Lebensmitteltrends unter der Lupe

Ob Gojibeeren, Insekten oder Zellfleisch – zunehmend landen neue Lebensmittel auf unseren Tellern. Nicht alle sind zum Nutzen für Mensch und Umwelt, wie die Beiträge des UGB-Fachtags „Unser Essen im Wandel – Lebensmitteltrends unter der Lupe“ zeigten.

von Beate Ebbers
18.12.2024

Trauriges Smilie, neutrales und lächelndes unter einer Lupe
© Foto: sorapop / stock.adobe.com
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Die Online-Fachtag des Verbands für Unabhängige Gesundheitsberatung e. V. (UGB) fand im November statt. In fünf Vorträgen blickten UGB-Fachberater kritisch auf die neuesten Verkaufsschlager im Ernährungsbereich.

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Superfoods

Hoch im Kurs stehen Superfoods, beispielsweise Gojibeeren oder Chlorellaalgen. „Verstanden werden darunter Lebensmittel mit einem besonders hohen Gehalt an Makro-, Mikronährstoffen oder bioaktiven Substanzen, die meist als Nahrungsergänzungsmittel in den Handel kommen“, erläuterte Artjom Sarafanov. Ihnen wird nachgesagt, dass sie Krankheiten vorbeugen können. Evidenzbasierte wissenschaftliche Belege für die Wirkung fehlen jedoch, betonte der Ernährungswissenschaftler.

Viele Superfoods kommen zudem aus fernen Ländern und können Rückstände von Pflanzenschutzmitteln, eine mikrobielle Belastung oder toxische Inhaltsstoffe aufweisen. Auch Wechselwirkungen mit Medikamenten sind möglich. Gojibeeren zum Beispiel hemmen Cytochrom-P-450-Enzyme, wodurch unter anderem die Wirkung von Vitamin-K-Antagonisten verstärkt wird.

Im Sinne einer nachhaltigen Ernährung empfahl Sarafanov, regionalen Alternativen den Vorzug zu geben, beispielsweise Walnüsse, Grünkohl, Leinsamen oder schwarze Johannisbeeren. Sie enthalten ebenfalls hohe Mengen wertvoller Inhaltsstoffe.

Beispiele für Superfood

Superfood Beispiele


© Foto: [M] via canva.com | Quelle: Verbraucherzentrale Bundesverband

Vegane Alternativen

Fleisch-, Käse- und Milchersatzprodukte sind nicht nur bei Vegetariern oder Veganer beliebt, sondern auch bei Menschen, die nur ab und zu Fleisch essen, erläuterte Andrea Fischer. Beim Blick auf die Zutatenliste der Ersatzprodukte fällt auf, dass es sich bei vielen um ultra-prozessierte Lebensmittel (UPF) handelt. Lebensmitteltechnologen verstehen darunter hochverarbeitete Lebensmittel reich an Zusatzstoffen (z. B. Aromen, Farbstoffe) und Zutaten, die in der Küchenpraxis selten oder gar nicht genutzt werden (z. B. Proteinisolate, modifizierte Öle, Maltodextrin). Die Zusätze sollen Struktur, Konsistenz, Geschmack und Farbe verbessern.

Für sinnvoll hält die Ernährungswissenschaftlerin UPF nicht: „Sie sind ein Indikator für eine energiedichte und mikronährstoffarme Ernährung und werden mit einem erhöhten Risiko für Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Demenz und Darmfunktionsstörungen in Verbindung gebracht.“ Sie empfahl, auf die Zutatenliste zu schauen und Alternativen mit Zutaten auszuwählen, die auch im eigenen Küchenschrank stehen könnten.

Wurm up

Besonders in Asien und Südamerika stehen Insekten traditionell auf dem Speiseplan und tragen zur Ernährungssicherheit bei. Die Gründe nannte Sarafanov in seinem zweiten Vortrag: Insekten sind reich an Proteinen, einfach ungesättigten Fettsäuren (z. B. Ölsäure), B-Vitaminen (z. B. B1), Mineral- und Ballaststoffen. Treibhausgasemissionen, Land-, Wasser-, Futterverbrauch und Biodiversitätsverluste sind bei ihrer Zucht deutlich geringer als bei der kommerziellen Nutztierhaltung.

In der europäischen Union (EU) sind derzeit vier Insekten als neuartige Lebensmittel (Novel Food) zugelassen: Wanderheuschrecke (Locusta migratoria), Hausgrille (Heimchen, Acheta domesticus), Mehlwürmer, die Larven des Mehlkäfers (Tenebrio molitor) und Buffalowürmer, die Larven des Getreideschimmelkäfers (Alphitobius diaperinus). Sie kommen gewürzt und frittiert, als Mehl oder als Lebensmittelzutat (z. B. in Riegeln) auf den Markt. Hersteller müssen auf der Verpackung den deutschen und lateinischen Namen des Insektes mit seiner Darreichungsform deklarieren, zum Beispiel „teilweise entfettetes Pulver aus Acheta domesticus (Hausgrille bzw. Heimchen)“.

Da Insekten Allergien auslösen können, ist der Hinweis „Zutat kann bei Verbrauchern, die bekanntermaßen gegen Krebs- und Weichtiere sowie Hausstaubmilben allergisch sind, allergische Reaktionen auslösen“ vorgeschrieben. Statt zu Fleisch nun zu Insekten zu greifen, empfahl Sarafanov aus tier-ethischen Gründen nicht. Sinnvoller sei es, pflanzlichen Alternativen den Vorzug zu geben, beispielsweise Hülsenfrüchten, Nüssen und Saaten.

Nahrungsergänzung im Einzelfall sinnvoll

Im vorletzten Vortrag ging es um Nutzen und Risiken von Vitamin- und Mineralstoffpräparaten und anderen Nahrungsergänzungsmitteln (NEM). Sie sind dazu bestimmt, die Ernährung von gesunden Menschen zu ergänzen. Eine vollwertige Ernährung können sie nicht ersetzen, betonte Hans-Helmut Martin.

Für sinnvoll hält der Oecotrophologe NEM lediglich für Menschen in besonderen Lebenssituationen, wenn ein Nährstoffdefizit nicht durch eine Ernährungsumstellung ausgeglichen werden kann. Beispiele sind Vitamin B12 für Veganer oder Vegetarier, Folsäure für Frauen mit Kinderwunsch sowie Frühschwangere, Vitamin D für Menschen, die sich selten oder nur mit bedeckter Haut im Freien aufhalten.

Für ein Manko hielt Martin die Tatsache, dass die EU für NEM keine Höchstmengen festgelegt hat. Manche Vitamin- und Mineralstoffpräparate hätten daher das Doppelte bis Dreifache der DGE- Tagesempfehlungen. Hohe Dosen können jedoch Neben- und Wechselwirkungen auslösen. „Wichtig ist, die Einnahme von NEM immer medizinisch abklären zu lassen“, betonte Martin.

Essen aus Zellkultur

Die zelluläre Landwirtschaft stand im Mittelpunkt des letzten Vortrags. Der Begriff fasst zell- und mikroorganismenbasierte Produktionsmethoden zusammen. Fleisch, Milch oder Eiklar kommen nicht mehr aus der traditionellen Landwirtschaft, sondern aus geschlossenen Produktionsstätten, erklärte Sarafanov.

Für die Herstellung werden einem Tier Stammzellen entnommen, die sich in einem Fermenter mithilfe von Nährstoffen, Wasser und Wärme vermehren. Dadurch entsteht ein zellbasiertes tierisches Lebensmittel, das sich molekular nicht vom gleichen, konventionell hergestellten Lebensmittel unterscheidet. Auch wenn die Herstellungsmethoden noch nicht ausgereift und Fragen zu Sicherheit und Risiken offen sind, investieren derzeit alle großen Lebensmittelhersteller in diesem Bereich. Sie sehen darin ein großes Potenzial für die Nahrungssicherung und Reduktion negativer Umweltwirkungen.

Quelle: Online-Fachtag: "Unser Essen im Wandel – Lebensmitteltrends unter der Lupe", Verband für Unabhängige Gesundheitsberatung (UGB) e. V., 21.11.2024

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