Wie ein „parent's kiss“ Fremdkörper aus Kindernasen holt

Steckt ein Fremdkörper in einer Kindernase fest, kann der „parent's kiss“ gute Dienste leisten. Dieses einfache Manöver ist im angloamerikanischen Raum etabliert und hat eine Erfolgsrate von bis zu 80 Prozent.

von Prof. Dr. med. Eike Krause
26.04.2024

Kleiner Junge sortiert bunte Perlen in Reagenzgläser
© Foto: NiDerLander / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)
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Kleinkinder sind experimentierfreudig und verspielt. So kann es passieren, dass sie sich Fremdkörper, wie Steine, Perlen, Erbsen, Spielzeugteile, Blätter, Weidenkätzchen, Papier, Magneten, Knopfzellen und vieles andere in die Nase stecken und nicht wieder herausbekommen. Diese Fremdkörper können die Nase verstopfen, lokale Entzündungen und Gewebsnekrosen auslösen oder in die tiefen Atemwege aspiriert werden. Somit sollten sie schnellstmöglich entfernt werden.

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Methode seit 1960er etabliert

Der „parent's kiss“, auch „mother's kiss“ genannt, (Eltern- bzw. Mutterkuss) kann hierbei gute Dienste leisten. Die Methode wurde bereits in den 1960er-Jahren entwickelt und ist in der angloamerikanischen Medizin klinisch etabliert. Sie wird dort von HNO-Ärzten, Kinderärzten, Allgemeinmedizinern und Notfallmedizinern regelmäßig angewendet und in verschiedenen Leitlinien als First-Line-Therapie empfohlen.

Klinische Studien und wissenschaftliche Metaanalysen belegen eine gute Erfolgsrate von 60 bis 80 Prozent. Bei richtiger Durchführung ist das Therapieverfahren nahezu risikofrei. Bedeutsame Nebenwirkungen wurden nicht berichtet. Durch eigene Erfahrungen aus der klinischen Praxis kann ich die Wirksamkeit und Sicherheit des Manövers bestätigen und möchte die Methode im Folgenden vorstellen.

Fremdkörper oft schwer zu entfernen

Am häufigsten stellen sich Kinder im Alter von zwei bis fünf Jahren mit Fremdkörpern in der Nase vor. Jungen sind häufiger betroffen. Teilweise sind die Kinder (noch) ohne klinische Beschwerden und die Eltern vermuten einen intranasalen Fremdkörper.

Je nach Größe, Beschaffenheit und Verweildauer können die Fremdkörper durch Nasenatmungsbehinderung, eitrigen Schnupfen, Nasenbluten, Schmerzen oder Schwellungen symptomatisch sein, wobei besonders einseitige Symptome den Verdacht aufkommen lassen.

Mittels anteriorer Rhinoskopie lässt sich der Fremdkörper oft darstellen, aber schwer entfernen. Gelingt die Entfernung im Stuhl nicht, kann sogar eine Intubationsnarkose erforderlich werden. Um dies zu vermeiden, bietet sich der „parent's kiss“ an.

Was passiert beim „parent's kiss“?

Der klassische „parent's kiss“ wird folgendermaßen durchgeführt: Zunächst werden der Mutter (dem Vater oder einer anderen Vertrauensperson) sowie dem Kind das Vorgehen und das Ziel des Manövers genau erklärt. Dies ist sehr wichtig, damit die Behandlung korrekt durchgeführt wird und das Kind gut mitarbeitet. Dann gibt die Mutter (oder andere Vertrauensperson) dem Kind einen „großen Kuss“.

Hierfür atmet sie ein, stülpt ihren geöffneten Mund über den geöffneten Mund des Kindes und dichtet mit den Lippen den Zugang zirkulär ab, wie für eine Mund-zu-Mund-Beatmung. Gleichzeitig dichtet sie das offene Nasenloch des Kindes auf der Seite ohne Fremdkörper mit ihrem Zeigefinger ab. Nun pustet sie den Kindermund auf bis sie einen leichten Widerstand durch den reflektorischen Glottisschluss des Kindes spürt. Dann atmet sie schnell aus und gibt damit einen forcierten Atemstoß über den Kindermund, den Nasenrachen retrograd durch die Nasenhaupthöhle mit dem Fremdkörper ab. Durch diese nach außen gerichtete Luftdruckwelle kann der Fremdkörper aus der Nase des Kindes herausgeblasen oder zumindest nach ventral mobilisiert werden.

Die Erfolgsquote liegt bei 60 bis 80 Prozent. Bei Bedarf kann das Manöver auch mehrfach wiederholt werden. Um Fremdkörperdislokationen nach dorsal zu verhindern, sollte das Kind während des Manövers sitzen oder in einer leicht vorgebeugten Position sein. Eine Lagerung auf dem Rücken ist meiner Meinung nach nicht zu empfehlen, weil der Fremdkörper in den Rachen zurückfallen könnte.

Theoretische Risiken wie ein Barotrauma des Mittelohres oder der unteren Atemwege werden diskutiert, kamen aber im klinischen Alltag nicht vor.

Ein bedeutendes Risiko bei allen intranasalen Fremdkörpern ist die Verschleppung durch Aspiration in die tiefen Atemwege. Daher sollte das Manöver unter medizinischer Anleitung und Aufsicht durchgeführt werden.

Bei größeren oder ängstlichen Kindern kann der „parent's kiss“ mithilfe eines ca. 20 Centimeter langen Stücks eines kräftigen Absaugschlauches oder Katheters modifiziert werden. Hierfür nimmt das Kind ein Schlauchende und die Mutter (oder andere Vertrauensperson) das andere Schlauchende in den Mund und führt das Manöver ohne direkten Mund-zu-Mund-Kontakt über das Schlauchstück durch.

Quelle: HNO Nachrichten Ausgabe 02/2024

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