Marketing-Traum aus 1001 Nacht
Pistazien, Vollmilchschokolade und geröstete Teigstückchen: Das steckt in der Dubai-Schokolade. Warum aber geben Menschen ein horrendes Geld aus und stehen stundenlang an, nur um ein Stück der gehypten Süßigkeit probieren zu dürfen? Dem Phänomen gingen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der SRH Fernhochschule mit Sitz in Riedlingen auf die Spur.
Was steckt drin?
Bei Dubai-Schokolade handelt es sich um eine gefüllte Vollmilch-Schokolade. Die Füllung besteht aus einer Pistaziencreme, gerösteten Teigfäden (Kadayif) und einer Sesampaste (Tahini). Gegebenenfalls werden zudem noch Farbstoffe verwendet. Kadayif, auch Engelshaar genannt, besteht aus Weizenmehl und Wasser. Es werden Teigfäden hergestellt, die kleingeschnitten und in Pflanzenöl angeröstet werden. Dadurch werden sie knusprig und verleihen der Füllung den typischen Crunch, erklärt Bianca Müller, die die Professur für Ernährungswissenschaft und Lebensmitteltechnologie an der SRH Fernhochschule inne hat.
Süßes liegt in den Genen
Dass es ausgerechnet eine Schokolade ist, die zu so einem Trend-Produkt avanciert, kommt nicht von ungefähr. Es liegt quasi im menschlichen Schaltplan. Müller erklärt hierzu: „Die Gründe, warum gerne Schokolade gegessen wird, sind vielfältig. Allein der Energiegehalt hat bereits eine positive Wirkung auf unsere Stimmung, denn der Körper verdaut und wir entspannen uns."
Bei neuen Sorten wie der Dubai-Schokolade komme sicherlich auch eine Portion Neugierde als Kaufgrund mit dazu. Pistazien kennen die meisten Verbraucher, so Müller. Der Geschmack ist vertraut und die nussige Note harmoniert wunderbar mit der Schokolade.
Das Highlight der Dubai-Schokolade sei sicherlich die Konsistenz der Füllung. Zum einen ist da die Cremigkeit der Pistazienkomponente und zum anderen der Crunch, der durch das geröstete Engelshaar entsteht. Im Mund ist richtig viel los – das Essen ist spannend und macht Spaß. Es werden verschiedene sensorische Reize angesprochen, was dazu führt, dass das Sättigungsgefühl etwas verzögert eintritt. Deshalb wird dann eventuell auch ein Stück Schokolade mehr gegessen als geplant war, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin.
Cleveres Influencer-Marketing
Doch allein die Lust auf ein Stück Schokolade kann kaum dafür sorgen, dass Menschen millionenfach das Bedürfnis verspüren, sofort den Süßwarenladen stürmen zu wollen. Dahinter steckt vor allem auch das Spiel mit dem Erwecken von Bedürfnissen. Dr. Thomas Bippes ist Professor für Medien, Kommunikation und Online Marketing an der SRH Fernhochschule. Er beleuchtet den Marketing-Mechanismus hinter der Dubai-Schokolade: „Der Hype um die Dubai-Schokolade lässt sich zunächst einmal durch eine clevere Medienstrategie in Verbindung mit dem Mythos Dubais als Symbol für Luxus erklären. Produkte aus Dubai profitieren vom Prestige der Stadt, das durch gezieltes Storytelling, Social-Media-Kampagnen und Influencer-Marketing verstärkt wird.“
Limited Editions und künstliche Verknappung steigern den Wunsch nach Besitz
Bippes weiter: „Die Schokolade wird oft mit exklusiven Zutaten und einer luxuriösen Verpackung beworben, die sie als begehrenswert inszenieren. Limited Editions und künstliche Verknappung steigern den Wunsch nach Besitz. Social Media, besonders durch Influencerinnen und Influencer, macht die Schokolade zum Lifestyle-Symbol, das weltweit als Souvenir oder Prestigeobjekt gehandelt wird. Es wird also eine ganze Klaviatur an Content-Marketing-Instrumenten geschickt bespielt. Zudem profitiert das Produkt von einer schon bestehenden und sehr aktiven Dubai-Influencer-Infrastruktur. Das wirkte auf das orchestrierte Produktmarketing wie ein Katalysator.“
Medienberichte sorgen für Reichweite
Medienberichte über die „Schokolade aus Dubai“ oder ihr angeblicher Status als Luxusgut verstärken den Hype. Sobald ein Produkt in den Schlagzeilen ist, wächst das Interesse exponenziell, erklärt der Experte. Keine Frage - das Medienphänomen rund um die Dubai Schokolade sei außergewöhnlich. Das Beispiel zeige eindrucksvoll, wie gezielte Kommunikationsstrategien ein Produkt in den globalen Fokus rücken können. „Ein klassisches Zusammenspiel von Luxus-Branding, viralen Trends und emotionalem Storytelling“, schließt Bippes seine Einschätzung.
Der psychologische Faktor
Warum Menschen die Schokolade unbedingt „haben wollen“, erklärt Benjamin Jovan Panic, Fachdozent für Psychologie an der SRH Fernhochschule. Diese Verhalten könne durch verschiedene psychologische Konzepte erklärt werden. Ein zentraler Aspekt sei das Prinzip der Verknappung, das besagt, dass Menschen Dinge, die als selten oder schwer zu bekommen gelten, als wertvoller empfinden. Diese Wahrnehmung von Knappheit kann den Wunsch verstärken, das Objekt zu besitzen, selbst wenn die Wahrscheinlichkeit, es zu bekommen, gering ist.
Das „Unbedingt-Haben-Wollen“ kann aber auch durch den psychologischen Mechanismus der kognitiven Dissonanz erklärt werden. Wenn jemand viel Zeit und Mühe investiert hat, um etwas zu bekommen, wird er dazu neigen, den Wert dieses Objekts zu überschätzen, um die Dissonanz zwischen Aufwand und möglichem Misserfolg zu verringern. „Das kann dazu führen, dass Menschen irrational handeln und sich stärker anstrengen, um das gewünschte Objekt zu erhalten“, sagt Panic.
Dass die Dubai-Schokolade so trendet, sei definitiv kein Zufall, lautet das Fazit. Die Erfinderin, die die Dubai-Schokolade aus Schwangerschaftsgelüsten heraus kreiert hat, habe Dank geschmacklicher Vorlieben, einer sehr schlauen Marketingstrategie und letztlich auch evolutionär bedingter psychologischer Mechanismen des Menschen, anschaulich demonstriert, wie ein Produkt funktionieren kann.
Quelle: IDW