Was ist aus unseren Zielen geworden?
Einige Menschen nehmen sich inzwischen zu Jahresbeginn nichts mehr vor. Sie betonen: Das, was man verändern bzw. erreichen will, kann jederzeit geschehen. Viele dagegen lieben es, Pläne aufzustellen, neue Vorhaben zu beginnen oder mit dem neuen Jahr ein neues Leben anzufangen. Im Beruf gehört es zum guten Management, Jahres-, Halbjahres- oder Quartalsziele aufzustellen und deren Erreichen zu verfolgen.
Die Trennung von Beruf und Privatleben ist allerdings oftmals nicht mehr in allen Branchen klar erkennbar. Nach dem Verlassen der Arbeitsstelle wird vieles (auch wenn nur gedanklich) weiter bearbeitet. Bei Zielsetzung und Zielerreichung lässt sich ebenfalls keine klare Grenze setzen. Bestimmte Grundsätze dabei sind für beide Bereiche, privat und beruflich, gleich.
Fallbeschreibung
Schlechte Stimmung im Pausenraum. Der Apotheker, Herr Müller, hat zum Jahresende ein Seminar beim LAV besucht und kam mit vielen neuen Ideen zurück. Unter anderem hat er kurz danach Jahresgespräche mit seinen Mitarbeitern eingeführt, bei welchen er versuchte, dem Team seine Ziele vorzugeben. Beispielsweise folgende: „In der Kasse soll immer genug Kleingeld liegen“, „Die Schublade mit Werbegeschenken soll regelmäßig aufgefüllt sein“, „Es darf zu keinen Computerabstürzen kommen“, „Die Pflegeheime sollen sofort beliefert werden“, „Sie sollen freundlicher zu den Kunden sein“, „Sie sollen neue Kunden gewinnen“, „Organisieren Sie ein paar Werbeaktionen“… usw.
Zu viele unerreichte Ziele
Die Mitarbeiter haben die ausgesprochenen Ziele zur Kenntnis genommen und sich zwar hier und da Gedanken darüber gemacht (vor allem, wenn es zu bestimmten Engpässen oder Stress-Situationen kam). Im Vergleich zum Vorjahr hat sich jedoch kaum etwas geändert. Herr Müller hat Mitarbeitergespräche zur Jahresmitte angekündigt, und so kam es dazu, dass Kollegen über die Zielerfüllung sprachen. Je mehr unerreichte Ziele erwähnt wurden, umso betrübter waren die Gesprächspartner.
Zum Thema wurden nicht nur die Vorgaben des Apothekers. Zur Sprache kamen auch nicht durchgehaltene Diäten, nicht fortgesetzte Sportprogramme und die anhaltende Abhängigkeit vom Rauchen. Die Stimmung sank wegen der Enttäuschung über die nicht erreichten Ziele, über sich selbst, über die schnell verfliegende Zeit. Solcher Frust kann jedoch bei guter Vorbereitung vermieden werden.
Ziele setzen
In der Apotheke ist meist der Vorgesetzte (Apothekenleiter, Teamleiter) verantwortlich für effiziente Zielvereinbarungen. Die Jahresziele sollen für alle Mitarbeiter klar und verständlich sein und sowohl mit ihnen besprochen als auch von ihnen akzeptiert werden. Jedes Teammitglied muss wissen, welchen Beitrag es zum Erreichen der Ziele leisten soll.
Ziele sollten nach dem bekannten Smart-Prinzip festgelegt werden.
SMART
Ziele lassen sich am besten nach dem SMART-Prinzip festlegen. Wie das genau funktioniert, lesen Sie hier.
Probleme bei der Zielsetzung
Meist werden mehrere globale Ziele festgelegt – dies ist das Hauptproblem der Zielerfüllung, denn die Ziele sollen schlüssig zusammenhängen. Es ist nicht leicht, einen beruflichen Erfolg (mit Teilzielen: Überstunden, Weiterbildungen, Engagement in Organisationen und Netzwerkpflege) mit dem privaten Ziel des entspannten und abwechslungsreichen Lebens zu vereinbaren (mit Teilzielen: viel Zeit bei Sport und Familie verbringen). Sich beide Ziele zeitlich verschoben zu setzen ist realistisch und machbar.
Genauso trügerisch wäre eine Zielsetzung, die da lautet: „Wir wollen sehr erfolgreich sein, neue Kunden gewinnen, zufriedene Kunden halten, gleichzeitig aber so wenig wie möglich arbeiten, längere Pausen haben, uns mehr ums Lager kümmern, und jeder soll auf seinem Recht bestehen und seine Interessen durchsetzen (z.B. alle Kollegen wollen in den Schulferien Urlaub machen)“.
Ziele organisieren
Bei der Zielorganisation empfiehlt sich eine vertikale Differenzierung.
Beispiel aus dem HV
Ziel:
- Die Schublade mit Werbegeschenken soll regelmäßig aufgefüllt werden.
Teilziele:
- regelmäßige Bestandskontrolle
- konkrete Termine der Bestellung der Werbegeschenke
- Evaluation der Wirksamkeit und Beliebtheit bestimmter Werbegeschenke (über ein Päckchen Papiertaschentücher freut sich inzwischen kaum jemand, diese werden jedoch immer abgegeben)
Handlungspläne und Verantwortlichkeit:
- Frau Meier kontrolliert jeden Nachmittag die Schublade mit Werbegeschenken.
- Bei Bedarf meldet sie die fehlende Menge an Frau Krüger.
- Alle Mitarbeiterinnen melden Frau Krüger, wie die Kunden auf bestimmte Werbegeschenke reagieren, und sie bestellt entsprechend die Ware.
So gelingt die Selbstmotivation
Hilfreich bei der Selbstmotivation im Prozess der Zielsetzung sind folgende Fragen:
- Hatte ich Erfolg bei ähnlichen Situationen/Vorhaben?
- „Klar, ich habe mit dem Rauchen aufgehört, dann schaffe ich es auch abzunehmen.“
- Glauben auch andere daran, dass ich das schaffe? „Meine Freunde halten mich für stark.“
- Haben andere das geschafft? „Meine Freundin Lisa geht jeden Tag schwimmen, dann schaffe ich es auch.“
- Welche Unterstützung kann ich erwarten? „Meine Eltern stehen mir immer zur Seite und werden sich um meinen Sohn kümmern, wenn ich Sport mache.“
- Wie wird meine Umwelt reagieren? „Ich kann mich auch ohne zu rauchen mit anderen unterhalten.“
Diese Fragen dienen auch dazu, Verständnis für die eigene Selbstregulation zu gewinnen. Sie beinhalten:
- Zielsetzung
- Selbstbewertung
- eigene Erwartungen
- Selbstwirksamkeit bzw. Selbstwirksamkeitserwartung
- und vor allem die Selbstkontrolle, d. h. die Fähigkeit, den eigenen Impulsen, Wünschen und gewohnheitsmäßigen Reaktionen zu widerstehen oder sie zu verändern, indem sie zum Beispiel abgeschwächt werden (Baumeister, Heatherhon, 1996.)
Ziel verfehlt – was tun?
Und was passiert, wenn die Ziele nicht erreicht wurden? Ziele, ob gemeinsam mit anderen festgelegt oder mit sich selbst ausgemacht, sind ein Wunschdenken für die Zukunft. Die Erreichung hängt nicht nur von den aktiven Protagonisten ab. Auch die Umwelt trägt zu deren Erfüllung bei.
Wichtig ist bei der neuen Zielvereinbarung, gemeinsam zu überlegen, wie und was man aus der Vergangenheit lernt und welche Erkenntnisse man für die Zukunft transferieren will.
Die Autorin
Nina Konopinski-Klein ist Coach und Trainerin für Ärzte, Apotheker und weitere Mitarbeiter im Gesundheitswesen sowie Buchautorin (CCT-Coaching Consulting Training).
Serie: Psychologie in der Praxis
Teil 1: Das Gegenüber verstehen
Teil 2: Verhalten erklären
Teil 3: Der Bystander-Effekt
Teil 4: Wie macht sich die Neue?
Teil 5: Kunden nicht in Schubladen stecken
Teil 6: Was ist aus unseren Zielen geworden?
Teil 7: Über den richtigen Umgang mit Stress
Teil 8: Ich muss nicht – Ich will
Teil 9: Fremd- und Selbstbild