Modellprojekte in Apotheken sollen Impfquote erhöhen
Durch die neue Möglichkeit, auch in Apotheken zu impfen, soll die im Durchschnitt in Deutschland in den vergangenen Jahren erzielte Impfquote bei Grippeschutzimpfungen von etwa 35 Prozent bei den über 60-Jährigen erhöht werden. Die Zielvorgaben der Europäischen Union sehen bei dieser Altersgruppe eine Impfquote von 75 Prozent vor. Die Erfahrungen im Ausland zeigten, dass durch das Impfangebot in Apotheken die Impfquote erhöht werde, erklärt Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein. Hier im Rheinland, genauer gesagt in der Donatus-Apotheke in Bornheim bei Bonn, hatten Kunden Anfang Oktober die erste Grippeschutzimpfung in einer deutschen Apotheke erhalten. Bereits 250 Apotheker aus mehr insgesamt 125 Apotheken an Rhein und Ruhr hätten die Zusatzqualifikation zur Durchführung von Grippeschutzimpfungen erworben.
Das neueste Modellprojekt ist am 1. November in Niedersachsen gestartet, hier haben bis jetzt bereits 75 Apotheker aus dem ganzen Bundesland die Schulung absolviert. Bis Jahresende sind die Seminartermine in Hannover ausgebucht, sodass voraussichtlich 170 Apotheker die Impfschulung absolviert haben, sagt Panagiota Fyssa. Die Schulung besteht aus einem theoretischen und einem praktischen Teil. Diesen Praxisteil leitet ein Mediziner an, der dem Vorhaben Impfen in der Apotheke nicht so skeptisch gegenübersteht wie die Ärztekammer und die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen.
Ärzte sehen Impfen in der Apotheke skeptisch
Die Ärztekammer Niedersachsen hält das Sicherheitsrisiko beim Impfen in der Apotheke für zu hoch: „Apothekerinnen und Apotheker haben Impfen nicht gelernt – wir Ärztinnen und Ärzte schon“, kritisiert Ärztekammerpräsidentin Dr. Martina Wenker im niedersächsischen Ärzteblatt. Beim Impfen könne es zu Komplikationen wie etwa allergischen Reaktionen kommen, dann sei schnelles ärztliches Notfallhandeln erforderlich, erklärt die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen.
Die Ärztekammer Niedersachsen unterstützt die Hausärzte mit einem Kampagnenpaket. Das Info-Material soll darüber aufklären, wie wichtig es ist, im Vorfeld der Impfung zu untersuchen, ob der Impfende wirklich gesund ist, ob er nicht an einer chronischen Erkrankung leidet und die Impfung somit aus medizinischer Sicht unbedenklich ist. Treten zeitnah Impfreaktionen auf, seien Patienten in einer Arztpraxis auf der wirklich sicheren Seite, so der Tenor der Kampagne.
Impfschulung ersetzt nicht Medizinstudium
Auch in NRW sind die Mediziner skeptisch. Die Ärztekammer Nordrhein fordert einen Stopp der Grippeimpfungen durch Apotheker. Der entsprechende Modellversuch im Rheinland müsse sofort ausgesetzt werden, heißt es in einer Entschließung der Kammerversammlung. Die neunstündige Impfschulung für die Apotheker könne kein sechsjähriges Medizinstudium ersetzen, betonen die Ärzte. Sie halten Impfungen in Apotheken für geeignet, das hohe Vertrauen der Bevölkerung in die Sicherheit von Impfungen zu gefährden.
Niedersachsens Ärztekammerpräsidentin Wenker befürchtet zusätzliche Engpässe bei den Impfstoffen durch die Impf-Modellversuche in Apotheken. Denn die von der Ärzteschaft benötigten Mengen Grippeimpfstoff für den Bedarf von Ärzten wurden bereits zu Beginn des Jahres ermittelt, als das Impfen in den Apotheken noch eingeplant war. Um dem Engpass entgegenzuwirken, hat das Bundesgesundheitsministerium Reserve-Impfstoffe mit US-amerikanischer und französischer Aufmachung bereitgestellt.
Ob diese nun in der Arztpraxis oder in der Apotheke für die Impfung genutzt werden, ist nach Ansicht von Thomas Preis nicht entscheidend. Die Apotheken in NRW stellten zurzeit fest, dass Arztpraxen sogar schon auf Apotheken verweisen, schließlich haben diese auch samstags und Mittwochnachmittags auf, wenn die meisten Hausarztpraxen geschlossen sind. "Jeder geimpfte Patient ist ein gut geimpfter Patient, egal wo er geimpft wurde", sagt Verbandschef Preis.
Quelle: Ärztekammer Niedersachsen / Apothekerverband Niedersachsen /Apothekerkammer Niedersachsen/ Apothekerverband Nordrhein / Ärzte Zeitung