Lesen trotz trüber Hornhaut
Lesen, Gesichter erkennen, nähen, kochen – obwohl ihre Netzhaut intakt ist, können viele Menschen mit krankheitsbedingten Trübungen der lichtbrechenden Augenbestandteile ihre Alltagsaktivitäten nicht erledigen. Die jetzt an der Universitätsklinik Essen drei Wochen lang bei Sehbehinderten mit Hornhauttrübungen getestete Laser-Brille gibt all jenen Hoffnung, für die eine Operation nicht infrage kommt und die allein mit Vergrößerungsgeräten und Kontrastverstärkern nicht zurechtkommen.
Monokulares Echtzeit-Video
Im Steg der Brille steckt eine Kamera. Eines der blau getönten Gläser enthält die Projektionseinheit, die einen Rot-Grün-Blau-Laserstrahl durch die Pupille auf die Retina sendet. Über eine Kontrollbox lassen sich die projizierten Bilder zweifach vergrößern.
„Der Benutzer sieht ein monokulares Echtzeit-Video in voller Farbe, das als Augmented Reality in seinem zentralen Gesichtsfeld eingebettet ist und, im Gegensatz zu Virtual-Reality-Systemen, weiter peripheres Sehen ermöglicht“, beschreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die neue Technologie.
Verbesserte Sehschärfe
„Unsere Untersuchung der Fern-Sehschärfe (Fernvisus) mit bester Korrektur und mit der Laser-Brille ergab bei allen 21 Teilnehmern eine Verbesserung, während die Laser-Brille benutzt wurde.“
Der bestkorrigierte Fernvisus verbesserte sich von durchschnittlich 1,07 ± 0,4 logMAR (Logarithmus des minimalen Auflösungswinkels) auf 0,64 logMAR, bei doppelter Vergrößerung sogar auf 0,41 ± 0,16 logMAR.
Im Nahbereich verbesserte sich der bestkorrigierte Visus im Schnitt um 0,47 ± 0,3 logMAR und bei zweifacher Vergrößerung um weitere 0,71 ± 0,3 logMAR.
Negative logMAR-Werte bedeuten eine gute, positive eine schlechte Sehschärfe. Ein Visus von 1,0 entspricht 0 logMAR.
Flüssiglesen funktioniert noch nicht
Texte in 10-Punkt Times New Roman-Schrift konnten bei bester Korrektur gerade einmal vier der 21 Teilnehmenden lesen, nach drei Wochen Training zu Hause mit der Laser-Brille hingegen 17.
Flüssig gelang das aber nicht. Nur ein Teilnehmer kam mit 75 Wörtern pro Minute (wpm) nahe an die nötigen >85 wpm heran. Auch bei zweifacher Vergrößerung war die Lesegeschwindigkeit nicht signifikant besser als mit einer herkömmlichen vergrößernden Sehhilfe.
„Derzeit ist die neue Laser-Brille möglicherweise nicht die optimale Lesehilfe und erfordert weitere Verbesserungen, um flüssiges Lesen zu ermöglichen.“ Insgesamt sind die Autoren und Autorinnen aber optimistisch: „Die maximale Sehschärfe könnte künftig auf bis zu 0 logMAR verbessert werden, indem wir einen dünneren Laserstrahl benutzen.“
Immerhin besserte sich schon jetzt die Lebensqualität mit der Laser-Brille deutlich. Hinweise auf nutzungsbedingte morphologische oder funktionelle Augenschäden ergaben sich nicht. „Die geringe abgegebene Energie (< 0,39 mW) hat sich als niedriger als die einer Leuchtstofflampe erwiesen und wird daher für die Exposition am Auge als sicher erachtet.“
Quelle: Ärzte Zeitung