Protein-Hype: Gefährlicher Marketingtrend
Im Kühlregal steht ein Milchgetränk mit extra viel Protein, in der Müsliabteilung locken Haferflocken mit Proteinzusatz und bei den Backwaren liegt Eiweißbrot. Was lange nur im Fitnessstudio zu haben war, hält derzeit Einzug in die Supermärkte: Proteinprodukte.
Die Entwicklung hin zu proteinreichen Produkten hat nach Einschätzung der Ernährungswissenschaftlerin Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung auch mit Ernährungstrends wie Low Carb oder Paleo nach Steinzeitvorbild zu tun. Auch vegetarische und vegane Ernährung spiele dabei eine Rolle. Diesen Trend nutzen Marketingexperten.
"Eine höhere Proteinzufuhr geht mit einer höheren Sättigung einher", erklärt Gahl. Zudem ist es ein wichtiger Baustoff für Zellen und Gewebe und auch für den Aufbau von Muskulatur.
Allerdings sei hierzulande in der Normalbevölkerung ein Proteinmangel selten ein Problem: "Protein ist wirklich in sehr vielen Lebensmitteln enthalten", erklärt Expertin Gahl. Drei bis vier Scheiben Vollkornbrot, ein Viertelliter Milch, ein kleiner Becher Joghurt, eine Portion Kartoffeln und ein Stück Fisch - damit komme man auf 60 Gramm Protein. Das sei etwas mehr als ein erwachsener Mann im Schnitt überhaupt brauche. Bei einer 60 Kilogramm schweren Frau seien es nur 48 Gramm.
Sind Extraproteine dann überhaupt nötig? "Nein", sagt Gahl. Selbst für einen Breitensportler, der vier- bis fünfmal pro Woche eine halbe Stunde Sport treibe, reiche die empfohlene Durchschnittsmenge Eiweiß. Eine Extraportion schade aber sicherlich auch nicht."
Es kann jedoch auch ein Zuviel des Guten geben: "Es gibt Studien, nach deren Ergebnissen eine dauerhaft erhöhte Proteinzufuhr die Nieren schädigen kann", erklärt Gahl. "Protein besteht aus verschiedenen Aminosäuren und das Abbauprodukt im Körper ist Harnsäure." Dieses Plus an Harnstoff müssen die Nieren bewältigen.
Eine Studie unter Führung des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung zeigte vor einigen Jahren zudem, dass zu viel Eiweiß Übergewichtige schlechter auf Insulin reagieren lässt. Eine übermäßige Proteinzufuhr über einen längeren Zeitraum kann sich daher auch auf das Diabetesrisiko auswirken.
Und Produkte, die schon von Haus aus nicht gesund sind, werden es mithilfe von Protein wohl auch nicht. "Ganz absurd ist das bei Schokoriegeln", betont Gahl. Mittlerweile gibt es die Riegel als Proteinvariante zu kaufen. Gahl: "Man sollte seinen Proteinbedarf nicht über Schokolade decken."
Quelle: Ärzte Zeitung