Tod durch Erfrischungsgetränk

(kib) In Maßen genossen, ist Tonic Water unbedenklich. In zu hoher Menge und in Kombination mit Loperamid kann das chininhaltige Erfrischungsgetränk jedoch tödlich sein, zeigt ein Fallbeispiel.

20.08.2024

Drei gekühlte Flaschen mit Limonade
© Foto: Brent Hofacker / stock.adobe.com
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Eine 25-jährige, gesunde Patientin entwickelte im Hochsommer einen gastrointestinalen Infekt mit Erbrechen, Diarrhö und starken abdominellen Schmerzen. Der ärztliche Notdienst rezeptierte Loperamid in gängiger Dosierung.

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Die Patientin nahm dann 600 Milligramm Ibuprofen gegen die Schmerzen und zwei Tabletten Loperamid à zwei Milligramm ein. Da die Beschwerden anhielten, nahm sie später erneut zwei Milligramm Loperamid. Im Verlauf der Nacht wurde sie müde und schlief ein. 30 Minuten später fand ihr Partner sie nicht mehr erweckbar und im Erbrochenen liegend vor. Daraufhin alarmierte er umgehend den Rettungsdienst.

2,5 Liter Tonic Water

Die erweiterte Diagnostik ergab erhöhte Werte für Chinin und Loperamid. Es konnte aber kein Spiegel bestimmt werden. Anamnestisch stellte sich heraus, dass die Patientin gerne chininhaltiges Tonic Water trank. Dies hatte sie allein am Vortag in einer Menge von 2,5 Litern zu sich genommen.

Eine erneute CT-Diagnostik am nächsten Tag bestätigte den Befund eines hypoxischen Hirnschadens.

Chinin als Auslöser

Nach sorgfältiger Anamnese wurden organische Ursachen für das Koma ausgeschlossen. Aufgrund fehlender anderweitiger pathologischer Befunde gingen die Ärztinnen und Ärzte nach der Primärdiagnostik von einer Intoxikation aus. Die einzige von der Patientin eingenommene opioidartige Substanz war Loperamid.

Dieses Medikament wirkt zunächst peripher, passiert dann wie alle anderen Opiate die Blut-Hirn-Schranke gut. Da Loperamid aber als Substrat üblicherweise danach durch Effluxpumpen (ABC-Transporter) vom P-Glykoprotein-Typ wieder zügig aus dem Gehirn transportiert wird, entwickelt es keine beziehungsweise nur eine begrenzte zentrale Wirkung an den µ-Rezeptoren, die die üblichen Wirkungen und Nebenwirkungen von Opiatintoxikationen vermitteln.

Im vorliegenden Fall ist wahrscheinlich das P-Glykoprotein an dem tödlichen Verlauf beteiligt. Wie von Cytochrom-P450-Isoenzymen bekannt, gibt es auch bei P-Glykoproteinen zahlreiche Polymorphismen. Inhibitoren des P-Glykoproteins und damit der Effluxpumpe sind zum Beispiel Amiodaron, Azithromycin, Captopril, Clarithromycin, Ciclosporin, Piperin, Quercetin, Chinidin, Ketoconazol, Reserpin, Ritonavir, Tariquidar und Verapamil. Und ebenso Chinin.

Chininhaltige Limonaden wie Tonic Water enthalten in einem Liter 60 bis 80 Milligramm Chinin. Eine geeignete Chinindosis zur Hemmung der Effluxpumpe liegt bereits bei 200 Milligramm. Nachweislich hatte die Patientin vor Symptombeginn über den Tag verteilt mindestens 2,5 Liter Tonic Water mit einem Chiningehalt von 68 Milligramm pro Liter zu sich genommen.

Das entspricht einer Gesamtmenge von circa 170 Milligramm Chinin und reicht bereits aus, die Effluxpumpe zu hemmen. Es ist beschrieben, dass in Kombination mit P-Glykoprotein-Inhibitoren ausgeprägte Opiatwirkungen bereits ab einem Milligramm Loperamid auftreten können. Das vom ärztlichen Notdienst verordnete Loperamid wurde in einer Menge von sechs Milligramm eingenommen. 

Quelle: Springermedizin.de, Originalartikel erschienen in: NeuroTransmitter | Ausgabe 6/2024

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