Paracetamol: Neuer Warnhinweis

(kib) Paracetamol kann bei Überdosierung die Leber schädigen. Ohne Rezept dürfen daher nur Produkte mit maximal zehn Gramm Paracetamol pro Packung abgegeben werden. Nun muss ein neuer Warnhinweis zu einer seltenen, möglicherweise aber tödlichen Nebenwirkung hinzugefügt werden.

06.12.2024

Tablettenblister mit einer weißen, teilbaren Tablette im Vordergrund
© Foto: Mara Zemgaliete / stock.adobe.com
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Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA folgte einer Empfehlung des Ausschusses für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC). Dieser hatte im Oktober 2024 entschieden, dass alle Hersteller von paracetamolhaltigen Medikamenten in ihren Beipackzetteln auf das Risiko der metabolischen Azidose mit erhöhter Anionenlücke (HAGMA) hinweisen müssen. Das betrifft alle Produktinformationen, sowohl die von Einzel- als auch von Kombinationspräparaten.

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Nebenwirkung bei therapeutischer Dosis

Fälle von HAGMA aufgrund von Pyroglutaminsäure-(5-Oxoprolin-)Azidose wurden bei Patientinnen und Patienten mit schweren Erkrankungen (z. B. Nierenfunktionsstörung, Sepsis), mit Mangelernährung oder anderen Ursachen für Glutathionmangel (z. B. chronischer Alkoholismus) berichtet.

Die Betroffenen waren über einen längeren Zeitraum mit einer therapeutischen Dosis oder einer Kombination von Paracetamol und dem Antibiotikum Flucloxacillin behandelt worden, berichtet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Laut Mitteilung soll HAGMA als Nebenwirkung mit der Häufigkeit „nicht bekannt“ ergänzt werden.

Neuer Wortlaut der Produktinformation

Auszug aus den Empfehlungen des PRAC:

„Wenn Sie an schweren Erkrankungen leiden, darunter schwere Nierenfunktionsstörungen oder Sepsis (wenn Bakterien und ihre Toxine im Blut zirkulieren und zu Organschäden führen), oder wenn Sie an Unterernährung oder chronischem Alkoholismus leiden oder wenn Sie gleichzeitig Flucloxacillin (ein Antibiotikum) einnehmen. Bei Patienten in diesen Situationen wurde über eine schwere Erkrankung namens metabolische Azidose (eine Blut- und Flüssigkeitsanomalie) berichtet, wenn Paracetamol über einen längeren Zeitraum in regelmäßigen Dosen eingenommen oder wenn Paracetamol zusammen mit Flucloxacillin eingenommen wird. Zu den Symptomen einer metabolischen Azidose können gehören: schwere Atembeschwerden mit tiefer, schneller Atmung, Schläfrigkeit, Übelkeit und Erbrechen.“

Einnahme sofort stoppen

Bei einem Verdacht auf diese schwere Nebenwirkung sollte die Einnahme sofort gestoppt und der Patient oder die Patientin sollten engmaschig ärztlich überwacht werden. Laut BfArM kann die Messung von Pyroglutaminsäure (5-Oxoprolin) im Urin nützlich sein, um eine Pyroglutaminsäure-Azidose als zugrunde liegende Ursache von HAGMA bei Patientinnen und Patienten mit mehreren Risikofaktoren zu erkennen.

Warum die Azidose auftreten kann

Gerät der Säure-Basen-Haushalt wegen einer Stoffwechselstörung aus der Balance, kann das Blut übermäßig sauer werden. Mediziner sprechen dann von einer metabolischen Azidose. Typische Symptome sind: schwere Atembeschwerden mit tiefer, schneller Atmung, Schläfrigkeit, Übelkeit und Erbrechen.

Paracetamol kann ein Auslöser sein. Nach Einnahme bildet sich N-Acetyl-p-Benzochinonimin (NAPQI). Dieser Metabolit ist toxisch und wird normalerweise in der Leber mithilfe von Glutathion entgiftet, indem NAPQI irreversibel an Glutathion bindet.

Wird Paracetamol überdosiert, reicht die Entgiftungskapazität der Leber nicht mehr aus, weil die Glutathionreserve aufgebraucht ist. Durch die Störung des Glutathionstoffwechsels kommt es zu einer vermehrten Bildung und einem verminderten Abbau des Metaboliten 5-Oxoprolin (Pyroglutaminsäure). Das bringt den Säure-Basen-Haushalt aus dem Gleichgewicht. Die Folge ist eine meta­bolische Azidose mit erhöhter Anionenlücke durch die Akkumulation des Abbauprodukts 5-Oxoprolin. Flucloxacillin hemmt darüber hinaus zusätzlich den Abbau von 5-Oxoprolin.

Quelle: EMA, BfArM

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