Meditieren für ein gesundes Darmmikrobiom
Inzwischen gehen viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler davon aus, dass das Darmmikrobiom sowohl Auswirkungen auf neurodegenerative Erkrankungen hat, als auch die Psyche beeinflusst. So gibt es deutliche Unterschiede im Darmmikrobiom depressiver und gesunder Menschen – etwa weniger Faecalibakterien bei den Depressiven.
Letztere bilden immunmodulierende kurzkettige Fettsäuren, die auch mit der Stressregulation in Verbindung gebracht werden. Zudem entstehen im Darm viele Vorläufermoleküle von Neurotransmittern.
Auf der anderen Seite scheint viel Stress die Darmwand für schädliche Stoffwechselprodukte durchlässiger zu machen. Auch wird ein Einfluss von Stress auf die Zusammensetzung des Darmmikrobioms diskutiert. Es könnte also nicht nur der Darm das Gehirn, sondern auch das Hirn den Darm beeinflussen. Und wer tiefenentspannt den Alltag bewältigt, ist da vielleicht im Vorteil.
Meditation wirkt sich positiv aus
In diese Richtung weisen nun auch Untersuchungen bei tibetischen Mönchen: Verglichen mit Menschen in der unmittelbaren Umgebung von Klöstern weisen zwei Stunden am Tag meditierende Mönche ein deutlich gesünderes Darmmikrobiom auf. Ein Team um Dr. Ying Sun vom Zentrum für psychische Gesundheit an der Universität in Shanghai vermutet, dass dies tatsächlich an der Meditation liegen könnte.
Für ihre Studie haben die Forschenden zunächst 77 Mönche aus mehreren Klöstern in Tibet sowie 51 Männer aus der Umgebung der Klöster als Versuchsteilnehmer gewonnen. Ausgeschlossen wurden aber alle, die in den drei Monaten zuvor Antibiotika eingenommen hatten oder Joghurt konsumierten, da dies die Resultate verfälschen könnte. Zudem wurde auf eine möglichst vergleichbare Lebensweise geachtet, etwa beim Alkohol- und Tabakkonsum sowie der Ernährung. Übrig blieben dann noch 37 Mönche und 19 Kontrollpersonen, die Stuhlproben zur Mikrobiomanalyse lieferten.
Die Mönche meditierten täglich mindestens zwei Stunden nach der Samatha- und Vipassana-Praxis, und dies im Schnitt seit siebeneinhalb Jahren. Beim Alter und bei Faktoren wie Blutdruck, Herzfrequenz oder Cholesterinspiegeln gab es keine größeren Unterschiede. Die Ernährung bestand in beiden Gruppen im Wesentlichen aus Hafer, Reis, Brot, Nudeln, Gemüse, Buttertee und wenig Fleisch.
Unterschiede bei Bakterienstämmen
Die Mikrobiomanalyse ergab einige deutliche Unterschiede: Auf Genus-Ebene dominierte bei den Mönchen Prevotella – diese Bakterien machten alleine 42 Prozent des Mikrobioms aus, in der Kontrollgruppe nur 29 Prozent. Bacteroides waren bei den Mönchen mit sechs Prozent ebenfalls häufiger vertreten als in der Kontrollgruppe (4 %).
Prevotella werden bei Depressiven seltener beobachtet, Bacteroides sind bei Personen mit Essstörungen und Angststörungen seltener zu finden, berichtet das Team um Sun. Ebenfalls häufiger bei den Mönchen waren Faecalibakterien sowie einer Reihe anderer Arten und Familien, die mit einer gesunden Psyche einhergehen, etwa Megamonas.
Ein psychisch gesunder Lebensstil mit viel Meditation kann das Darmmikrobiom positiv beeinflussen
Unterschiede auch bei Stoffwechselpfaden
Die Forschenden schauten auch nach Unterschieden in Stoffwechselpfaden. Sie fanden bei den Mönchen vermehrt Bakterien, die an der Glykan- und Lipopolysaccharidsynthese beteiligt sind. Beide Stoffgruppen dienen auch zur Abdichtung des Darmepithels und dämmen Entzündungsprozesse ein. Das Team vermutet daher, dass ein psychisch gesunder Lebensstil mit viel Meditation das Darmmikrobiom günstig beeinflussen kann.
Welchen Anteil die Meditation an dem psychisch gesunden Lebensstil hat, bleibt jedoch offen. Das Leben in einem tibetischen Kloster dürfte sich in vielen Punkten von dem außerhalb unterscheiden, und letztlich könnten all diese Unterschiede und nicht nur die Meditation einen Einfluss auf das Darmmikrobiom haben.
Quelle: springermedizin.de