Tiktok-Videos verzerren Wahrnehmung von ADHS

(kib) Rund die Hälfte der 100 am weitesten verbreiteten TikTok-Videos zur Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) weist gravierende inhaltliche Mängel bei der Darstellung von Symptomen und Behandlungsansätzen auf. Das zeigt eine aktuelle Studie.

24.03.2025

Viele Icons und Symbole umschwirren ein Smartphone, dass eine Person in der Hand hält.
© Foto: ra2 studio / stock.adobe.com
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Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Department of Psychology der University of British Columbia untersuchten die beliebtesten Videos, die Nutzerinnen und Nutzern unter dem Schlagwort #ADHD (Attention Deficit Hyperactivity Disorder) vorgeschlagen werden. 

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Diese waren im Schnitt 38,3 Sekunden lang, wurden rund fünfeinhalb Millionen Mal angeklickt und knapp eine Million Mal gelikt, berichtet die Deutsche Presseagentur dpa. Die Videos wurden im Rahmen der Studie zwei klinischen Psychologen gezeigt, die sie auf ihre inhaltliche Richtigkeit hin überprüften.

In einer zweiten Studie wurden 843 Personen die fünf am besten und am schlechtesten bewerteten Videos aus der ersten Studie gezeigt. Unter den Teilnehmenden befanden sich Personen mit einer offiziellen ADHS-Diagnose, Personen mit einer Selbstdiagnose und Personen ohne Diagnose.

Fehlende Quellen

Von 98 ausgewerteten Videos thematisierten 92 ausschließlich Aussagen zu den Symptomen von ADHS, berichtet die Ärzte Zeitung. Nur wenige gingen auf die Therapie ein.

51,3 Prozent der gezeigten Symptome wurden von den klinischen Psychologen als Nicht-ADHS-Symptome bewertet. 68,5 Prozent stellten eher normale menschliche Erfahrungen dar, 42 Prozent könnten bei mehreren Störungen auftreten und 18,2 Prozent seien eher typisch für eine andere Störung.

Von den Behandlungsinformationen stimmen etwas mehr als die Hälfte mit empirisch belegten Empfehlungen überein. In 93,9 Prozent der Videos gab der Ersteller der Inhalte jedoch keine Quelle für seine Behauptungen an.

Nur 20,4 Prozent gaben ihre Referenzen im Video an, 36,7 Prozent nannten sie in ihrem TikTok-Profil. Von denjenigen, die ihre Referenzen nannten, gaben 83,6 Prozent an, Lebenserfahrung zu haben, 13,1 Prozent gaben an, Life Coach zu sein, 1,6 Prozent gaben an, Therapeut oder Berater zu sein (ohne Angabe des Lizenzstatus), und 1,6 Prozent gaben an, ein lizenzierter Anbieter psychosozialer Dienstleistungen zu sein.

Die Ergebnisse der zweiten Studie deuten darauf hin, dass im Allgemeinen die qualitativ besseren Videos auch von den Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern so eingeschätzt werden, wenn auch weniger deutlich als von den Fachleuten.

Prävalenz wird überschätzt

Durch die Videos könne sich die Wahrnehmung vermeintlich passender eigener Symptome verstärken, sagte die Unterhaltungsforscherin Kathrin Karsay, Assistenzprofessorin an der Universität Wien,  der dpa zufolge. „Alltägliche Schwierigkeiten werden dann möglicherweise vorschnell als Symptome interpretiert."

Auch setze sich der Eindruck fest, dass ADHS weit verbreitet sei, „selbst wenn die tatsächliche Prävalenz geringer ausfällt". Diese liegt bei Kindern und Jugendlichen bei etwa fünf Prozent, bei Erwachsenen zwischen zwei und drei Prozent.

Quelle: Ärzte Zeitung / dpa

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