STIKO: Auch Jungen gegen HPV impfen

Im Interview erklärt Professor Dr. Dr. h.c. mult. Harald zur Hausen, wie die humanen Papillomaviren (HPV) effektiv eingedämmt werden können. Der Medizin-Nobelpreisträger aus dem Jahre 2008 ist Wegbereiter der HPV-Impfung und war von 1983 bis 2003 Vorsitzender des Stiftungsvorstandes des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ).

20.08.2018

Nobelpreisträger Prof. Harald zur Hausen
© Foto: DKFZ / T. Schwerdt
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Herr Professor zur Hausen, die Ständige Impfkommission (STIKO) des Robert Koch-Instituts wird am 23. August die HPV-Impfung auch für Jungen empfehlen. Die Fachwelt begrüßt allgemein die Entscheidung, Sie sind wahrscheinlich erleichtert, denn Sie raten schon lange dazu.

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Zur Hausen: Ja, diese Empfehlung war überfällig, um Gebärmutterhalskrebs wirkungsvoll einzudämmen, denn auch Männer übertragen effektiv die Viren auf ihre Geschlechtspartnerinnen. Aufgrund der Daten gehen wir davon aus, dass 70 bis 80 Prozent der sexuell aktiven Bevölkerung im Laufe dieser Lebensphase mit Hochrisikovirus-Typen infiziert werden. In fast allen Kulturen haben die jungen Männer mehr Sexualpartner als Frauen der gleichen Altersgruppe.

 

Profitieren denn die Männer selbst auch von der Impfung?

Zur Hausen: Ja, eindeutig. Die gleichen Typen humaner Papillomaviren, die Gebärmutterhalskrebs auslösen können, sind auch am Entstehen von Tumoren im Mund-Rachenraum sowie im Analbereich und am Penis beteiligt. Einer der beiden HPV-Impfstoffe schützt zudem vor den Viren, die Genitalwarzen hervorrufen. Die sind zwar nicht bedrohlich, aber unangenehm und hartnäckig.

 

Sind viele Menschen gegen ein Virus immunisiert, kann eine weitere Ausbreitung der Infektion verhindert werden. Wie hoch müsste die Durchimpfungsrate bei HPV sein, um eine solche Herdenimmunität zu erreichen?

Zur Hausen: Bei HPV schätzen wir, dass etwa 80 Prozent aller Jugendlichen geimpft sein müssen, um die Infektionskette zu durchbrechen. Tatsächlich sind es aber bisher in den meisten Bundesländern weniger als 40 Prozent der Mädchen.

 

Die Impfung wurde 2006 eingeführt. Welche Belege haben wir inzwischen für ihre Wirksamkeit?

Zur Hausen: Wir wissen aus Ländern wie Australien, dem Vereinigten Königreich, den Niederlande sowie den skandinavischen Ländern, die dank Schulprogrammen hohe Immunisierungsraten erreicht haben, dass die Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs deutlich zurückgehen. Nach einer HPV-Infektion dauert es 15 bis 30 Jahre, bis nach Infektion und Vorstufe Gebärmutterhalskrebs auftritt. Wir können also erst in etwa fünf bis zehn Jahren erkennen, ob durch die Impfung auch deutlich weniger Gebärmutterhalskrebs auftritt.

 

Wie lange hält der Impfschutz an? Ist es sinnvoll, die Antikörperspiegel zu kontrollieren, und wird eine Boosterung notwendig sein?

Zur Hausen: Das ist noch nicht klar. Wir wissen, dass der Impfschutz jetzt seit zwölf Jahren mit weit gehend unveränderten Titern anhält und gehen davon aus, dass er noch eine Reihe von weiteren Jahren halten wird. Möglicherweise wird dann eine weitere Impfung als Booster sinnvoll sein.

 

Wie lauten die Empfehlungen anderer Länder zur HPV-Impfung?

Zur Hausen: Viele westliche Länder, wie Österreich, das Vereinigten Königreich und Skandinavien, empfehlen eine ähnliche Vorgehensweise. Doch dank Schulprogrammen haben diese Länder höhere Impfraten als wir – mit einer Ausnahme: In Südhessen informiert eine Initiative des Sozialministeriums in Zusammenarbeit mit den Schulen über das Risiko einer HPV-Infektion und den Nutzen einer Impfung. Dabei zeigt sich erfreulicherweise, dass das Interesse der Jugendlichen an diesem Thema enorm ist.

 

Sie sehen deutliche Defizite an der bisherigen Impfquote. Was wünschen Sie sich von Berufsgruppen im Gesundheitswesen, wie den Apothekern und PTA?

Zur Hausen: Ich wünsche mir in erster Linie, dass alle diese Berufe gut über die HPV-Infektion, ihre Risiken und die präventive Impfung Bescheid wissen und ihr Wissen weitergeben. Leider sehen wir jedoch auch immer wieder, dass selbst eine Reihe von Ärzten noch unzureichend informiert ist. Hier sehe ich noch großen Nachholbedarf bei der Fortbildung.

Das Interview führte Hannelore Gießen

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