Wie macht sich die Neue?

Jeder neue Mitarbeiter bringt mit der Einstellung und der Integration im Team eine eigene Geschichte mit. Diese beinhaltet nicht nur deren fachliche und spezifische Qualifikationen, sondern auch ihre Erfahrungen und vor allem ihre Persönlichkeit.

von Nina Konopinski-Klein
05.06.2018

Nicht richtig integriert: Rote Spielfigur unter ganz vielen grünen Spielfiguren
© Foto: Gina Sanders / stock.adobe.com
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Er wird in ein bestehendes Team aufgenommen und entsprechend der Gruppendynamik unter den Kollegen auf bestimmte Weise behandelt.

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Die Fallbeschreibung

Bei einer Sitzung des Landesapothekerverbands trafen sich zwei seit langem gut bekannte Apotheker aus Nachbarorten. Während der Pause unterhielten sie sich angeregt über die aktuelle politische und wirtschaftliche Situation und über ihre Kunden und Mitarbeiter. Dabei stellte sich heraus, dass eine Mitarbeiterin, Frau Groß, früher bei Herrn Meier arbeitete und aktuell bei Herrn Grube beschäftigt ist.

Herr Meier war erstaunt, als er hörte, wie gut Frau Groß im Team von Herrn Grube aufgenommen wurde und welche Bereicherung sie für das Unternehmen darstellt.

Während der zwei Jahre, in denen er mit Frau Groß arbeitete, hatte er mit ihr und mit dem Team „nur Probleme“ – wie er es darstellte. Sie habe sich nicht gut in das Team eingelebt, wurde bereits in der Probezeit durch die Kollegen abgelehnt und obwohl er ihr jede mögliche Hilfe darbot, sei es nicht besser geworden. Diese Situation führte zu einer Trennung, die von beiden Seiten mit Erleichterung aufgenommen wurde.

Die unterschiedlichen Sichtweisen seitens der Vorgesetzten und das offensichtlich verschiedene Verhalten der Mitarbeiterin machten die beiden Apotheker stutzig und gemeinsam suchten sie nach einer Erklärung.

Erklärungsansätze

Mögliche Erklärungswege für diese Situation finden sich sowohl auf Seiten der Mitarbeiterin als auch beim Team:

  • Die Mitarbeiterin fühlte sich in der ersten Arbeitsstätte nicht wohl – das Team, die Umgebung, die Aufgabe entsprachen nicht ihren Vorstellungen und ihren Qualifikationen.
  • Das Team, in dem die Mitarbeiterin arbeitete, befand sich in einer Entwicklungsphase, die eine gute Integration neuer Mitglieder erschwerte. Die Mitarbeiter waren so sehr mit den internen Interaktionen beschäftigt, dass jedes neue Teammitglied eine Irritation hervorrufen musste.

Fakten zur Teamentwicklung

Wie sieht eine Teamentwicklung aus, und was ist dabei zu beachten?

Jedes Team durchläuft in seiner Geschichte mehrere Phasen, die auch eine entscheidende Rolle beim Aufbau einer wertschätzenden Unternehmenskultur spielen. Die Rolle des Vorgesetzten, hier des Apothekers, ist es vor allem, den Mitarbeitern die Ziele und Regeln auf eine motivierende Weise zu kommunizieren und sie durch eine klare Führung und vertrauensvolle Unterstützung zu besten Leistung zu bringen.

Die richtige Führung und Betreuung durch die Unternehmensleitung spiegelt sich in der Teamatmosphäre, im Willen, den Kunden freundlich und fachlich zu betreuen und letztendlich im Unternehmenserfolg wider.

Phasen der Teamentwicklung

Forming = Bildungs-/Orientierungsphase

Das Team befindet sich in der Entwicklungsphase. Dies kann bei neu eröffneten Apotheken der Fall sein, beim Wechsel des Besitzers der Apotheke und damit verbundenen Neueinstellungen oder Entlassungen sowie auch bei Neuzuweisung unterschiedlicher neuer Aufgaben nach einer Umstrukturierung.

Die Mitarbeiter kennen sich noch nicht gut untereinander, daher sind sie oft sehr vorsichtig und angespannt. Sie kommunizieren miteinander auf eine besonders höfliche Weise (schließlich weiß man noch nicht, mit wem man es zu tun hat) und sind teilweise sehr unpersönlich und verschlossen. Es ist die Phase der Rollenfindung und des gegenseitigen Abtastens. Das Verhalten, der Umgang mit Kunden und fachliches Vorgehen werden beobachtet und bewertet.

In dieser Phase versuchen die Teammitglieder. sich selbst so gut wie möglich darzustellen (was auch die Gefahr des Schauspielens mit sich bringt) und sind besonders entgegenkommend. Oft herrschn im Team Angst und Unsicherheit (Probezeit usw.).

Wichtigste Fragen im Rahmen des Formings
  • Wie kann ich mich am besten darstellen?
  • Was können die Anderen?
  • Wie setze ich meine Interessen durch?
  • Was für Interessen verfolgen die Anderen?
  • Wem kann ich vertrauen?

Befand sich das Team von Herrn Meier (erste Arbeitsstelle von Frau Groß) in dieser Phase, kann er den Problemen bei der Einarbeitung der neuen Kollegin folgendermaßen entgegentreten:

  • Dafür sorgen, dass sich die Kollegen untereinander zeitnah intensiv kennenlernen können (z. B. Begrüßungsabend)
  • Frau Groß über die Geschichte des Unternehmens und des Teams informieren
  • um Hilfestellung bitten, damit die neue Mitarbeiterin möglichst schnell ihren Platz findet
  • Ziele, Rahmenbedingungen, Methoden, Handlungsspielraum aufzeichnen, damit sie schnell eine Orientierung findet
  • Verständnis dafür zeigen, dass andere Mitarbeiter Misstrauen gegenüber Frau Groß haben können
  • und am wichtigsten: der Mitarbeiterin in den ersten Wochen genügend Zeit zum Einleben und Einarbeiten geben.

Storming = Konfliktphase/Kampfphase

In dieser Phase nach dem Beschnuppern fängt ein Kampf um die Rangordnung an, um bessere Bedingungen und Anerkennung, Einfluss und Macht. Die Kollegen versuchen, ihre eroberten Aufgaben bzw. Sonderfunktionen zu verteidigen und sich durchzusetzen. Ins Spiel kommen dabei z. B. bestimmte Verkaufsstellen in der Offizin, Arbeitszeiten im Zytostatikalabor oder die Betreuung bestimmter Lieblingskunden.

Die eroberten Privilegien und Positionen werden gefestigt. Es entsteht Konkurrenz untereinander, und im Rahmen des Beziehungsaufbaus werden Cliquen gebildet. Immer wieder entstehen Konflikte.

Wichtigste Fragen im Rahmen des Stormings
  • Wie werden meine Interessen gewürdigt?
  • Welche Interessen haben die Anderen?
  • Welche Rolle spiele ich im Team?
  • Welche Rolle spielen die Anderen?
  • Wer hat welche Aufgaben?
  • Wer hat die besten Karten beim Chef?
  • Was sagt der Vorgesetzte dazu?

In der Stormingphase sähe die beste Unterstützung der neuen Mitarbeiterin und auch des Teams, so aus, dass Herr Meier

  • die Konflikte zulässt, aber gleichzeitig aufarbeitet. Hierzu sind vor allem Klärungen im Team, gemeinsame Gespräche bzw. Zweiergespräche gut und notwendig,
  • eine klare Kommunikation förderte, die keine Unklarheiten, Zweideutigkeiten, Lästereien erlaubt,
  • klare Regeln einführte.

Diese Phase ist besonders wichtig für den Vorgesetzten. Werden Mitarbeiter in der Stormingphase nachlässig betreut, nicht beachtet, falsch informiert oder zeigt der Vorgesetzte keine klare Linie, kann es zu einer sehr schlechten Stimmung im Team kommen, die sich durch Cliquenbildung gegen den Vorgesetzten richtet und geschäftsschädigend ist.

Chef-Apotheker, die versuchen sich besonders beliebt zu machen, indem sie jedem Gerücht nachgehen, oder noch schlimmer, selbst einige Gerüchte streuen, Lieblingsmitarbeiter offensichtlich bevorzugen und andere dafür ungerecht behandeln, brauchen sich nicht zu wundern, wenn sie plötzlich das Team nicht mehr führen können und die Mitarbeiter sich mit der Zeit gegen sie wenden.

Norming = Verständigung/Organisationsphase

Die Phase der Entspannung. Die Mitarbeiter kommunizieren offen, und es entsteht ein Zugehörigkeitsgefühl untereinander. Die zunehmende Akzeptanz und Wertschätzung spiegelt sich in der steigenden Effizienz. Auch der Kunde in der Offizin merkt das gute Klima und fühlt sich wohl und gut aufgehoben.

Wichtigste Fragen im Rahmen des Normings
  • Wie wollen wir das machen?
  • Was wollen wir erreichen?
  • Wer macht was?
  • Wer kann das besser machen?

Der Vorgesetzte merkt, dass die Mitarbeiter neue Verhaltensweisen und Umgangsformen untereinander aufbauen. Dies ist die beste Zeit, die bisherigen Problempunkte auf den Tisch zu bringen, miteinander zu besprechen und nach Lösungen zu suchen. Die Aufgaben und Verantwortlichkeiten können überprüft bzw. neu festgelegt werden. Die bisherigen Entscheidungen können transparent gemacht werden (z.B. Strategieentscheidungen).

Da davon ausgegangen werden kann, dass Frau Groß eingestellt wurde, als das Team sich in einer der ersten beiden Entwicklungsphasen befand, sollten die eingetretene Situation besprochen und Maßnahmen für solch künftige Gefahren beschlossen werden. Die Phasen der Teamentwicklung können zirkulär nach einer Umstrukturierung bzw. Krisensituation wieder kommen.

Performing = Optimierungsphase/Wir sind das Team

Die Phase der besten Effizienz, des Vertrauens und der Identifikation mit dem Unternehmen. Die Mitarbeiter übernehmen Verantwortung füreinander, verhalten sich solidarisch, geben gegenseitig Feedback und reflektieren die Zusammenarbeit.

Wichtigste Fragen im Rahmen des Performings
  • Wie wollen wir mit anderen Apotheken / anderen Teams arbeiten?
  • Welche Prozesse wollen wir verbessern?
  • Was ist der aktuelle Stand?
  • Was können wir besser machen?

In dieser Phase kann der Vorgesetzte am besten die Mitarbeiter begleiten, coachen und weiterentwickeln. Die Gefahr des Gruppendenkens sollte beachtet werden. Feedback und regelmäßige Standortbestimmungen optimieren die Zusammenarbeit. Hier besteht allerdings die Gefahr, dass das Team die neue Mitarbeiterin nicht aufnehmen möchte – das Wir-Gefühl lässt keinen Platz für neue Mitglieder.

Konsequenzen

Die Phasen der Teamentwicklung zu kennen, ist nicht nur für die Vorgesetzten eines Teams besonders wichtig. Auch die Mitarbeiter profitieren davon, indem sie sich in Krisen- bzw. Problemsituationen die Frage stellen: Was für Gründe und Umstände sprechen für die aktuelle Situation? Welche Kennzeichen der aktuellen Situation erkenne ich dabei? Spiegelt sich der Konflikt in den Beispielen/Fragen?

Erfolgreich vom Ich zum Wir

Das Verstehen der Außenumstände ist der erste Schritt zur Konfliktlösung. Situationen, wie beschrieben, können durch entsprechende Gegenmaßnahmen vermieden werden.

Jede Klärung und jede Gegenmaßnahme, die von mehreren Kollegen verstanden und geklärt wurde, führt das Team näher zur nächsten Entwicklungsstufe und der offenen vertrauensvollen Zusammenarbeit, in der das Wir-Gefühl das Ich-Gefühl ersetzt. Und wer will das heute nicht? Schließlich verbringen wir die meiste Zeit unseres Berufslebens mit Kollegen und Kunden.

Die Autorin

Nina Konopinski-Klein ist Coach und Trainerin für Ärzte, Apotheker und weitere Mitarbeiter im Gesundheitswesen sowie Buchautorin (CCT-Coaching Consulting Training).

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