Wo wir Mikroplastik ablagern

(mm/kib) Winzig kleine Plastikstücke mit einer Größe von weniger als fünf Millimetern werden als Mikroplastik bezeichnet. Sie werden inzwischen auch häufig im menschlichen Körper nachgewiesen. Wo lagert sich Mikroplastik bevorzugt ab und welche Konsequenzen hat das möglicherweise?

21.10.2022

Mikroplastikpartikel auf einem Finger in Großaufnahme
© Foto: gradt / stock.adobe.com
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Mehr als 150 Jahre nachdem die ersten Kunststoffe Mitte des 19. Jahrhunderts erfunden wurden, ist Plastik heute aus dem Alltag kaum noch wegzudenken. Gleichzeitig reichert es sich in unserer Umwelt an – auf entlegenen Arktisgipfeln oder in Meerestieren tief im Ozean. Denn die winzig kleinen Partikel sind leicht genug, um von Luftströmen rund um den Globus verteilt zu werden.

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Gesundheitsrisiko Mikroplastik

Die winzigen Plastikteile gelangen jedoch auch in den menschlichen Körper – durch Inhalation oder über die Nahrungskette. Eine Aufnahme über die unverletzte Haut scheint nach derzeitigem Kenntnisstand nicht möglich.

Die gesundheitlichen Auswirkungen werden derzeit intensiv erforscht. Diskutiert wird zum Beispiel, dass Mikroplastik oxidativen Stress hervorruft und Inflammationsprozesse begünstigen kann. An verschiedenen Orten im Körper konnten Forschende bereits Mikroplastik nachweisen.

Fundort Leber

Mikroplastik in der Leber fanden etwa deutsche Mediziner im August dieses Jahres, als sie Proben von Patienten mit und ohne Leberzirrhose unter die Lupe nahmen. Dabei stellten sie fest, dass die Konzentration des Mikroplastiks höher war, wenn eine Zirrhose vorlag, als wenn das nicht der Fall war.

Die Plastikpartikel waren zwischen vier und 30 Mikrometer dick – zum Vergleich: Ein normales Blatt Papier hat eine Dicke von etwa 80 Mikrometern. Unklar ist, ob das Mikroplastik in der Leber Ursache oder Folge der Zirrhose ist.

Fundort Blut/Endothel

Im menschlichen Blut wurde Mikroplastik festgestellt, als niederländische Wissenschaftler 22 Blutproben untersuchten. 17 der 22 Blutspender (77 %) hatten dabei eine quantifizierbare Menge Plastikpartikel im Blut, im Durchschnitt 1,6 Mikrogramm Plastik pro Milliliter Blut. Am häufigsten fanden die Forscher PET (wird z. B. zur Herstellung von Flaschen verwendet), Polystyrol (z. B. in Joghurtbechern oder aufgeschäumt bekannt als Styropor) und PE (z. B. in Plastiktüten oder -dosen).

Die Plastikpartikel schädigen Erythrozyten, indem sie deren Membran stark dehnen. In der Folge sinkt die Lebensdauer der Erythrozyten deutlich und es kommt zu spontanen Inflammationen in Zellen, berichteten letztes Jahr Forscher unter anderem aus Saarbrücken.

Endothelzellen dagegen bilden in Gegenwart von Polystyrol vermehrt Rezeptoren, um Immunzellen zu binden. Die Immunzellen setzen sich in großer Zahl an der Gefäßwand fest und setzen in großer Menge Inflammationsproteine frei, fanden letztes Jahr Forscher aus Marburg heraus.

Fundort Plazenta

In der Plazenta fanden italienische Gynäkologen im September dieses Jahres bei allen zehn Frauen, die sie untersucht hatten, Mikroplastik in den Kotyledonen. Die Mediziner stellten bei intrazytoplasmatischen Organellen Veränderungen fest, vor allem Stress im Endoplasmatischen Retikulum und mitochondriale Dysfunktionen. Dies führen sie auf langfristige, erfolglose Versuche des Körpers zurück, die Plastikpartikel abzubauen oder zu entfernen.

Fundort Lunge

In verschiedenem Lungengewebe stellten britische Forscher im April bei elf von 13 Probanden (85 %) Mikroplastik fest, hauptsächlich Polypropylen (Bestandteil von Verpackungen) und PET. Die Partikel kamen in allen Bereichen der Lunge vor, am häufigsten im tiefen Bereich der Lunge.

Fundort Muttermilch

In Muttermilch und im Kindspech (Mekonium), dem schwärzlich-grünen, geruchlosen Stuhl des Kindes, der sich während der Schwangerschaft ansammelt, identifizierten chinesische Forscher im September bei 18 Paaren aus Mutter und Neugeborenem Mikroplastik, hauptsächlich Polyamide (größtenteils verwendet zur Herstellung von Textilien) und Polyurethane (kommen etwa in Haushaltsschwämmen vor).

Fundort Stuhl

In Stuhlproben fanden chinesische Forscher im vergangenen Jahr Mikroplastik, und zwar mehr bei Patienten mit Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn als bei Gesunden (42 vs. 28 Partikel pro Gramm Trockenstuhlmasse). Zudem schien die Menge der Partikel mit der Schwere der Symptome zu korrelieren: Je höher die Konzentration der Plastikpartikel eines Patienten mit einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung, desto schwerer verlief die Erkrankung.

Quelle: Ärzte Zeitung

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