen Abverkaufsstatistik.

Die OTC-Top-15-- Gute Marktdaten bieten unter anderen die Unternehmen Nielsen und IMS an. Sie zeigen zum Beispiel auf, wie sich im Körperpflegesegment vor allem nicht medizinische Gesichtspflege und darunter die Pflegecremes in den letzten Jahren positiv entwickelt haben oder wie der Antimykotika- Markt vor allem im Bereich Nagelpilz „boomte“. Diese Daten regelmäßig einzukaufen, ist für den einzelnen Apotheker teuer, wird aber etwa von Kooperationen genutzt, um zusammen mit den Daten der Partnerapotheken passende Sortimente für ein CM vorzuschlagen. Doch auch wer regelmäßig Publikationen in der Fachpresse und aktuelle Anzeigentrends verfolgt, erhält schon einen guten Eindruck, welche Themen und welche Produkte gerade „in“ sind. Gute Anhaltspunkte bieten etwa in APOTHEKE + MARKETING die OTC-Top-15-Tabelle und der vierteljährliche IMS-Rückblick.

Rechenbeispiele

Eigene Kennzahlen wie Stücknutzen und Umschlagshäufigkeit helfen bei der weiteren Auswahl. Vor allem durch Berechnen der Nutzenkennziffer (NKZ), einer verbreiteten Kenngröße im Handel, lässt sich erkennen, wieviel Ertragspotenzial in einem Produkt steckt. Man erhält sie durch Multiplikation der Umschlagshäufigkeit mit dem Aufschlagsatz (in Prozent). So können sowohl die Warengruppen als auch einzelne OTC-Produkte miteinander verglichen werden. Gut sind Werte über 2000 Prozent. Da sich Aufschlag und Umsatz wechselseitig beeinflussen, kann eine niedrige NKZ dann zum Beispiel ein Hinweis dafür sein, dass womöglich der Aufschlag zu hoch (und Kunden vom Preis abgeschreckt werden) oder der Umschlag zu gering ist (und ein Produkt eventuell anders präsentiert oder ausgelistet werden sollte).

TIPP!

Auf den HV-Tisch oder in seine Nähe gehören in jedem Fall Schnelldreher mit hohen Erträgen, die wenig Beratungsaufwand produzieren und als Impulskauf gerne von Kunden mitgenommen werden. Damit das so ist, gilt auch hier: Weniger ist mehr. Das heißt, es sollten wenige Displays mit klaren Strukturen eingesetzt werden, eventuell passend zu aktuellen Themen in der Apotheke und mit einem Preis unter zehn Euro, der letztlich zum „Mitnehmen“ verführt.

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