Süße Oasen im Meer
Mikroben lieben Zucker: Er ist leicht verdaulich und steckt voller Energie. Und so verbrauchen Mikroben normalerweise blitzartig jeden frei verfügbaren Zucker. Warum aber vernaschen die zahlreichen Mikroorganismen in der Seegras-Rhizosphäre die Saccharose nicht?
Dieser Frage gingen Forschende des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie nach. Sie fanden heraus, dass Seegräser Phenole freisetzen. Diese verderben den Mikroben die Nascherei. Denn sie wirken antimikrobiell und hemmen den Stoffwechsel der meisten Mikroorganismen.
So ist es möglich, dass der Zucker unter den Seegraswiesen vergraben bleibt und nicht in Kohlendioxid umgewandelt und wieder in den Ozean und die Atmosphäre freigesetzt wird. Das ist ein wichtiger Aspekt mit Blick auf den Klimawandel. Denn ein Quadratkilometer Seegras speichert fast doppelt so viel Kohlenstoff wie Wälder an Land, und das 35-mal so schnell, berichten die Forscher in einer Mitteilung.
Spezialisten nutzen die Zucker unter dem Seegras
Warum produziert das Seegras aber so viel Zucker, nur um ihn dann wieder abzugeben? Das erklären die Wissenschaftler so: „Das Seegras produziert den Zucker während der Photosynthese. Unter durchschnittlichen Lichtverhältnissen verwenden die Pflanzen den Großteil dieses Zuckers für ihren eigenen Stoffwechsel und ihr Wachstum. Aber bei sehr starkem Licht, zum Beispiel zur Mittagszeit oder im Sommer, produzieren sie mehr Zucker als sie verbrauchen oder speichern können. Dann geben sie die überschüssige Saccharose in ihre Rhizosphäre ab. Es ist quasi ein Überlaufventil“.
Verblüffenderweise gedeiht eine kleine Gruppe mikrobieller Spezialisten trotz der schwierigen Bedingungen, heißt es in der Mitteilung weiter. Hier vermuten die Forscher, dass diese Spezialisten nicht nur in der Lage sind, Saccharose zu verdauen und Phenole abzubauen, sondern auch dem Seegras nutzen – indem sie Nährstoffe produzieren, die es zum Wachsen braucht, etwa Stickstoff. „Solche vorteilhaften Beziehungen zwischen Pflanzen und Mikroorganismen in der Rhizosphäre kennen wir gut von Landpflanzen. Aber wir fangen gerade erst an, die innigen und komplizierten Wechselwirkungen von Seegräsern mit Mikroorganismen in der marinen Rhizosphäre zu verstehen.“
Wichtige, gefährdete Lebensräume
Seegraswiesen gehören zu den am stärksten bedrohten Lebensräumen unseres Planeten. „Große Mengen an gespeichertem Kohlenstoff würden freigesetzt, wenn die Seegraswiesen weiter abnehmen. Die Forschungsarbeiten zeigen dabei deutlich: Nicht nur das Seegras selbst, sondern auch die großen Mengen an Saccharose unter den lebenden Seegraswiesen müssen dabei bedacht werden.
Den Berechnungen der Wissenschaftler zufolge würden weltweit bis zu 1.540.000 Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangen, wenn die Saccharose in der Seegras-Rhizosphäre durch Mikroben abgebaut würde. „Das entspricht etwa der Menge an Kohlendioxid, die 330.000 Autos in einem Jahr ausstoßen.“
Quelle: IDW