Start der Pilzsaison: Tödliche Doppelgänger

Im September erreicht das Pilzjahr seinen Höhepunkt. Die große Vielfalt an Wildpilzen, die dann zu finden ist, lädt zum Sammeln ein. Doch Vorsicht! Nur Kenner sollten sich in den Wald wagen, denn manch giftiger Vertreter sieht einem essbaren zum Verwechseln ähnlich. Im schlimmsten Fall kann eine Pilzmahlzeit tödlich enden.

von Beate Ebbers
23.08.2018

Pilz mit Totenkopf
© Foto: Pilz: Uwe Wittbrock / panthermedia.net, Totenkopf: liotru/ shutterstock.com
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Schätzungen zufolge vergiften sich hierzulande mehrere hundert Menschen pro Jahr mit Pilzen. Von den etwa 150 existierenden Giftpilzen führen 20 bis 30 zum Tode, wenn nicht rechtzeitig ärztliche Hilfe aufgesucht wird. Die meisten Pilzvergiftungen beschränken sich jedoch auf Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfälle, die allerdings heftig ausfallen und tagelang anhalten können.

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Vergiftung oder Unverträglichkeit?

Nicht jedes Unwohlsein nach einer Pilzmahlzeit lässt auf eine Vergiftung schließen. Wegen ihres Gehaltes an dem unverdaulichen Polysaccharid Chitin liegen nahezu alle in größeren Mengen gegessenen Pilze schwer im Magen. Überalterte oder verdorbene Speisepilze gehen ebenfalls mit Symptomen einher, die einer echten Pilzvergiftung ähneln.

Die meisten Wildspeisepilze sind, anders als zum Beispiel Zuchtchampignons, nur gegart verträglich; roh genossen sind sie giftig. Verantwortlich sind hitzelabile Inhaltsstoffe, die den Magen-Darm-Trakt reizen, sowie Hämolysine, welche rote Blutkörperchen auflösen und zu einer Anämie (Blutarmut) führen können. Da sie durch Erhitzen zerstört werden, sollten Wildspeisepilze mindestens zehn bis 15 Minuten gegart werden.

Zu den Giftpilzen zählen diejenigen Vertreter, die hitzestabile Toxine enthalten, welche den Magen-Darm-Trakt, innere Organe oder das Nervensystem schädigen.

Keine besonderen Kennzeichen

Ein angelaufener Silberlöffel im Kochwasser – dieser früher weit verbreitete Glaube, so einen Giftpilz erkennen zu können, gehört ins Reich der Ammenmärchen. Schneckenfraß, Insekten- oder Madenbefall und andere angebliche Zeichen sind ebenfalls kein Indiz für einen essbaren Pilz. Denn für den Menschen giftige Pilze können für Tiere durchaus unschädlich sein.

Auch der Spruch „hohler Stiel gleich giftig, voller Stiel gleich essbar“ stimmt nicht, wie man an den vollen Stielen der giftigen Schleierlingsarten (Cortinarius ssp.) sieht.

Die Annahme, nur Pilze mit Lamellen auf der Unterseite seien giftig, ist ebenso falsch. Denn auch unter den Hutträgern mit Röhrenfutter (Schwamm) gibt es giftige Vertreter. Eine Regel, essbare Pilze von giftigen zu unterscheiden, gibt es also nicht. Schutz bietet nur, die Art genau zu kennen.

Sicher sammeln

Lediglich mit einem Bestimmungsbuch gewappnet, sollte sich kein Anfänger zum Sammeln aufmachen. Zu leicht wird ein Speisepilz mit seinem giftigen Doppelgänger verwechselt. Pilzvereine, Volkshochschulen oder Pilzsachverständige geben ihr Wissen in Kursen weiter. Nur Pilze, die zweifelsfrei bestimmt werden können, gehören in den Sammelkorb. Nasse, zerfressene oder unappetitlich aussehende sollten stehen gelassen werden. Pilze werden am besten in luftigen Körben transportiert. In Plastiktüten verderben sie schnell. Wer unsicher ist, lässt sich von einem Sachverständigen in den Korb gucken.

Diese Pilze sollten Sie meiden

Amatoxinhaltige Pilze

Über 90 Prozent der zum Tode führenden Vergiftungen gehen auf das Konto des Grünen oder Weißen Knollenblätterpilzes (Amanita phalloides bzw. verna). Verantwortlich sind Amatoxine. Die langsam wirkenden Gifte hemmen die Proteinbiosynthese und führen zu Leberversagen. Amatoxine werden weder durch Kochen oder Trocknen noch durch Verdauungsenzyme zerstört. Ihre Toxizität ist hoch. Für einen 70 Kilogramm schweren Menschen reicht mitunter ein einziger Pilz für eine tödliche Vergiftung aus. Am häufigsten werden Knollenblätterpilze mit Champignons (Agaricus ssp.) verwechselt. Ein giftiger Doppelgänger des essbaren Stockschwämmchens (Kuehneromyces mutabilis) ist der Nadelholzhäubling (Galerina marginata), auch Gifthäubling genannt. Er ist ebenfalls, wie einige Vertreter der Giftschirmlinge (Lepiota spp.), amatoxinhaltig.

Fliegenpilz und Pantherpilz

Der Fliegenpilz (Amanita muscaria) ist der bekannteste Giftpilz. Dass er mit seinem roten Hut und den weißen Punkten leicht zu erkennen ist, stimmt nicht immer. Die hellen Tupfer können von intensivem Regen abgewaschen werden. Der Pantherpilz (Amanita pantherina) wird häufig mit dem essbaren Perlpilz (Amanita rubescens) verwechselt. Fliegen- und Pantherpilz verursachen das Pantherina-Syndrom mit halluzinogenen und zentralnervösen Beschwerden wie Sprachstörungen, Koordinationsstörungen der Bewegungen, Sehstörungen, motorischer Unruhe und Verwirrung, die oft von Erbrechen begleitet werden. Die auslösenden Gifte sind Ibotensäure und das wirksamere Muscimol, welches sich beim Kochen, Trocknen und Lagern der Pilze aus der Ibotensäure bildet.

Faltentintling

Coprinus atramentarius entpuppt sich erst auf den zweiten Blick als Giftpilz. Nur in Verbindung mit Alkohol, auch Tage nach der Pilzmahlzeit, kommt es bei ihm und anderen Pilzen der Tintlingsgruppe zum Coprinus-Syndrom. Dieses zeichnet sich durch Hautrötungen, Kopf- und Herzschmerzen aus, bei schweren Verläufen auch durch Atemnot, Schwäche und Verwirrtheit. Die Pilze enthalten Coprin, welches erst beim Kochen in das biologisch wirksame 1-Amino-Cyclopropanol umgewandelt wird. Dieses ist hauptsächlich für die toxische Wirkung verantwortlich. Es hemmt die Acetaldehyd-Dehydrogenase. Acetaldehyd reichert sich an und bewirkt die genannten Vergiftungssymptome. Es wird davon ausgegangen, dass roh gegessene Faltentintlinge kein Coprinus-Syndrom auslösen. Der Faltentintling wird häufig mit dem essbaren Schopftintling (Coprinus comatus) verwechselt.

Kahler Krempling

In früheren Zeiten galt der Kahle Krempling (Paxillus involutus), roh verzehrt, als Verursacher von Magen-Darm-Problemen, gegart aber als genießbar. Heute ist bekannt, dass sich bei einzelnen Menschen beim erstmaligen Verzehr Antikörper vom Immunglobulin-G-Typ bilden, die dann bei einer späteren Kremplingsmahlzeit zum Auflösen der roten Blutkörperchen (Hämolyse) mit anschließendem Blutdruckabfall und Nierenversagen führen können. Dieses Paxillus-Syndrom wird durch ein bislang unbekanntes Antigen ausgelöst. Orangefuchsiger und spitzbuckliger Rauhkopf Diese und andere Schleierlinge (Cortinarius ssp.) lösen das Orellanus-Syndrom aus, bei dem es zwei bis 20 Tage nach der Mahlzeit zum Nierenversagen kommt. Verantwortlich sind die Mykotoxine Orellanin und Orellinin, die unter anderem Enzyme und die Proteinbiosynthese hemmen.

Frühjahrslorchel

Gyromitra esculenta wird oft mit Speisemorcheln verwechselt. Entgegen häufiger Behauptung, dass der Frühjahrslorchel nach Abkochen essbar sei, ist er sowohl roh als auch gegart hoch giftig. Selbst Kochdämpfe rufen das Gyromitra-Syndrom mit Krämpfen, Leberschäden und Koma hervor. Das verantwortliche Toxin ist Monomethylhydrazin, welches im Körper aus dem Inhaltsstoff Gyromitrin entsteht. Es hemmt die Wirkung von Vitamin B6 im Zentralnervensystem und in der Leber.

Regionale Giftnotrufnummern

Baden-Württemberg

Vergiftungs-Informations-Zentrale an der Universitätsklinik Freiburg: 0551.192 40 

Bayern
Giftnotruf der II. Medizinischen Klinik rechts der Isar in München: 089.192 40

Berlin, Brandenburg
Giftnotruf der Charité Universitätsmedizin Berlin: 030.192 40

Hessen, Rheinland-Pfalz
Giftinformationszentrum an der Universitätsmedizin in Mainz: 06131.192 40 und 06131.23 24 66

Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen
Giftinformationszentrum im Helios Klinikum Erfurt: 0361.730 730

Nordrhein-Westfalen
Informationszentrale gegen Vergiftungen im Universitätsklinikum Bonn: 0228.192 40 und 0228. 287 332 11

Saarland
Informations- und Beratungszentrum der Universitätsklinik Homburg/Saar: 06841.192 40

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