Naturphänomen begünstigt FSME

(eo/kib) Hatte der starke Anstieg der FSME-Inzidenz im letzten Jahr wirklich mit der Corona-Pandemie zu tun? Mit wie vielen Fällen ist in diesem Jahr zu rechnen? Und bei wem muss man einen schweren Verlauf befürchten? Antworten auf diese Fragen gab der Münchner Neurologe Prof. Matthias Klein Anfang Mai beim Infektio Update 2021.

28.05.2021

Schild mit Zeckenwarnung in gefährdetem Gebiet im Wald mit Ruhebank
© Foto: Heiko Barth / stock.adobe.com
Anzeige

Das Jahr 2020 war nicht nur ein Pandemiejahr, sondern auch ein Rekordjahr für Zecken – und damit auch für die durch Ixodes ricinus übertragene FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis). Hatten sich 2019 noch 444 Menschen nachweislich mit FSME infiziert, waren es im letzten Jahr immerhin 683 bestätigte Fälle.

Aktueller Podcast

Nach Prof. Matthias Klein hängt dieser deutliche Anstieg nicht etwa mit der neu entdeckten Leidenschaft für Waldspaziergänge in der Corona-Pandemie zusammen. Die Ergebnisse einer österreichischen Untersuchung lassen vermuten, dass der Zecken-Boom zwar zu einem erheblichen Teil der warmen Wetterlage, aber auch einem wiederkehrenden Naturphänomen geschuldet war: 2020 war ein Mastjahr der Buchen. In solchen Jahren gibt es in den Wäldern in Hülle und Fülle Bucheckern, wovon insbesondere kleine Nagetiere profitierten. Der Vermehrung von Zecken und damit der Verbreitung des FSME-Erregers wird damit der Boden bereitet.

Diese Erkenntnisse ließen die Forscher in ein selbstentwickeltes Rechenmodell einfließen, welches auch andere Faktoren wie klimatische Veränderungen und das mit der Wetterlage in Zusammenhang stehende Freizeitverhalten des menschlichen Wirts berücksichtigt.

Mit ihrer Prognose für 2020 hatten die Studienautoren bereits vor Beginn der Corona-Pandemie verblüffend nah am realen Wert gelegen: Für dieses Jahr hatten sie für Deutschland 663 FSME-Fälle vorausgesagt. Für 2021 werden nach dem Modell 543 Fälle prognostiziert.

Als „alarmierend“ bezeichnete der Neurologe die aktuellen Impfraten: Demnach ist nur knapp die Hälfte der Bevölkerung in Bayern und Baden-Württemberg, die mittlerweile komplett als Risikogebiete gelten, vollständig gegen FSME geimpft. Weiter im Norden liegt die Quote laut Klein noch deutlich niedriger: „Das ist bedauerlich, da durch die Impfung ein relativ guter Schutz erzielt werden kann.“

Wie wichtig dieser ist, belegt eine Studie aus Litauen: Von den insgesamt 1040 Patienten mit nachgewiesener FSME hatten 15 Prozent einen schweren Verlauf mit mehrtägiger Bewusstseinsstörung, Myelitis und/oder fokalneurologischen Defiziten wie Lähmung, Ataxie oder Dysphagie. Etwa jeder dritte davon Betroffene musste auf einer Intensivstation behandelt werden. 80 Prozent wurden mit Folgeschäden wie kognitiven Einschränkungen oder Paresen aus der Klinik entlassen.

 Wann droht ein schwerer Verlauf?

Nach Klein besteht ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf, wenn folgende Faktoren zutreffen:

  • höheres Alter,
  • Begleiterkrankungen,
  • ein monophasischer Verlauf,
  • hohes Fieber und
  • eine stark erhöhte Proteinkonzentration im Liquor.

Die ebenfalls von einem österreichischen Team geäußerte Vermutung, die Impfung gegen FSME könne das Risiko eines schweren Verlaufs erhöhen, hat sich dem Neurologen zufolge nicht bestätigt. Laut Meldedaten des Robert Koch-Instituts waren in Deutschland von 5777 FSME-Patienten 334 gegen den Erreger geimpft. Das Risiko, Symptome einer ZNS-Beteiligung zu entwickeln oder gar an der Infektion zu versterben, war unter den Geimpften nicht erhöht.

Außer ganz Süddeutschland sind derzeit auch Österreich, Südtirol und Tschechien sowie der größte Teil der Schweiz und Polens als FSME-Risikogebiete eingestuft. „Wenn Sie hier einen naturnahen Sommerurlaub planen, empfehle ich Ihnen ganz dringend, sich die Impfung gegen FSME abzuholen“, mahnte Klein.

Quelle: springermedizin.de

Kommentar schreiben

Die Meinung und Diskussion unserer Nutzer ist ausdrücklich erwünscht. Bitte achten Sie im Sinne einer angenehmen Kommunikation auf unsere Netiquette. Vielen Dank!

Pflichtfeld *