Schimpansen betreiben Selbstmedikation

(kib) Wild lebende Schimpansen nutzen gezielt Pflanzen, um Krankheiten und Verletzungen zu heilen. Das zeigt eine Studie, für die ein Forscherteam Schimpansen im Budongo Regenwald in Uganda beobachtete.

09.08.2024

Kato, ein wildlebender Schimpanse aus der Sonso-Gemeinschaft im Budongo-Wald (Westuganda)
© Foto: Elodie Freymann / IDW
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Die Studie wurde unter Leitung der Hochschule Neubrandenburg und der Universität Oxford durchgeführt. Die Forschenden beobachteten 51 Schimpansen und testeten 17 Pflanzenarten auf ihre entzündungshemmenden und antibakteriellen Eigenschaften.

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Ziel der Studie

Die Forschenden wollten feststellen, ob Schimpansen sich selbst behandeln, indem sie absichtlich nach Pflanzen mit Eigenschaften suchen, die ihnen bei ihren spezifischen Beschwerden helfen. Oder aber, ob sie Pflanzen, die zufällig medizinisch wirken, passiv konsumieren.

Dazu kombinierten sie Verhaltensbeobachtungen an wild lebenden Schimpansen (Pan troglodytes) mit pharmakologischen Tests der potenziell medizinischen Pflanzen, die die Primaten in ungewöhnlichen Situationen konsumieren. Sie beobachteten das Verhalten und die Gesundheit der Schimpansen aus zwei Gemeinschaften im tropischen Budongo Regenwald in Uganda.

Anschließend sammelten sie 17 Proben von 13 Baum- und Kräuterarten aus dem Regenwald, von denen sie annahmen, dass die Schimpansen sie zur Selbstmedikation verwenden könnten. Dazu gehörten Pflanzen, die zuvor von kranken oder verletzten Schimpansen gefressen oder aufgetragen wurden, die aber nicht zu ihrer normalen Ernährung gehörten.

Die Pflanzenproben wurden dann an der Hochschule Neubrandenburg auf ihre entzündungshemmenden und antibiotischen Eigenschaften getestet, unter anderem gegen klinische Isolate antibiotikaresistenter Bakterienstämme. Insgesamt wurden 53 Extrakte hergestellt und in vitro auf eine pharmakologische Wirkung untersucht.

Bakteriostatisch und entzündungshemmend

Das Forscherteam fand heraus, dass 88 Prozent der Pflanzenextrakte das Bakterienwachstum hemmten, während 33 Prozent entzündungshemmende Eigenschaften aufwiesen.

Das tote Holz eines Baumes aus der Familie der Hundsgiftgewächse (Alstonia boonei) zeigte die stärkste antibakterielle Wirkung und hatte auch entzündungshemmende Eigenschaften, was darauf hindeutet, dass die Schimpansen es zur Behandlung von Wunden nutzen könnten.

Interessanterweise wird Alstonia boonei auch in einigen ländlichen ostafrikanischen Dörfern als Heilpflanze zur Behandlung einer Vielzahl von krankhaften Zuständen verwendet, darunter bakterielle Infektionen, Magen-Darm-Probleme, Schlangenbisse und Asthma.

Die Rinde und das Harz des ostafrikanischen Mahagonibaums (Khaya anthotheca) und Blätter eines Farns (Christella parasitica) zeigten starke entzündungshemmende Effekte. Das Forscherteam beobachtete, wie ein männlicher Schimpanse mit einer verletzten Hand die Blätter des Farns suchte und aß, was möglicherweise zur Linderung von Schmerzen und Schwellungen beitrug.

Sie beobachteten auch, dass ein Individuum mit einer parasitären Infektion die Rinde des Katzendornbaums (Scutia myrtina) fraß, was bei den Schimpansen dieser Gruppe noch nie beobachtet worden war. Die Laboruntersuchungen ergaben, dass diese Rinde sowohl entzündungshemmende als auch antimikrobielle Eigenschaften hat.

Großes Potenzial für neue Medikamente

Die Ergebnisse sind ein überzeugender Beweis dafür, dass Schimpansen bestimmte Pflanzen aufgrund ihrer medizinischen Wirkung nutzen. Die Studie ist die nach eigenen Angaben bisher gründlichste Analyse, die sowohl verhaltensbiologische als auch pharmakologische Belege für den medizinischen Nutzen des Verzehrs von Rinde und Totholz für wildlebende Schimpansen kombiniert.

Vor dem Hintergrund, dass sowohl antibiotikaresistente Bakterienstämme als auch chronische Entzündungskrankheiten schon heute eine große Bedrohung für die globale Gesundheit sind, sieht das Forscherteam in der Heilpflanzen- und Wirkstoffsuche im Budongo Regenwald großes Potenzial für die Entwicklung neuer Medikamente.

Quelle: IDW

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