Was ist das Eigenbrauer-Syndrom?

(kib) Betrunken trotz Alkoholkarenz? Der Fall einer 50-jährigen Kanadierin zeigt, dass dies möglich ist. Sie litt am „Eigenbrauer-Syndrom“.

09.07.2024

Saccharomyces cerevisiae, 3D illustration
© Foto: Dr_Microbe / Getty Images / iStock
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Beim Eigenbrauer-Syndrom überwuchern Darmpilze, die Alkohol aus Kohlenhydraten fermentieren und somit eine alkoholische Gärung in Gang setzen, das Darmmikrobiom. Zu diesen gehören Pilze wie Saccharomyces cerevisiae und Candida-Arten wie C. albicans, C. tropicalis und C. glabrata. Ein standardisierter Diagnosealgorithmus existiert nicht. Als Komorbiditäten dieser seltenen Erkrankung gelten Diabetes, Leber- und Darmerkrankungen.

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Das Fallbeispiel

Die Patientin war innerhalb von zwei Jahren siebenmal mit einer Alkoholvergiftung in die Notaufnahme gekommen, obwohl sie aus religiösen Gründen keinen Alkohol trank. Darüber hinaus hatte sie weitere gesundheitliche Probleme.

Wegen wiederkehrender Harnwegsinfektionen wurde sie häufig antibiotisch behandelt, zusätzlich nahm sie aufgrund einer gastroösophagealen Refluxkrankheit regelmäßig Dexlansoprazol.

Seit einiger Zeit traten zudem Episoden von übermäßiger Benommenheit (Somnolenz) und plötzlichem Einschlafen auf. Mehrmals war die Patientin deshalb beim Hausarzt und in der Notaufnahme gewesen, jeweils mit verwaschener Sprache, Alkoholgeruch im Atem und Stürzen aufgrund von Somnolenz. Die Diagnose lautete meist Alkoholintoxikation.

Psychiater in der Notaufnahme schlossen schließlich nach drei Untersuchungen die Diagnose einer Alkoholkonsumstörung aus. Als die Patientin sich wenig später schon wieder mit undeutlicher Sprache, Alkoholfahne und erhöhtem Ethanolspiegel von 62 mmol/l (2,9 ‰) vorstellte, stellte der behandelnde Arzt erstmals die Verdachtsdiagnose „Eigenbrauer-Syndrom“

Erfolgreiche antimykotische Therapie

Er verschrieb orales Fluconazol (2 × 100 mg/d). Nach einer einmonatigen Behandlung, während der die Frau auch eine kohlenhydratarme Diät einhielt, verschwanden die Symptome. Als sie aber nach vier Monaten begann, ihre Kohlenhydratzufuhr zu erhöhen, traten sie wieder auf. Es folgte eine zweite, sechswöchige Phase mit Fluconazol und kohlenhydratarmer Diät, die wieder erfolgreich war.

 

Antimykotika und eine kohlenhydratarme Diät haben in dokumentierten Fällen geholfen.

 

Antibiotika mit engem Wirkspektrum

Zur Wiederherstellung des Darmmikrobioms sollte die Patientin Probiotika mit Lactobacillus acidophilus einnehmen. Ihr und ihrem Hausarzt wurde geraten, Antibiotika mit einem engen Wirkspektrum einzusetzen und dann auch nur, wenn die Diagnose einer Harnwegsinfektion durch eine Urinkultur und kompatible Symptome bestätigt wurde.

Nach sechs Monaten ohne Symptome wurde ein oraler Glukosebelastungstest durchgeführt. Da sich danach kein Ethanol im Blut nachweisen ließ, riet man der Patientin, ihre Kohlenhydratzufuhr allmählich wieder zu erhöhen.

Quelle: MMW – Fortschritte der Medizin

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