Allergische Hauterkrankungen: Wahr oder falsch?

Über sie kursieren Halbwahrheiten, vor allem wenn Kinder betroffen sind, findet Dr. Marc Pleimes. Für den Kinderdermatologen Anlass genug, dem Wahrheitsgehalt entsprechender Aussagen auf den Grund zu gehen.

von Dr. Dagmar Kraus
30.01.2025

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© Foto: WavebreakMediaMicro / Stock.adobe.com (Symbolbild mit Fotomodellen)
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  • Typ-I-Allergien werden mit Pricktest, Intrakutantest und Nachweis spezifischer IgE bestimmt, Typ-IV-Allergien mit dem Epikutantest.
  • Aeroallergene können ein bestehendes atopisches Ekzem triggern und entzündliche Schübe auslösen. Regelmäßig aufgetragene und an den Hautzustand angepasste Pflegeprodukte stabilisieren dann die Hautbarriere.
  • Kontaktdermatiden bei Kindern sind meistens irritativ bedingt. Zu den Auslösern zählen Nickelsulfat, Kobaltchlorid, Farb- oder pflanzliche Inhaltsstoffe.
  • Eine akute Urtikaria im Kindesalter wird meist durch Infekte oder Medikamente ausgelöst, Allergien sind zu vernachlässigen.

Zur Kategorie „allergische“ Hauterkrankungen werden gern die Urtikaria, das Angioödem, die Kontaktdermatitis und die atopische Dermatitis gezählt. „Doch nicht alles, was landläufig als Allergie eingestuft wird, ist auch eine“, betonte der Kinderdermatologe Dr. Marc Pleimes beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin Ende September 2024 in Mannheim.

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Allergietestung

Für die Praxis relevant sind nach Ausführung des Experten vor allem die Hypersensitivitätsreaktionen bei Allergien vom Sofort-Typ (Typ I) und vom Spät-Typ (Typ IV).

Typ-I-Allergien werden mit Pricktests (Testallergen wird auf Haut getropft und mit Nadel/Lanzette oberflächlich in die Haut gestochen), Intrakutantests (Testallergen wird mit einer dünnen Nadel in die Lederhaut gespritzt) und Nachweis spezifischer Immunglobuline (IgG) wie IgE bestimmt. Typ-IV-Allergien lassen sich mit Epikutantests (Patchtests) nachweisen. Dazu werden die zu testenden Kontaktallergene mit Testpflastern auf die Rückenhaut aufgebracht, und die Hautreaktion wird nach mehreren Tagen geprüft.

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Welche Stoffe allergische Reaktionen auslösen, lässt sich mit verschiedenen Untersuchungen feststellen. Hauttests sind einfach und schnell durchführbar.
© Foto: Grafik: DAS PTA MAGAZIN

Der Experte betonte, dass „ein positives Ergebnis noch lange kein Allergiebeweis ist“. Nachgewiesen werde damit nur eine Sensibilisierung. Für den Beweis brauche es die Provokation oder eine vorausgegangene allergische Reaktion.

Endgültig aufräumen will Pleimes auch mit der Ansicht, Allergietests könnten bei Kindern erst im Alter ab drei Jahren durchgeführt werden. „Häufig erlebe ich in meiner Praxis, dass Patienten ohne Allergietestung überwiesen werden mit der Begründung, sie seien noch zu jung dafür.“ Das entbehre jeglicher wissenschaftlichen Grundlage.

Atopische Dermatitis

Als „fake“ enttarnte Pleimes außerdem die Behauptung: „Nahrungsmittelallergien sind häufige Ursache der atopischen Dermatitis.“ Nahrungsmittelallergien fungierten allenfalls als Triggerfaktoren. Weitaus bedeutsamer seien Irritanzien wie Austrocknung, Reibung, Schweiß, Bakterien, Pilze, Viren, Seife, Säuren oder Laugen. „Die Ursache wiederum liegt in der genetisch bedingten Störung der epidermalen Barriere, die bereits vor Auftreten der atopischen Dermatitis besteht, der Reaktion auf Umweltfaktoren, dazu gehören auch die Allergene, sowie der proinflammatorischen Gewebeantwort, die zur Barrierestörung beiträgt und sie, wie in einem Teufelskreis, weiter verschlechtert“, erklärte der Kinderdermatologe.

Leider war der Versuch, durch regelmäßiges Eincremen der Haut in den ersten Lebenswochen die Barrierefunktion der Haut zu stärken und einer atopischen Dermatitis vorzubeugen, nicht erfolgreich. Ein präventiver Effekt zeigte sich nur über kurze Zeit, langfristig bestätigte sich kein Vorteil, wie eine Studie zeigte. „Wir sind also zurück auf Null! Es ist offen, ob wir die atopische Dermatitis primärpräventiv behandeln können.“

Aeroallergene als Trigger

Als unerlässlich für Kinder, die bereits ein atopisches Ekzem haben, bezeichnet Pleimes dagegen regelmäßige Basispflegemaßnahmen mit an den aktuellen Hautzustand angepassten Pflegeprodukten. „Zu beachten ist der dermatologische Grundsatz: bei entzündeter Haut weniger Fett, bei sehr trockener Haut mehr Fett.“

Die Behauptung, Nahrungsmittel, für die im Labortest deutlich erhöhte spezifische IgE vorliegen, müssten bei Patienten mit atopischer Dermatitis strikt eliminiert werden, bezeichnete er gar als „Quatsch“ und unterstrich erneut, dass ein positiver Allergietest noch keine Allergie mache. „Das ist keinesfalls gleichzusetzen“, so Pleimes.

Dass Aeroallergene ein atopisches Ekzem triggern beziehungsweise Schübe auslösen können, erachtet der Kinderdermatologe hingegen als sehr wahrscheinlich. „Zahlreiche Hinweise lassen diesen Zusammenhang vermuten, einige sprechen sogar dafür, dass eine Hyposensibilisierung zum Beispiel gegen Hausstaubmilben sinnvoll sein könnte“, erklärte er.

Kontaktdermatitiden

Kontaktdermatitiden finden aus Sicht des Kinderdermatologen in der Praxis zu wenig Beachtung. In den meisten Fällen handelt es sich um irritiative Kontaktdermatitiden, in etwa 20 Prozent sind sie allergisch bedingt.

Hintergrund

Unterschieden werde zwischen allergischem, photoallergischem und hämatogen streuendem (durch systemische Allergenzufuhr ausgelöstem) Kontaktekzem und je nach Symptomdauer zwischen akuter, subakuter und chronischer Kontaktdermatitis. „Gerade bei chronischen Verläufen ähnelt das klinische Bild sehr dem einer atopischen Dermatitis, was die Differenzierung enorm erschwert“, erwähnte Peimes.

Allergische Kontaktekzeme kämen bei Kindern durchaus häufig vor und seien in den Allgemeinpraxen unterdiagnostiziert. Grund sind aus seiner Sicht die schlechten Zugangsmöglichkeiten zu spezialisierten Praxen. Eine Sensibilisierung liege bei 13 bis 24 Prozent aller Kinder vor, wenn auch nicht bei allen mit klinischer Relevanz.

Häufige Auslöser

Zu den häufigen Kontaktallergenen zählt der Kinderdermatologe Substanzen, die unter anderem in Konsolen oder Mobiltelefonen enthalten sind (z. B. Nickelsulfat, Kobaltchlorid, Kaliumdichromat), sowie herstellungsbedingte Rückstände in Impfstoffen (z. B. Hühnereiweiß, Neomycinsulfat), Farbstoffe in Haarfärbemitteln (z. B. p-Phenylendiamin), Duftstoffe oder pflanzliche Inhaltsstoffe (z. B. Extrakte aus Korbblütlern).

Wussten Sie, dass ...
  • manche Erreger (MMR, Tollwut, FSME) auf Bindegewebszellen von Hühnern oder auf befruchteten Hühnereiern (Influenza, Gelbfieber) gezüchtet werden?
  • Impfstoffe Spuren von Hühnereiweiß und von Antibiotika wie Neomycin enthalten können?
  • Antibiotika benötigt werden, um bakterielle Verunreinigungen von Impfstoffen zu verhindern?
  • eine Neomycin-Allergie nicht notwendigerweise gegen eine Impfung mit einem Neomycin-haltigen Impfstoff spricht, sondern dabei vielmehr eine verstärkte Reaktion an der Impfstelle zu erwarten ist?

Urtikaria

„Die Urtikaria ist klinisch einfach zu erkennen“, weiß der Experte und rät, eine Quaddel zu markieren. „Ist sie nach etwa 24 Stunden verschwunden oder wandert der Befund stark, steht die Diagnose so gut wie fest.“

Hintergrund

Für die akute Urtikaria im Kindesalter spielen Allergien keine Rolle. Sie wird meist durch Infekte oder Medikamente ausgelöst. Nur bei Säuglingen unter sechs Monaten kann sie auch zusammenhängend mit einer Nahrungsmittelallergie – meist auf Kuhmilch – auftreten.

Als chronisch wird die Urtikaria bezeichnet, wenn die Symptome sechs Wochen oder länger bestehen. „Aber auch die chronische Form ist nicht allergisch bedingt.“ Die Pathogenese sei bislang nicht im Detail bekannt, man gehe aber von autoimmunologischen Prozessen aus.

„IgE-Antikörper spielen dabei zwar eine Rolle, es handelt sich aber nicht um eine klassische Typ-I-Allergie.“ Selten können auch Infektionen (4 − 6 %), Nahrungsmittel (2 − 6 %), Schilddrüsenerkrankungen (2 %) oder Medikamente (1 − 2 %) ursächlich sein.

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Bei Pricktests werden Allergenlösungen auf die Haut getropft, und diese wird eingeritzt. Rötungen und Quaddeln zeigen eine Sensibilisierung an.
© Foto: drutska / Stock.adobe.com (Symbolbild mit Fotomodell)

Nach Parasiten fahnden

Bei länger anhaltenden Urtikaria-Symptomen rät Pleimes daher, eine Basisdia-gnostik durchzuführen und neben dem kleinen Blutbild und dem Differenzialblutbild Entzündungswerte sowie gegebenenfalls Gesamt-IgE und Autoantikörper (IgG) gegen Thyroidperoxidase zu bestimmen. Bei Kindern mit hoher Eosinophilie (erhöhter Gehalt weißer Blutkörperchen, die bei allergischen Reaktionen und parasitären Infektionen eine Rolle spielen) beispielsweise könne dann nach Wurmeiern und Parasiten gefahndet werden. Viel mehr Diagnostik brauche es nicht.

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