Wocheninsuline könnten die Diabetes-Therapie bald vereinfachen

Nur einmal wöchentlich zu injizierende Basalinsuline eignen sich nach ersten Studiendaten für die Therapie bei Typ-2-, aber auch bei Typ-1-Diabetes. Zwei Präparate werden geprüft, mit vielversprechenden Ergebnissen.

von Dr. Thomas Meißner
18.04.2024

Injektion in den Bauch
© Foto: Shisanupong Khankaew / Getty Images / iStock
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Mit Insulin icodec und Insulin efsitora alfa versuchen zwei Hersteller, ultralang wirkende Insulinanaloga zu etablieren. Sie brauchen nur einmal pro Woche gespritzt zu werden.

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Hauptargumente für die Anwendung von Wocheninsulinen sind eine sinkende Therapielast mit günstigen Auswirkungen auf Therapieadhärenz und -persistenz und damit letztlich auf langfristig stabile Einstellungen des Glukosestoffwechsels, hieß es in Florenz beim Kongress ATTD (Advanced Technologies & Treatments for Diabetes).

„Wöchentliche Basalinsuline haben das Potenzial, das Insulinmanagement bei Typ-2-Diabetes zu verändern“, erklärte Professor Julio Rosenstock vom University of Texas Southwestern Medical Center in Dallas (USA). Dr. Juan Pablo Frias aus Los Angeles rechnet außerdem mit einer verbesserten gesundheitsbezogenen Lebensqualität und verwies auf die Option einer Kombination mit wöchentlich zu injizierenden GLP-1-Rezeptoragonisten.

Insulin icodec und Insulin efsitora alfa 

Bei Insulin icodec sind drei Aminosäuren ausgetauscht worden, was für eine hohe molekulare Stabilität, einen verminderten enzymatischen Abbau sowie eine reduzierte rezeptorvermittelte Clearance sorgt. Die Halbwertszeit (HWZ) liegt bei acht Tagen.

Insulin efsitora alfa ist ein Fusionsprotein, das eine einkettige Insulinvariante mit der Fc-Domäne eines humanen Immunglobulin (Ig)-G2-Moleküls fusioniert. Aufgrund der sehr langen HWZ von IgG resultierten daraus unter anderem eine verzögerte Absorption aus dem subkutanen Depot und reduzierte renale Elimination. Die HWZ von Efsitora wird mit 17 Tagen angegeben.

Beide Insuline sind für die einmal wöchentliche Injektion vorgesehen, und zwar sowohl bei Insulin-naiven wie bei Insulin-vorbehandelten Patienten mit Typ-2-Diabetes (T2D) in Kombination mit Nicht-Insulin-Therapeutika oder mit zusätzlichen Bolusinsulinen. Geprüft werden die Wocheninsuline zudem bei Patienten mit Typ-1-Diabetes (T1D).

Studienlage

Für Icodec stellte Rosenstock die Ergebnisse des Phase-IIIa-Studienprogramms ONWARDS (1-6) vor. Icodec wurde mit einer Anfangsdosis von 70 IU gespritzt, in zwei Studien war ein Initialbolus (zusätzl. 50 % der Wochendosis) geprüft worden. Die Titrationsschritte erfolgten anhand der Blutzucker-Mittelwerte aus jeweils drei Tagen in 20-IU-Schritten. Die Vergleichsgruppen hatten die 24-Stunden-Insuline Glargin oder Degludec mit einer Anfangsdosis von 10 IU erhalten.

In allen sechs Studien ließ sich die Nichtunterlegenheit von Icodec nachweisen. Bei Insulin-naiven Patienten mit T2D war das Wocheninsulin mit Blick auf das HbA1c-Profil überlegen (etwa –1,6 versus –1,3 Prozentpunkte), ebenso beim Wechsel von einem anderen Basalinsulin auf Icodec (–0,9 versus –0,7 Prozentpunkte).

Die Rate klinisch relevanter Hypoglykämien bewegte sich in diesen Kohorten zwischen 0,1 und 0,3 Prozent. Erst wenn zusätzlich Bolusinsulin gespritzt werden musste (Kohorten mit T2D und T1D), stiegen die Hypoglykämieraten in den Gruppen an, in der Kohorte mit T2D lagen sie bei jeweils 5,6 Prozent (ONWARDS 4).

Für Efsitora befindet sich nach Angaben von Dr. Juan Frias aus Los Angeles in Kalifornien das Phase-III-Entwicklungsprogramm (QWINT-Studien 1-5) gerade in der Endphase. Frias stellte die Daten aus den abgeschlossenen Phase-II-Studien im Vergleich zu Degludec vor.

Ähnliche glykämische Kontrolle bei Typ-2-Diabetes

Demnach lässt sich bei Basalinsulin-vorbehandelten Patienten mit T2D eine ähnliche glykämische Kontrolle (HbA1c, time in range) erzielen. Vorteile des Wocheninsulins seien eine im Vergleich niedrigere Rate der Blutzuckervariabilität sowie signifikant seltenere Hypoglykämien.

Bei Insulin-naivem T2D waren die Ergebnisse sowohl hinsichtlich der glykämischen Kontrolle als auch mit Bezug auf das Sicherheitsprofil vergleichbar. In einer Studie bei Patienten mit T1D fielen die Nüchtern-Blutzuckerwerte in der Efsitora-Gruppe höher aus als in der Degludec-Gruppe, was auf Probleme beim festgelegten Dosierungsalgorithmus zurückgeführt wurde, die Sicherheitsprofile der Gruppen waren vergleichbar.

Auf die per kontinuierlicher Glukosemessung (CGM) generierten Ergebnisse mit den beiden Wocheninsulinen ging Professorin Chantal Mathieu aus Leuven in Belgien ein. Nach Angaben der EASD-Präsidentin (European Association for the Study of Diabetes) waren in den Phase-II-Programmen mit Icodec und Efsitora bei Menschen mit T2D (Insulin-naiv oder vorbehandelt) ähnliche TIR (time in range), TAR (time above range) und TBR (time below range) erzielt worden wie mit täglichem Glargin U100 oder Degludec. Gleiches gilt für das Phase-III-Programm mit Icodec.

Kein erhöhtes Hypoglykämierisiko

Weder in den Umstellungsphasen noch langfristig (Icodec) ist bislang ein erhöhtes Hypoglykämierisiko (gemessen als TBR) festzustellen, so Mathieu. Quantitative und qualitative Analysen von Hypoglykämie-Ereignissen (TBR-Dauer und Glukosespiegel) haben keine Verlängerung der Hypoglykämie-Episoden bei Menschen mit Typ-2-Diabetes ergeben, wenn sie auf einmal wöchentliches Insulin umgestellt werden.

Bei T1D war Degludec in Bezug auf den erreichten HbA1c-Wert dem Wocheninsulin Icodec überlegen. Betrachte man allerdings die TIR über ein Jahr, seien die Ergebnisse vergleichbar, so Mathieu. Zwar müsse unter dem Wocheninsulin anfangs vermehrt mit Hypoglykämien gerechnet werden, wobei individuelle Faktoren zu berücksichtigen seien.

Sobald aber ein Steady-state erreicht sei, lägen die TBR-Raten der täglich und wöchentlich verabreichten Basalinsuline vergleichbar unter der Vier-Prozentmarke. Somit gebe es in der klinischen Praxis durchaus Patienten mit T1D, die für die Behandlung mit dem Wocheninsulin infrage kämen.

Quelle: Ärzte Zeitung

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