Haut und Auge: Gemeinsames Leid
- Eine erhöhte Verdunstung des Tränenfilms ist oftmals durch eine Meibom-Drüsen-Dysfunktion bedingt.
- Eine Meibom-Drüsen-Dysfunktion liegt häufig bei einer Rosacea, atopischer Dermatitis oder Altershaut vor.
- Bei Patienten mit atopischer Dermatitis erhöht der Wirkstoff Dupilumab zusätzlich das Risiko für ein trockenes Auge.
- Bei Verdacht auf ernste Ursachen ist ein Augenarztbesuch erforderlich.
Das trockene Auge ist eine Volkskrankheit. Neben eher harmlosen Ursachen, wie konzentriertes Sehen am Computer, Tablet oder Handy, können auch ernste Probleme dahinterstecken. Zum Beispiel ein allgemein trockener Hautzustand, wie er altersbedingt auftritt, ebenso bei Hauterkrankungen wie der Psoriasis, atopischen Dermatitis und Rosacea. Produziert die Haut zu wenige Lipide, tun ihr dies die Meibom-Drüsen (Lidranddrüsen) gleich. Auch der bei atopischer Dermatitis eingesetzte monoklonale Antikörper Dupilumab kann Probleme am Auge verursachen.
(Dys)Funktion der Meibom-Drüsen
Die obere, der Außenwelt zugewandte, Schicht des Tränenfilms ist ein hauchdünner Ölfilm. Dieser schützt die darunterliegende wässrige (salzig schmeckende) Phase vor übermäßiger Verdunstung. Gebildet wird er von den Meibom-Drüsen, deren Ausführungsgänge entlang der oberen und unteren Lidränder liegen. Wird von den Drüsen das ölige Sekret nicht ausreichend produziert, ist es zu zähflüssig oder sind die Ausführungsgänge verstopft (z. B. durch Hautschüppchen), liegt eine Meibom-Drüsen-Dysfunktion vor. In der Folge kann es zum trockenen Auge kommen, einer Blepharitis (Lidrandentzündung) oder anderen Schäden am Auge.
Evaporativ vs. hypovolämisch
Liegt eine erhöhte Verdunstung des Tränenfilms vor, wie bei der Meibom-Drüsen-Dysfunktion, spricht die Medizin von der evaporativen Form. Ist die Tränenproduktion vermindert, handelt es sich um die hypovolämische. Treten die Beschwerden eines trockenen Auges bereits früh am Tag auf, spricht dies für die evaporative Form. Für die hypovolämische Form stehen Symptome, die sich im Laufe des Tages verschlimmern. Auch eine Kombination beider Formen ist möglich. Bei allgemein trockenen Hautzuständen ist bei Augentrockenheit davon auszugehen, dass daran eine evaporative Form beteiligt ist.
Kutane Rosacea
Rosacea (Rosazea, Gesichtsrose) ist eine häufige chronisch-entzündliche Hauterkrankung, insbesondere bei hellhäutigen Erwachsenen. Zumeist tritt sie im Gesicht auf, vor allem an Wangen und Nase, mitunter auch an Stirn und Kinn. Die Rosacea beginnt mit schubartig auftretenden Erythemen (Rötungen), Teleangiektasien (sichtbare erweiterte Blutgefäße) und Flushing (plötzliches Erröten mit Wärmegefühl). Getriggert werden diese Symptome durch UV-Exposition (Sonnenlicht), heiße oder scharfe Speisen, einige Kosmetika, Alkohol und vieles mehr. Später treten dauerhafte Erytheme auf mit Papeln (Knötchen), Pusteln (Eiterbläschen) und Papulopusteln (Knötchen und Eiterbläschen zugleich). Letzteres Hautbild ähnelt dem der Akne, jedoch ohne Komedonen („Mitesser“). Für die medikamentöse Rosacea-therapie zugelassen sind topische Dermatika mit Metronidazol, Azelainsäure, Brimonidin oder Ivermectin. Schwere Verlaufsformen werden systemisch (z. B. mit Doxycyclin, Isotretinoin) oder topisch und systemisch behandelt.
Okuläre Rosacea
In der erst im Jahr 2022 aktualisierten „S2k-Leitlinie Rosazea“ wurden der Rosacea am Auge (Ophthalmorosazea, Augenrosazea) erstmals eigene Kapitel gewidmet. Demnach wird eine Augenbeteiligung – alle Studienergebnisse zusammengefasst – bei durchschnittlich der Hälfte der Betroffenen beobachtet. Zumeist sind beide Augen betroffen, wobei die Augenprobleme zeitgleich mit der kutanen Rosacea auftreten können, aber auch davor oder erst danach. Typisch sind trockene, brennende oder tränende Augen, Fremdkörpergefühl in diesen sowie Lidrandrötung bis hin zu Sehstörungen („Verschwommensehen“) sowie eine erhöhte Lichtempfindlichkeit. Hauptverantwortlich ist eine Meibom-Drüsen-Dysfunktion, die zusätzlich mit einer geminderten Tränenproduktion assoziiert sein kann. Bei jedem Verdacht auf eine okuläre Rosacea sollte ein Augenarzt aufgesucht werden. Unbehandelt kann diese zu schweren Schäden am Auge führen. Wie bei der kutanen Rosacea werden leichte okuläre Formen mit topischen Wirkstoffen behandelt, schwere Formen mit systemischen. Wichtigste Allgemeinmaßnahme ist die Lidhygiene.
Bei Verdacht auf eine ernste Ursache von Augentrockenheit ist der Augenarzt gefragt.
Atopische Dermatitis
Auch für diese häufige Dermatose ist ein trockener Hautzustand charakteristisch, der wiederum von einer Meibom-Drüsen-Dysfunktion begleitet sein kann. Nennenswert ist zudem der bei der Hauterkrankung eingesetzte monoklonale Antikörper Dupilumab (Wirkstärken: 200 mg, 300 mg), der subcutan appliziert wird. Dupilumab ist für Patienten ab sechs Jahren zur Therapie der atopischen Dermatitis und des Asthma bronchiale zugelassen, ferner zur Behandlung der chronischen Rhinosinusitis mit Nasenpolypen sowie die 300-mg-Wirkstärke bei COPD. Zu den Dupilumab-Nebenwirkungen gehören verschiedene Augenerkrankungen, vor allem bei Patienten mit atopischer Dermatitis. Beispiele sind die infektiöse und allergische Konjunktivitis, die Keratitis (Hornhautentzündung), Blepharitis, Augenjucken und Symptome des trockenen Auges.
Hinweise an Patienten
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AKdÄ) empfiehlt in einer Drug Safety Mail Ende 2022, Dupilumab-Anwender und deren Eltern (bzw. Betreuer) über das Risiko und die Symptome der ophthalmologischen Nebenwirkungen aufzuklären. Treten Tränenfluss, juckende, gerötete, geschwollene oder trockene Augen sowie Fremdkörpergefühl erstmals auf oder verschlechtern sich diese, sofern sie bereits vor der Dupilumabtherapie vorhanden waren, ist umgehend ein Arzt, gegebenenfalls Augenarzt, zu kontaktieren und keine eigenständige Behandlung einzuleiten. Dies gilt insbesondere für plötzliche Änderungen des Sehvermögens oder erhebliche, anhaltende Augenschmerzen.
Tägliche Lidhygiene
Bei Verdacht auf eine ernste Ursache von Augentrockenheit sollte Betroffenen unbedingt ein Arztbesuch empfohlen werden. Unabhängig davon ist bei einer jeden Meibom-Drüsen-Dysfunktion die tägliche Lidhygiene ein Muss. Deren Ziel ist es, durch das Entfernen von Hautschüppchen und Verkrustungen den Meibom-Drüsen die Abgabe ihres öligen Sekrets zu erleichtern. Bei starken Beschwerden empfiehlt es sich, vor der Lidrand-Reinigung für einige Minuten die Lider zu erwärmen. Die Wärmebehandlung verflüssigt das Meibom-Drüsen-Sekret, wodurch es leichter in Richtung Lidränder ausmassiert werden kann. Genaue Anleitungen zum Gebrauch einer wärmenden Augenmaske, der Lidrandmassage sowie der Anwendung von Lidrand-Reinigungsprodukten gibt es bei den Herstellern der betreffenden Produkte. Geeignete Wärmespender sind spezielle Wärmebrillen oder eine mit Leinsamen gefüllte Augenmaske (Außenmaterial: Seide, Baumwolle), die in der Mikrowelle erwärmt wird. Zur Lidreinigung gibt es gebrauchsfertige, einzeln verpackte, sterile Tücher, ebenso Lotionen und Gele. Sinnvoll ist die anschließende Applikation eines Tränenersatzmittels, bei einer Meibom-Drüsen-Dysfunktion bevorzugt mit einer Lipidkomponente.