Reizdarmsyndrom: Diäten wirksamer als Medikamente

(kib) Einige Patientinnen und Patienten mit Reizdarmsyndrom profitieren von Diäten, andere von medikamentösen Therapien, aber nur wenige Studien haben diese Behandlungsmöglichkeiten miteinander verglichen. Nun liegen Ergebnisse einer schwedischen Studie vor, die genau das getan hat.

von Dr. Nicola Zink
05.08.2024

Mann mit schmerzhaft verzerrtem Gesicht sitzt auf dem Sofa und hält sich den Bauch
© Foto: urbazon / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)
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Bei Reizdarmsyndrom (RDS) scheinen Diäten, wie etwa die FODMAP-arme oder die kohlenhydratreduzierte Ernährung, effektiver als eine medikamentöse Therapie zu sein. Das hat eine Studie aus Schweden ergeben, die die drei Therapieoptionen im direkten Vergleich analysierte.

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Die Studie

Die Forschenden aus Schweden um Sanna Nybacka von der Sahlgrenska Academy der Universität Göteborg haben im Rahmen ihrer Studie drei Gruppen von RDS-Therapieoptionen unter randomisierten kontrollierten Bedingungen miteinander verglichen.

Gruppe 1: Diät mit niedrigem Gehalt an fermentierbaren Oligosacchariden, Disacchariden, Monosacchariden und Polyolen (FODMAP) plus Empfehlungen zur Ernährung vom britischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE)

Die FODMAP-arme Diät schränkt die Aufnahme kurzkettiger Kohlenhydrate ein, die schlecht verdaulich und osmotisch aktiv sind. Zu den NICE-Empfehlungen gehören regelmäßige  Mahlzeiten, Zeitnehmen zum Essen und eingeschränkter Konsum von Kaffee, Tee, kohlensäurehaltigen Getränken, Alkohol und Vollkornprodukten.

Gruppe 2: Kohlenhydratarme, protein-, fett- und ballaststoffreiche Diät  (durchschn. KH-Zufuhr 50 g/d)

Die Ernährung basierte auf Gemüse und Beeren und enthielt Milchprodukte, Fisch, Schalentiere, Eier, Huhn, Schweine- und Rindfleisch.

Gruppe 3: individuelle medikamentöse Therapie, ausgerichtet an dem dominierenden Symptom der jeweiligen Patientinnen und Patienten

Insgesamt 294 Probandinnen und Probanden über 18 Jahre mit mittelgradigem bis schwerem RDS wurden zu gleichen Teilen den drei Gruppen zugeteilt. 82 Prozent der Teilnehmenden waren Frauen, das Durchschnittsalter lag bei 38 Jahren.

Relevante Abnahme der Symptome

Primäres Augenmerk war der Anteil der Probandinnen und Probanden, die nach vier Wochen auf die Behandlung ansprachen, das heißt, eine Verringerung der Symptome laut des Irritable Bowel Syndrome Severity Scoring System (IBS-­SSS) um 50 Punkte oder mehr aufwiesen, was als klinisch relevante Symptomreduzierung gilt.

Mit der IBS-SSS wird der Schweregrad der RDS-Symptome in fünf Bereichen bewertet: Schmerzstärke, Schmerzhäufigkeit, Schweregrad der Blähungen, Unzufriedenheit mit den Stuhlgewohnheiten und Beeinträchtigung des täglichen Lebens (jeweils 0 – 100 Punkte).

Beide Diäten verbesserten die Stuhlkonsistenz nach vier Wochen signifikant im Vergleich zur medikamentösen Therapie. 

Anhaltender Effekt der Diäten

Es zeigte sich, dass die beiden diätetischen Interventionen die medikamentöse Behandlungsoption übertrafen: Nach vier Wochen Therapie kam es bei 76 Prozent der Teilnehmenden in der FODMAP-Diät-Gruppe, bei 71 Prozent in der Gruppe mit kohlenhydratarmer Ernährung und bei 58 Prozent in der Gruppe mit optimierter medikamentöser Behandlung zu einem Rückgang des IBS-SSS um 50 Punkte oder mehr im Vergleich zum Ausgangswert.

Die mittlere Veränderung des IBS-SSS fiel mit −149 in Gruppe 1 und −128 in Gruppe 2 deutlich größer aus als in Gruppe 3 mit −76. In allen drei Gruppen waren die fünf Bereiche des IBS-SSS nach vier Wochen im Vergleich zum Ausgangswert signifikant reduziert.

Bei den unterschiedlichen Subtypen des RDS wurden in keiner der Gruppen signifikante Unterschiede festgestellt. In Gruppe 3 sprachen beim Vergleich der Patientinnen und Patienten mit verschiedenen vorherrschenden Symptomen alle gleich gut an.

Beide Diäten verbesserten die Stuhlkonsistenz nach vier Wochen signifikant im Vergleich zur medikamentösen Therapie. Die FODMAP-Diät plus NICE-Empfehlungen verringerte vor allem die Häufigkeit von weichem Stuhl, während die kohlenhydratarme Diät die Frequenz von hartem Stuhlgang reduzierte.

Mehr Lebensqualität

Die Lebensqualität sowie die Werte der Hospital Anxiety and Depression(HAD)-Skala steigerten sich in allen Gruppen im Vergleich zum Ausgangswert signifikant. Die Verbesserungen bei der Schwere der Symptome nach vier Wochen hielten in beiden Diätgruppen während der sechsmonatigen Nachbeobachtungszeit weitgehend an, wobei keine Unterschiede zwischen den beiden Diäten festgestellt wurden.

Im Allgemeinen gab es keine nennenswerten Vergleiche zwischen den beiden Diätgruppen bezüglich Verbesserung der Symptome, Einhaltung der Diät, Patientenzufriedenheit oder unerwünschten Ereignissen.

„Durch die anhaltenden positiven Wirkungen diätetischer Maßnahmen können sie als erste Wahl bei der Behandlung des Reizdarmsyndroms in Betracht gezogen werden“, so das Team um Nybacka. Bei dieser Entscheidung müssen jedoch verschiedene Faktoren abgewogen werden, zum Beispiel die Präferenzen der Patientinnen und Patienten, Kosten, Machbarkeit, Compliance und mögliche langfristige Nebenwirkungen, einschließlich Auswirkungen auf den Ernährungszustand und das Darmmikrobiom.

Ernährungsberatung angeraten

Auch für die drei Autoren eines Kommentars (Uday C. Ghoshal, Uzma Mustafa, Mahesh K. Goenka, vom Institute of Gastrosciences and Liver Transplantation, Apollo Multispeciality Hospitals in Kalkutta) ist die wichtigste Schlussfolgerung aus dieser Studie, dass Ernährungsinterventionen das Potenzial haben, als Erstbehandlung für das Reizdarmsyndrom infrage zu kommen. 

Sollte eine restriktive Diät, wie die FODMAP-arme Ernährung, die Patientinnen und Patienten überfordern, wäre die ebenso wirksame kohlenhydratarme, protein- und fettreiche und ballaststoffoptimierte Diät, die weniger restriktiv ist, eine Alternative.

Die drei Autoren sehen jedoch auch Einschränkungen durch die Diäten, dazu gehören die beeinträchtigte Ernährung, Auswirkungen auf das Darmmikrobiom, Schwierigkeiten bei der Integration in eine vegetarische Ernährung, die Entwicklung einer vermeidend-restriktiven Ernährungsstörung („avoidant-restrictive food intake disorder“, ARFID) sowie soziale und psychologische Auswirkungen.

Außerdem geben sie zu bedenken, dass die Diäten teilweise Trigger-Lebensmittel für die jeweiligen Patientinnen und Patienten enthalten können, mit denen eine restriktive Diät unnötig und unwirksam sei.

Es müsse immer ein Gleichgewicht zwischen diätetischen Maßnahmen und Pharmakotherapie gefunden werden, so die Kommentatoren. Vor der Durchführung einer restriktiven Diät sollte deshalb auch eine Ernährungsberatung stattfinden, die die primäre Ernährung gründlich bewertet.

Quelle: Ärzte Zeitung

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