Gesundheit: Klimasensibel beraten

Hitzewellen bedrohen vor allem ältere und vorerkrankte Menschen. Eine klimasensible Beratung gewinnt daher an Bedeutung. Eine wichtige Funktion als Multiplikator hat das Personal in Apotheken und Arztpraxen.

von Kirsten Bechtold
30.07.2024

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© Foto: Imilian / Getty Images / iStock
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Der Temperaturanstieg in Europa beträgt annähernd das Doppelte des Anstiegs weltweit, hieß es in einer Pressemitteilung der Bundesärztekammer zum diesjährigen Hitzeschutzaktionstag am 5. Juni. Und das Aktionsbündnis Patientenversorgung, dem unter anderem der Apothekerverband Nordrhein angehört, warnte unlängst, dass vermehrte Hitzewellen, höhere Feinstaubbelastung, verlängerte Pollenflugzeiten, steigende Gefahren durch tropische Insekten und zunehmende UV-Strahlung die Gesundheit von Jahr zu Jahr mehr belasten.

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Ältere und Hochbetagte sowie chronisch Kranke sind besonders gefährdete Gruppen, aber auch Arbeitnehmer leiden, zum Beispiel wenn sie während einer Hitzewelle im Freien oder in nicht klimatisierten Räumen arbeiten müssen. Vorschläge zu Hitzeschutzmaßnahmen und -plänen gibt es mehrere. Ziel ist es, Gefährdete zu schützen und das Gesundheitssystem vor Überlastung zu bewahren. Doch in Sachen Hitzeprävention ist noch Luft nach oben.

Bewusstsein schaffen

Eine Schlüsselrolle bei der Aufklärung der Bevölkerung kommt allen Beschäftigten im Gesundheitssektor zu, neben Ärzten in besonderem Maß dem Apothekenpersonal. Denn zum einen kommen besonders hitzegefährdete Menschen wie Ältere oder chronisch Kranke meist regelmäßig in die Apotheke. Zum anderen entfalten einige Arzneimittelgruppen bei Hitze gefährliche Nebenwirkungen, darunter auch einige freiverkäufliche. Das verstärkt das Gesundheitsrisiko. Hier gilt es, ein Bewusstsein zu schaffen und gegebenenfalls an den Arzt zu verweisen zwecks Anpassung der Dosierung oder vorübergehender Umstellung der Medikation.

PTA können Co-Benefits für Gesundheit und Klima betonen.
 

Klimasensibel beraten

Eine klimasensible Beratung umfasst jedoch mehr als die Aufklärung zu möglichen Nebenwirkungen oder die Weitergabe von allgemeinen Empfehlungen zum Verhalten bei großer Hitze wie ausreichend trinken, den Körper kühl halten, leicht verdauliche Mahlzeiten verzehren und sich im Freien vor Sonne schützen. Vielmehr wird die klimasensible Gesundheitsberatung als „Integration von Themen rund um Klimawandel und Gesundheit in der Beratung von Patienten“ definiert.

In Deutschland ist in diesem Zusammenhang oftmals die Rede von der „Klimasprechstunde“. Diese umfasst jedoch zusätzlich noch Ansätze zu einer klimafreundlichen Praxisführung oder klimasensiblen Verschreibung (z. B. weniger Dosieraerosole zugunsten von Pulverinhalatoren, kleine Packungen statt großer). Sie geht also über die reine Kommunikation mit dem Patienten hinaus.

Rahmenwerk

Für die klimasensible Gesundheitsberatung wurde 2023 ein Rahmenwerk für Beschäftigte im Gesundheitssektor entwickelt, das für die Beratung in der Apotheke viele Ansätze liefert. Es basiert auf einer systematischen Literaturrecherche und besteht aus den drei Ebenen Ziele, Themenfelder und Kommunikationsstrategien. Die Ziele lauten:

  • individuelle und öffentliche Gesundheit schützen und fördern
  • Wissen und Bewusstsein für Klimawandel und Gesundheit stärken
  • Klimaschutz und Lebensstiländerungen fördern.

Das soll dem Rahmenwerk zufolge in den drei Themenfeldern gesundheitliche Auswirkungen und Anpassung, gesunde und nachhaltige Lebensstile sowie Klimaschutz und politische Aspekte erfolgen und zwar angeknüpft an medizinische oder pharmazeutische Beratungsanlässe. Als Kommunikationsstrategien sollen solche aus der Gesundheitsberatung genutzt werden. Hierzu gehören:

  • motivierende Gesprächsführung
  • patientenzentrierte Kommunikation
  • aktives Zuhören
  • gemeinsame Entscheidungsfindung
  • stärkenbasierter Ansatz.

Darüber hinaus können Strategien aus der Klimawandelkommunikation genutzt werden. Das ist zum Beispiel die Betonung von Co-Benefits für Klimaschutz und Gesundheit. So können Sie beispielsweise zu einem gesunden Lebensstil beraten und gleichzeitig auf die Klimafreundlichkeit von aktiver Mobilität (zu Fuß gehen, Fahrradfahren) und pflanzenbasierter Ernährung eingehen. Machen sich Kunden Sorgen wegen des Klimawandels, sprechen Sie Möglichkeiten an, sich aktiv für den Klimaschutz zu engagieren. Das fördert das Selbstwirksamkeitserleben und verbessert das psychische Wohlbefinden.

Ein weiterer Ansatz: Den Klimawandel greifbarer machen, indem eine Verbindung zur persönlichen gesundheitlichen Situation herstellt wird. Leidet der Kunde beispielsweise unter Asthma bronchiale, erklären Sie ihm, dass sich chronische Lungenerkrankungen wie sein Asthma bei klimabedingten Hitzewellen und hoher Luftverschmutzung häufig verschlechtern und bei Hitze und starker UV-Strahlung vermehrt gebildetes, bodennahes Ozon Atemwegsbeschwerden triggert.

Als Rat können Sie dann mit auf den Weg geben, sich bei der größten Hitze und hohen Ozonwerten vermehrt in Innenräumen aufzuhalten. Ist das nicht möglich, hilft beim Aufenthalt im Freien das Tragen einer Maske. Weiterer Tipp: Ozon-Warn-App nutzen, um das Verhalten an die aktuelle Ozonsituation anzupassen.

Infomaterial aushändigen

Unabhängig vom Beratungsgespräch können Apotheken Informationsmaterial in Form von Flyern oder Handzetteln auslegen oder aktiv anbieten. Diese können zum Beispiel Tipps zum Hitzeschutz, Rezepte zu einer nachhaltigen und gesunden Ernährung oder zur Lagerung von Medikamenten bei hohen Temperaturen enthalten.

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