Medizin-Nobelpreis für Forschung zu Thermorezeption und Tastsinn

(kib) Wie nehmen wir Berührungen und Temperaturen wahr? Dieses Rätsel haben die US-Forscher Professor David Julius und Professor Ardem Patapoutian maßgeblich gelöst. Dafür erhalten sie nun den Medizin-Nobelpreis.

05.10.2021

Nobelpreis-Medaille
© Foto: Karl Schöndorfer/picturedesk.com/picture alliance
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Der diesjährige Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ist sicherlich eine Überraschung: Ganz oben auf der Liste sahen viele die beiden Entwickler der mRNA-Technik Professor Katalin Karikó und Professor Drew Weissman – sie hatten den Grundstein für die rasche Entwicklung einer wirksamen COVID-19-Vakzine gelegt.

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Doch das Nobelpreiskomitee am Karolinska-Institut in Stockholm hatte andere Favoriten: Ausgezeichnet wurden Professoren David Julius und Ardem Patapoutian. Sie haben herausgefunden, auf welchem Weg Sinneszellen in der Lage sind, Temperatur und Tastempfindungen wahrzunehmen.

David Julius, geboren 1955 in New York, hatte in den 1990er-Jahren an der Universität in San Francisco den Chili-Wirkstoff Capsaicin benutzt, um herauszufinden, wie Nervenzellen Schmerzreize wahrnehmen. Er stellte eine DNA-Datenbank von Genen her, die auf Capsaicinreize hin exprimiert werden und setzte diese Gene in Zellen ein, die normalerweise nicht auf die Verbindung ansprechen.

Auf diese Weise fand er schließlich ein Gen, das die Zellen für Capsaicin empfänglich machte – es kodiert für den Capsaicin-Rezeptor. Dieser erhielt später den Namen TRPV1 für „transienter Rezeptor-Potenzial-Kationenkanal Vanilloid 1“ und war auch in der Lage, auf Temperaturveränderungen zu reagieren.

Doch TRPV1 ist nicht der einzige temperaturempfindliche Rezeptor. Julius und weitere Forscher, darunter auch der zweite Preisträger Ardem Patapoutian, entdeckten weitere Mitglieder der TRP-Familie und über einen ähnlichen Ansatz mit Menthol TRPM8, einen kälteempfindlichen Sensor. „Die Entdeckung von TRPV1 war der Durchbruch für das Verständnis, wie Temperaturunterschiede in elektrische Signale übertragen werden“, so die Begründung des Preiskomitees.

Nach der Jahrhundertwende gelang Ardem Patapoutian, geboren 1967 in Beirut im Libanon, am Scripps Institute in La Jolla bei San Diego ein weiterer Durchbruch: Er isolierte druckempfindliche Rezeptoren, indem er nach und nach jeden einzelnen Typ von Ionenkanal von druckempfindlichen Zellen mit biotechnischen Methoden ausschaltete.

Nach langer Fleißarbeit wurde er beim 72sten Ionenkanal fündig: Ohne diesen konnten die Zellen keine Druckreize wahrnehmen. Der Rezeptor wurde daraufhin PIEZO1 getauft – nach dem griechischen Wort für Druck. Anhand Ähnlichkeiten mit seiner Gensequenz kamen die Forscher um Patapoutian dann auch dem Rezeptor PIEZO2 auf die Spur. Dieser ist vor allem in sensorischen Nervenzellen aktiv, welche Berührungen und Körperposition wahrnehmen. Beide Rezeptoren sind auch für Atmung sowie Blutdruck- und Blasenkontrolle relevant. Sie reagieren primär auf mechanische Veränderungen der Zellmembran.

Die beiden Entdeckungen, so der Generalsekretär des Nobelpreiskomitees, Thomas Perlmann, könnten die Entwicklung von neuen Therapien vorantreiben, etwa gegen chronische Schmerzen.

Die Preisverleihung findet am 10. Dezember in Stockholm statt, dem  Todestag des Stifters Alfred Nobel.

Quelle: Ärzte Zeitung

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