Arzneimittel-Nebenwirkungen: Juckreiz, Ausschlag, Blasenbildung

Arzneimittel können unangenehme, in sehr seltenen Fällen auch schwere Nebenwirkungen an der Haut auslösen. Der Verdacht auf eine Überempfindlichkeit sollte unbedingt ärztlich abgeklärt werden.

von Angelika Bauer-Delto
27.09.2024

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© Foto: Kwangmoozaa / stock.adobe.com (Symbolbild mit Fotomodell)
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  • Die meisten Nebenwirkungen von Arzneimitteln an der Haut sind harmlos.
  • Das makulopapulöse Arzneimittelexanthem und anaphylaktische Sofortreaktionen sind allergischer Natur.
  • Die generalisierte, exanthematische Pustulose, die blasenbildende epidermale Nekrolyse, die toxisch epidermale Nekrolyse und das DRESS-Syndrom haben keine klassisch allergische Ursache.
  • Arzneimittelnebenwirkungen an der Haut müssen immer vom Arzt abgeklärt werden.
  • Betroffene sollten auslösende Medikamente nur in Rücksprache mit dem Arzt absetzen.

Medikamente sind für die Gesundheit und Lebensqualität oft unerlässlich. Doch oft gibt es keine Wirkung ohne eine entsprechende Nebenwirkung: Bei jeder medikamentösen Behandlung kann es zu unerwünschten Arzneimittelreaktionen kommen, die nicht selten die Haut betreffen. „Die meisten Nebenwirkungen an der Haut sind zwar unangenehm, aber harmlos“, berichtet Prof. Maja Mockenhaupt. Schwere oder gar lebensbedrohliche Verlaufsformen sind glücklicherweise sehr selten, weiß die Leiterin des Dokumentationszentrums schwerer Hautreaktionen (dZh) in Freiburg.

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Trockene Haut

Zu den häufigen Begleiterscheinungen bei regelmäßiger Einnahme von Medikamenten zählt trockene Haut. Gerade ältere Menschen, deren Haut ohnehin zu Trockenheit neigt, benötigen oft Medikamente, die per se austrocknend wirken können und das Problem verstärken wie Blutdruckmittel, Diuretika, Medikamente gegen Diabetes melllitus oder Lipidsenker. Um vorzubeugen und Spannungsgefühle sowie Juckreiz zu lindern, empfiehlt Mockenhaupt eine tägliche, rückfettende und feuchtigkeitsspendende Hautpflege.

Allergisch bedingt

Typische unerwünschte Hautreaktionen auf Medikamente sind mild verlaufende, allergisch bedingte Arzneimittelexantheme, die meist durch einen juckenden Hautausschlag charakterisiert sind. Allergischen Reaktionen geht eine spezifische Sensibilisierung auf bestimmte Bestandteile des Medikaments voraus. Das bedeutet: Das Arzneimittel wird zunächst vertragen, Beschwerden treten erst bei wiederholter Anwendung auf. In manchen Fällen kann es sich auch um pseudoallergische Reaktionen ohne entsprechende Beteiligung des Immunsystems, aber mit ähnlichen Symptomen handeln.

Makulopapulöses Arzneimittelexanthem-- Es gilt als häufigste Form einer unerwünschten Hautreaktion. Die Spättypreaktion tritt einige Tage nach der Medikamentengabe auf und ist durch einen Hautausschlag mit entzündlich geröteten kleinen Flecken (Makulae) und Knötchen (Papeln) charakterisiert.

Solche Hautreaktionen werden häufig durch Antibiotika wie Penicillin verursacht. Auch Schmerzmittel aus der Gruppe der nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR), Mittel gegen Epilepsie und Allopurinol gegen Gicht sind weitere, mögliche Auslöser.

Manchmal ist nicht ein Arzneimittel, sondern der Krankheitserreger einer Infektion Ursache eines Hautausschlags. Nach einigen Wochen und spätestens binnen eines Jahres sollte die vermutete Medikamentenunverträglichkeit allergologisch abgeklärt werden.

Anaphylaxie-- Sehr selten kann sich innerhalb von Minuten bis Stunden nach der Anwendung eines Medikaments eine allergische Soforttypreaktion in Form einer Anaphylaxie entwickeln. Auslöser sind vor allem Schmerzmittel und Antibiotika. Die Symptome reichen von einer Urtikaria mit Quaddelbildung an der Haut und Schwellungen über Atemnot bis hin zum Herz-Kreislauf-Versagen. Bei der Anaphylaxie handelt es sich um einen Notfall, der bei den ersten Anzeichen umgehend ärztlich behandelt werden muss.

Andere Ursachen

Tage bis Monate nach einer Medikamenteneinnahme kann es sehr selten zu weiteren schweren Hautreaktionen kommen, bei denen keine klassische allergische Situation besteht, erklärt Mockenhaupt. Dazu zählen die akute generalisierte exanthematische Pustulose (AGEP),die blasenbildende epidermale Nekrolyse (EN) sowie das DRESS-Syndrom (engl.: drug reaction with eosinophilia and systemic symptoms). Die EN umfasst das Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) und die toxisch epidermale Nekrolyse (TEN).

Da anders als bei allergischen Reaktionen keine Sensibilisierung vorangeht, treten solche Reaktionen bereits beim ersten Behandlungszyklus mit einem Medikament auf. Mögliche Auslöser der AGEP sind vor allem Aminopenicilline, aber auch NSAR und pflanzliche Arzneimittel. Bei EN und DRESS zählen vor allem das Gichtmittel Allopurinol, Sulfonamide zur Behandlung von Infektionen und ebenfalls Mittel gegen Epilepsie zu den häufigsten Ursachen, bei der EN außerdem NSAR vom Oxicamtyp.

Weil diese schweren Arzneimittelreaktionen lebensbedrohlich verlaufen können, gilt es, bei den ersten Warnzeichen (s. Grafik) umgehend ärztliche Hilfe in der Hautarztpraxis oder Hautklinik zu suchen. Schwere Krankheitsbilder müssen in der Regel im Krankenhaus, manchmal auch auf der Intensivstation behandelt werden. „Der Auslöser ist umgehend abzusetzen“, betont Mockenhaupt. Wenn nötig und möglich, wird eine alternative Medikation gegeben. In manchen Fällen stellt sich aber auch heraus, dass nicht ein Arzneimittel, sondern beispielsweise eine Infektion die Ursache war.

Warnsignale für schwere Arzneimittelreaktionen auf der Haut

Kommt es während der Therapie mit bestimmten Medikamenten plötzlich zu den oben genannten Symptomen, ist zum Ausschluss einer Arzneimittelreaktion ein Arzt aufzusuchen.
© Foto: Grafik: DAS PTA MAGAZIN / Illustration: Mone Beeck

Warnsignale

Hautveränderungen, die während der Einnahme von Medikamenten auftreten, sollten immer als Warnsignale gewertet werden. Als solche Signale gelten ausgeprägte Pusteln und Blasenbildung. Auch systemische Reaktionen sind möglich.

Pusteln

Die AGEP kann einige Tage nach Beginn einer medikamentösen Therapie auftreten. Eine AGEP ist sehr selten, die Häufigkeit wird auf einen bis fünf Fälle pro einer Million Menschen pro Jahr geschätzt. Charakteristisch ist ein entzündliches Erythem (Rötung), das jucken und brennen kann und mit Fieber einhergeht. Vor allem in den Beugen zeigen sich zahlreiche Pusteln. Lippen und Mundschleimhaut können ebenfalls betroffen sein.

Gegenmaßnahmen-- Die Hautveränderungen heilen nach Absetzen des auslösenden Medikaments meist innerhalb weniger Tage unter Schuppenbildung von selbst wieder ab. Unterstützend können juckreiz- und schmerzlindernde Medikamente verabreicht werden. Eine vorübergehende Beteiligung von Leber und Niere ist möglich. Zur Behandlung werden Glukokortikoide kurzzeitig innerlich oder auch äußerlich eingesetzt. Die Sterblichkeit liegt bei unter fünf Prozent.

Wussten Sie, dass ...
  • Hautreaktionen auf Arzneimittel wie AGEP, DRESS oder EN an das Dokumentationszentrum schwerer Hautreaktionen (dZh) in Freiburg gemeldet werden sollten?
  • die Registrierung aller auftretenden Fälle und die Analyse der zur Verfügung gestellten Daten Erkenntnisse über die Häufigkeit und die Risikofaktoren schwerer Hautreaktionen ermöglichen sollen?
  • das dZh auch Ansprechpartner ist für diagnostische und therapeutische Fragen?

Blasen

Tage bis Wochen nach einer medikamentösen Behandlung können sich sehr selten schwere, blasenbildende Hautreaktionen entwickeln, die lebensbedrohlich verlaufen können. Die Häufigkeit einer solchen EN liegt bei einem bis zwei Fällen pro einer Million Menschen pro Jahr.

An der Haut zeigt sich ein fleckiger Hautausschlag, der rasch in eine schmerzhafte Blasenbildung unterschiedlicher Ausdehnung übergehen kann und einer Verbrennung oder Verbrühung ähnelt. Fast immer ist auch die Schleimhaut im Mund, an den Augen oder den Genitalien betroffen, manchmal auch in der Nase, an den Bronchien oder am Anus. Meist kommen Fieber und ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl hinzu.

Je nach Schweregrad werden verschiedene Formen unterschieden: Beim Stevens-Johnson-Syndrom betrifft die Hautablösung bis zu zehn Prozent der Körperoberfläche, bei der toxisch epidermalen Nekrolyse sind es mehr als 30 Prozent. Zwischenformen werden als SJS/TEN bezeichnet. Die Sterblichkeit beim Stevens-Johnson-Syndrom beträgt bis zu neun Prozent, bei der TEN bis zu 48 Prozent. Nach überstandener Erkrankung können körperliche Folgeschäden an der Haut oder den Augen und psychische Beeinträchtigungen wie Schlafstörungen oder Ängste vor jeglicher Medikamenteneinnahme den Betroffenen noch jahrelang zu schaffen machen.

Gegenmaßnahmen-- Die akuten Haut- und Schleimhautveränderungen werden lokal behandelt. Außerdem wird die Gabe von Glukokortikoiden, Cyclosporin A oder anderen, immunmodulierenden Therapeutika erwogen. Behandlungen auf der Intensivstation oder in einer Verbrennungseinheit können nötig werden.

Systemische Reaktion

Wochen bis Monate nach einer Medikamentengabe kann sich ein DRESS ausbilden. Auch diese Arzneimittelreaktion ist sehr selten. Es wurden Sterblichkeitsraten von unter zwei Prozent bis zu zehn Prozent gefunden. Bei DRESS handelt es sich um eine systemische Reaktion, das heißt, der ganze Körper ist betroffen, und es kommt zu Fieber, Lymphknotenschwellung und Eosinophilie mit vermehrten weißen Blutkörperchen. Entzündungen der Leber, Nieren und Gelenke, eine Beteiligung der Lunge oder des Herzens sind möglich. An der Haut zeigt sich ein fleckiges, teils entzündliches Exanthem mit Papeln oder Pusteln, das meist mit Gesichtsschwellungen (Ödem) einhergeht und schließlich über mehrere Monate abheilt.

Gegenmaßnahmen-- Zur Behandlung eines DRESS werden in der Regel für einige Wochen systemische Glukokortikosteroide gegeben.

Tipps für die Beratung

Fast alle Medikamente können allergische Reaktionen hervorrufen, erklärt Maja Mockenhaupt. „Bei Verdacht auf eine Medikamentenunverträglichkeit sollten Betroffene ärztlichen Rat suchen“, empfiehlt die Expertin. In der Regel werden die Ärztin oder der Arzt zunächst ein Absetzen des verdächtigten Medikaments anraten und nach Möglichkeit ein alternatives Arzneimittel empfehlen. Die Hautreaktionen eines „klassischen“ Arzneimittelexanthems klingen von selbst wieder ab. Juckreizlindernde Medikamente können währenddessen hilfreich sein.

„Der Verdacht auf eine Arzneimittelunverträglichkeit sollte Betroffene nicht dazu verleiten, erforderliche Medikamente ohne ärztliche Rücksprache abzusetzen“, betont Mockenhaupt. „Es sollte stets eine ärztliche Abklärung erfolgen, ob das Medikament tatsächlich die Ursache ist“.

Bestätigt sich dies, wird ein Allergiepass ausgestellt, und der Auslöser sollte künftig gemieden werden. Die Betroffenen können so vor unangenehmen bis hin zu schweren Folgen bewahrt werden. Kann der Verdacht auf eine Arzneimittelüberempfindlichkeit dagegen ausgeräumt werden, lassen sich unnötige Einschränkungen der Therapiemöglichkeiten vermeiden.

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