Trauma-Killer Betablocker

(tm/kib) Schon lange wird der Betablocker Propranolol als chemische Löschtaste für traumatische Erinnerung gehandelt – bislang aber ohne überzeugenden Erfolg. Nun kommen Forscher zu dem Schluss, dass die Substanz eine Reaktivierungstherapie unterstützen kann.

16.02.2018

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© Foto: csy302 / Getty Images / iStock
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Bei solchen Verfahren soll das Erlebnis in einem sicheren Umfeld erneut abgerufen und neu verortet werden. Die Erinnerung wird dabei nicht gelöscht, verliert aber ihre Bedrohung in der Gegenwart, wenn es gelingt, sie klar an einen anderen Ort in der Vergangenheit zu koppeln.

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Wird in einem solchen Setting nun vor der Reaktivierung Propranolol verabreicht, könnte sich auch die Erinnerung selbst abschwächen. Darauf deutet zumindest die placebokontrollierte Studie mit 60 Patienten hin, die an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) litten.

Die Teilnehmer erhielten über sechs Wochen hinweg einmal wöchentlich eine Reaktivierungstherapie. Therapeuten baten sie in der ersten Sitzung, die schlimmsten Erlebnisse ihres Traumas im Präsens und aus der Ich-Perspektive aufzuschreiben und anschließend laut vorzulesen. Dabei sollten sie sich vorstellen, sie befänden sich mitten im Geschehen.

In den nachfolgenden Sitzungen wurden die Patienten gefragt, ob sie an ihrem Bericht etwas ändern möchten, anschließend sollten sie das Notierte erneut laut vortragen. 90 Minuten vor jeder Reaktivierung bekam die eine Hälfte der Teilnehmer Propranolol, die andere Placebo. Der Betablocker wurde in einer kurzwirksamen Formulierung mit 0,67 mg/kg KG verabreicht sowie zusätzlich in einer Retardversion mit 1,0 mg/kg KG.

Sowohl die Propranolol- als auch die placebounterstützte Reaktivierung zeigte eine hohe Effektstärke, wobei diese mit Propranolol etwas höher lag. Weit größere Unterschiede ergaben sich in der Selbstbeurteilung der Patienten: Unter Placebo (per protocol) blieb der Wert weitgehend konstant, mit Propranolol fiel er im Laufe von sechs Wochen um mehr als die Hälfte.

Sechs Monate nach der Intervention hatten sich die Werte in der Placebogruppe wieder verschlechtert und lagen fast auf dem Ausgangsniveau, dagegen waren sie in der Propranololgruppe konstant niedrig geblieben. Offenbar hatte die Therapie nur mit Propranolol einen nachhaltigen Effekt.

Ein Manko der Studie ist jedoch die hohe Abbruchrate: Nur die Hälfte aller Patienten in beiden Gruppen hielt sechs Wochen lang durch. Auch geben die Forscher zu bedenken, dass auch andere Effekte von Bedeutung sein könnten. Dennoch kommen sie zu dem Schluss: „Wie auch immer – fragt man die Betroffenen, scheint die Betablocker-unterstützte Therapie relativ gut zu wirken.“

Quelle: Ärzte Zeitung

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