Völlig unbeleckt: Neulinge in der Rezeptur

Kennen Sie das? Die neue Kollegin in der Rezeptur hinterlässt ständig Chaos. Und das nervt. Sarah Siegler, PTA in den Ertelt Apotheken in Bisingen, ist Abteilungsleiterin des Bereichs Rezeptur und Labor und zuständig für die Einarbeitung neuer Mitarbeitender. Wie dies gelingt und die Neuen in bestehende Arbeitsabläufe integriert werden, lesen Sie im folgenden Artikel.

von Sarah Siegler
16.02.2023

Einarbeitung Rezeptur Erteltapotheken
© Foto: Sarah Siegler
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  • Da die Rezeptur ein sehr komplexer Bereich mit vielen Unteraufgaben ist, sollten neue Mitarbeitende einen Einarbeitungsplan erhalten.
  • Bei der Erstellung und Pflege der Einarbeitungspläne sollte das ganze Rezepturteam mitwirken.
  • Im Einarbeitungsplan werden die täglichen Aufgaben der neuen Kollegen und Kolleginnen im Bereich Rezeptur detailliert festgelegt.
  • Auch zu erlernende Aufgaben, Zeiten für die Einarbeitung in diese Themenbereiche sowie notwendige Fortbildungen werden dort festgelegt.
  • Per Datum und Unterschrift wird festgehalten, wenn ein Einarbeitungspunkt erfolgreich abgehakt ist.

Bei größeren Apotheken mit vielen Mitarbeitenden ist es sinnvoll, die verschiedenen Bereiche der Apotheke in Abteilungen zu untergliedern. Diese werden dann von der jeweiligen Abteilungsleitung und deren Stellvertretenden geleitet. So werden der Chef oder die Chefin entlastet. Außerdem kann das Team neue Ideen viel besser einbringen.

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Einarbeitungspläne

Da die Rezeptur einen sehr komplexen Bereich mit vielen Unteraufgaben darstellt, ist ein Einarbeitungsplan für neue Mitarbeitende in diesem Bereich sehr wichtig. Er dient der Übersicht und bildet die Grundlage der gesamten Einarbeitung. Die einzelnen Aufgaben, die täglich für die Neulinge anfallen, sind darin aufgelistet. So wird nichts vergessen. Zusätzlich enthält der Plan Spalten zum Eintragen von Notizen, Fragen, dem Einarbeitungsdatum sowie für die Unterschrift der Person, die die Neuen angelernt hat. Auch wird mit Datum festgehalten, wann die komplett selbständige Durchführung einer Aufgabe erstmals gelungen ist.

Beispiele für Einarbeitungsthemen in der Rezeptur:
  • Arbeitseinteilung
  • Arbeitsschutz
  • Informationsbeschaffung, Medien, Literatur
  • Prüfung von Ausgangsstoffen
  • Herstellung einzelner Arzneiformen wie Kapseln, Pulver, Zäpfchen, Cremes
  • Herstellung im geschlossenen System
  • Herstellung im offenen System
  • Herstellung von Defekturen
  • Bestellung von Ausgangsstoffen
  • Lagerhaltung wie Verfall, Mengen, Lagerorte

Tipps zum Erstellen und Umsetzen von Einarbeitungsplänen

Brainstormen

Wird ein Einarbeitungsplan neu erstellt, müssen zuerst alle wichtigen Tätigkeiten in der Rezeptur gesammelt und aufgelistet werden. Hier sollten alle in diesem Bereich Mitarbeitenden helfen, um keine Tätigkeit zu vergessen.

Aktualisieren

Einarbeitungspläne sind nicht in Stein gemeisselt. Immer wieder kommen neue Aufgaben dazu oder alte fallen weg. Manchmal wird ein Prozess auch stark verändert. Alle diese Änderungen müssen in dem Einarbeitungsplan verzeichnet werden. Einmal jährlich sollte der Plan überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.

Beschreiben

Im Rahmen des Qualitätsmanagements gibt es in der Regel für jede Tätigkeit in der Rezeptur eine genaue Arbeitsablaufbeschreibung. Diese wird dem Einarbeitungsplan angehängt, sodass der anzulernende neue Kollege oder die neue Kollegin jederzeit nachlesen können, wie vorzugehen ist. Denn nach einer einmaligen Demonstration sollte nicht davon ausgegangen werden, dass eine Tätigkeit zu 100 Prozent beherrscht wird.

Anlernen

Im Einarbeitungsplan wird festgelegt, dass eine Tätigkeit zunächst einmal erklärt und gezeigt wird – der Einzulernende schaut zu. Dann wird die Tätigkeit einmal gemeinsam mit erfahrenen Mitarbeitenden durchgeführt. Anschließend übernehmen die Einzulernenden das allein, allerdings in Anwesenheit des Mentors oder der Mentorin. Diese können so jederzeit Fragen beantworten, gegebenenfalls helfen oder eingreifen. Erst danach wird die Aufgabe selbstständig erledigt.

Übergeben

Auch das Thema Aufgabenübergabe sollte Teil des Einarbeitungsprozesses sein. Denn in der Apotheke arbeiten viele Teammitglieder in Teilzeit oder in der Rezeptur im rotierenden System. Das bedeutet, es stehen jeden Tag andere Mitarbeitende in der Rezeptur. Damit alle Aufgaben zeitnah erledigt und auch Kundenwünsche fristgerecht bedient werden können, ist eine exakte Aufgabenübergabe notwendig.

Die neuen Teammitglieder müssen wissen, wie dies in der Apotheke gehandhabt wird. Insbesondere dann, wenn eine oder mehrere Rezepturen zur Anfertigung am nächsten Tag angenommen werden. Eine gute Vorbereitung erleichtert dann die Herstellung. Die Vorbereitung umfasst eine Bestandsüberprüfung: „Ist noch genug Wirkstoff für die Rezeptur an Lager?“ Oder: „Kann ich die verordnete Grundlage schon vorbestellen?“ Zur Kommunikation dient ein Aufgabenübergabezettel, ein Buch oder ein Aufgabenboard.

Rückmelden

Genauso zur Kommunikation im Team gehört das Feedback. Wenn eine Aufgabe nicht, nicht richtig oder komplett falsch durchgeführt wurde, wird dies an die Abteilungsleitung rückgemeldet. Diese überprüft, wo die Schwachstellen sind und gibt bei der Nachbesserung Hilfestellung beziehungsweise begleitet den Einarbeitungsschritt noch einmal.

Dabei soll niemand angeprangert werden. Vielmehr gilt es, Fehler zu finden, aber eben auch aus Fehlern zu lernen und diese nicht noch einmal zu machen. Schließlich ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, und gerade am Anfang kann es im neuen Job durchaus mal passieren, dass nicht alles glatt läuft. Hier ist es wichtig, offen miteinander zu sprechen, Fehler zuzugeben und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Fortbilden

Gibt es in einzelnen Bereichen große Lücken, dann muss der individuelle Fortbildungsbedarf ermittelt werden. Die Abteilungsleitung sucht geeignete Fortbildungen aus und stellt diese den Mitarbeitenden vor. Vor allem bei Mitarbeitenden, die lange Zeit gar nicht im Labor und Rezepturbereich gearbeitet haben, fehlen oft Grundkenntnisse zur Plausibilitätsprüfung von Rezepturen. Diese Lücken schließen Fortbildungen.

Gibt es ein Thema, bei dem das ganze Team Nachholbedarf hat, macht es Spaß, gemeinsam eine Fortbildung zu besuchen und sich neues Wissen anzueignen. Lässt der Betrieb eine gemeinsame Fortbildung nicht zu, können zumindest die erhaltenen Unterlagen aus der Schulung mit allen geteilt oder bei der nächsten Teamsitzung eine Zusammenfassung vorstellt werden. 

Das Team schulen

Einarbeitungspläne eignen sich nicht nur für neue Mitarbeitende. Damit lassen sich alle neu einzuführenden Tätigkeiten dem gesamten Team vermitteln. Gibt es zum Beispiel ein neues Gerät im Labor, erarbeitet sich zunächst eine Person die Anwendung, schreibt eine Anleitung oder Arbeitsablaufbeschreibung dafür und lernt dann die anderen Teammitglieder an.

Auch gängige Tätigkeiten sollten bei Teamschulungen regelmässig mit den „alten Hasen“ durchgesprochen, kontrolliert und so eingeschlichene Fehler ausgemerzt werden. Dies dient der Prozessüberprüfung und Optimierung.

Individualisieren

Wie viel Zeit für eine Einarbeitung veranschlagt werden muss, ist sicher von Apotheke zu Apotheke und von Person zu Person verschieden. Jeder lernt unterschiedlich und vor allem unterschiedlich schnell. Das hängt ab vom Umfang der einzelnen Prozesse, der Arbeitszeit der einzulernenden Person und der (Frei)Zeit, die der Einzulernende dafür investieren kann. Diese Punkte müssen vorab bei der Personaleinsatzplanung mitberücksichtigt werden.

Eine Einarbeitung auf Augenhöhe, die Bereitschaft der Abteilungsleitung immer zu helfen, wenn es hakt, aber auch die Hilfsbereitschaft im Team, hilft bei der Integration neuer Kollegen und Kolleginnen. Nur so werden diese langfristig gebunden. Davon profitiert dann das ganze Team. Deshalb lohnt es sich, immer ausreichend Zeit in die Einarbeitung zu stecken. Je detaillierter sie ist, desto sicherer, eigenständiger und besser kann anschließend gearbeitet werden. So wird schnell eine hohe Arbeitsqualität erreicht, die in der Apotheke oberste Priorität hat.

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