Medikamenteninduzierter Kopfschmerz: Neue europäische Leitlinie

(kib) Kopfschmerz als Folge von Medikamentenübergebrauch ist ein sehr häufiges Problem. Eine neue Leitlinie setzt auf umfassende Information, multidisziplinäre Betreuung und individuelle Therapie der Betroffenen.

29.06.2020

Frau mit Kopfschmerzen sitzt vor einem Wasserglas und hat zwei Tabletten in der Hand
© Foto: Liderina / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)
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Die neue Leitlinie gibt anhand von sieben „PICO-Fragen“ (P = popular, I = intervention, C = control, O = outcome) Empfehlungen für das Management von Medikamentenübergebrauchskopfschmerz. Grundlegende und wichtigste Präventionsmaßnahme sind dabei nach Ansicht der Autoren Information und Patientenschulungen. Diese können maßgeblich dazu beitragen, dem Medikamentenübergebrauchskopfschmerz bei Migränepatienten vorzubeugen.

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Die Leitlinie empfiehlt darüber hinaus, dass Risikopatienten in regelmäßigen Abständen (alle 3 – 6 Mo.) vom Allgemeinmediziner oder Neurologen gesehen werden sollen. Diese Empfehlung ist zwar streng genommen nicht evidenzbasiert, laut Leitlinienautor Professor Hans-Christoph Diener aber eine „Common Sense“-Empfehlung.

Die intensive Beratung ist somit ein probates Mittel zur Prävention, gelangt aber an Grenzen, wenn es um die Behandlung geht: Die alleinige Beratung kann zwar bei Übergebrauch von Triptanen oder einfachen Analgetika zielführend sein, wenn keine größeren psychiatrischen Komorbiditäten vorliegen – bei Übergebrauch von Opioiden, Barbituraten oder Tranquilizern rät die Leitlinie aber zur Überweisung an einen Kopfschmerzexperten oder in ein spezialisiertes Schmerzzentrum.

Denn grundsätzlich müsse immer ein Entzug oder zumindest eine sanfte Reduzierung der Übergebrauchsmedikamente erfolgen, um den medikamenteninduzierten Kopfschmerz langfristig zu therapieren, so die Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Ein erfolgreiches Ausschleichen oder Absetzen der Schmerzmedikation gelinge fast nur in sehr enger Betreuung, die je nach Komplexität und Zustand des Patienten stationär, teilstationär oder ambulant erfolgen kann. Wichtig sei jedoch, dass diese Betreuung multidisziplinär erfolgt, neben Neurologen sollten auch Schmerzmediziner und Verhaltenspsychologen eingebunden sein.

Leitlinie

Die Leitlinie zum Management des Medikamentenübergebrauchskopfschmerzes publizierte die „European Academy of Neurology“ unter Federführung von Professor Hans-Christoph Diener, Universität Duisburg-Essen. Sie gibt Präventions- und Therapieempfehlungen, wie der Teufelskreis zwischen Kopfschmerzen und Einnahme von Schmerzmedikamenten und Migränemitteln vermieden beziehungsweise durchbrochen werden kann, heißt es in einer Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.

Medikamentenübergebrauchskopfschmerz ist generell ein häufiges Problem im klinischen Alltag. Es wird geschätzt, dass er bei einem Prozent der Bevölkerung und bei 70 Prozent aller Patienten mit chronischen Kopfschmerzen vorliegt, davon in vier von fünf Fällen bei Menschen, die an chronischer Migräne leiden, erinnert die Deutsche Gesellschaft für Neurologie.

Man spricht von Medikamentenübergebrauchskopfschmerz, wenn an über 15 Tagen pro Monat Kopfschmerzen auftreten und diese über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten mit einem oder mehreren Schmerzmedikamenten behandelt werden. Für Triptane ist die Einnahme an mehr als 10 Tagen im Monat zur Diagnosestellung Voraussetzung.

Besonders gefährdet, einen Medikamentenübergebrauchskopfschmerz zu entwickeln, sind Patienten, die an einer weiteren Schmerzerkrankung leiden, wie chronischen Rückenschmerzen, oder Menschen mit schwerer Migräne. Häufige Begleiterkrankungen des Medikamentenübergebrauchskopfschmerzs sind Angsterkrankung und Depression.

Quelle: Ärzte Zeitung

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