Lieferengpässe: Flexible Abgaberegeln entlasten Apotheken im Saarland
Laut Apothekenbetriebsordnung (§ 17 Abs. 6c) dürfen Apotheken grundsätzlich nicht von anderen Apotheken Arzneimittel beziehen. Ausnahmen gelten für Einkaufsgemeinschaften, Filialbetriebe, die Abgabe spezieller
Arzneimittel nach § 11 Abs. 4 ApoG und die Abgabe an Nachfolgebetriebe sowie die Aushilfe in dringenden Fällen.
Das Saarländische Gesundheitsministerium hat nun klargestellt: Wenn eine Apotheke eine Rezeptur nicht herstellen kann, z. B. weil die Ausgangsstoffe nicht verfügbar sind oder die personelle Situation der Apotheke dies nicht zulässt, liegt in der aktuell angespannten Situation ein dringender Fall vor.
Sonderregelungen für IKK Südwest und AOK Rheinland-Pfalz/Saarland
Angesichts der aktuell schwierigen Versorgungssituation bei Fieberarzneimitteln für Kinder hat der Saarländische Apothekerverein mit den beiden Krankenkassen IKK Südwest und AOK Rheinland-Pfalz/Saarland eine Sonderregelung vereinbart. Zur Sicherstellung der Versorgung von Kindern mit ibuprofen-/paracetamolhaltigen Fieber-Arzneimitteln dürfen Ärztinnen und Ärzte im Saarland eine Wirkstoff-Verordnung ausstellen. Damit haben die Apotheken die Möglichkeit, flexibel auf Lieferengpässe zu reagieren. Die Ausnahmeregelungen sind zunächst bis zum 28.02.23 befristet.
Wirkstoff-Verordnung sorgt für Flexibilität
Die Wirkstoff-Verordnungen sind in der folgenden Form auszustellen:
- Wirkstoff
- Darreichungsform
- Dosierung pro Tag
- zeitliche Reichweite auf dem Rezept (z. B. für 7 Tage)
Die Apotheken können sowohl Fertigarzneimittel abgeben als auch, im Bedarfsfall, notwendige Rezepturen anfertigen. Entsprechend den Empfehlungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist dabei die Abgabereihenfolge „Fertigarzneimittel vor Rezeptur“ zu beachten. Die Wirkstoffverordnung sollte auf einem separaten Rezept erfolgen. Das Wirtschaftlichkeitsgebot ist zu beachten. Als Nachweis des Lieferengpasses kann das automatische Defektprotokoll der Warenwirtschaft der Apotheke dienen.
Wirkstoff oder -stärke austauschen
Ein anderer Wirkstoff kann nur nach telefonischer Rücksprache mit dem verordnenden Arzt abgegeben werden. Es muss keine neue Verordnung ausgestellt werden. Die telefonische Rücksprache muss jedoch auf der Verordnung dokumentiert werden.
Ohne Rücksprache dürfen Apotheken von der ärztlichen Verordnung im Hinblick auf die Wirkstärke abweichen. Voraussetzung ist, dass dadurch die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs nicht überschritten wird und keine pharmazeutischen Bedenken bestehen.
Für den Fall, dass eine andere als die verordnete Wirkstärke abgegeben werden muss, dadurch aber die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs überschritten wird, muss wiederum Rücksprache mit dem Arzt gehalten werden. Stimmt dieser zu, darf ein entsprechendes Medikament abgegeben werden. Die Rücksprache muss auf der Verordnung vermerkt werden. Eine neue Verordnung ist nicht notwendig.
Zäpfchen statt Saft
Apotheken dürfen je nach Verfügbarkeit auch die nächstgrößere Packung abgeben und berechnen. Die Nichtverfügbarkeit der verordneten Packung ist zu dokumentieren.
Außerdem kann die Apotheke nach pharmazeutischem Ermessen eine andere Darreichungsform wählen. Die Empfehlungen des BfArM müssen dabei berücksichtigt werden.
Zuvor hatte schon das Sozialministerium Sachsen den Apotheken bürokratische Erleichterungen bei der Arzneimittelabgabe gestattet.